Teller, Buchstaben, Tisch, Gewürze, Porzellan, Tischdecke
Credits: unsplash/Siegfried Poepperl

Mein Drucker, meine Alge & Ich

Future food: Wie arbeiten IT und Lebensmitteltechnologie an der Ernährung von morgen?

Mesdames et Messieurs, treten Sie ein in das feinste Restaurant, das die Zukunft zu bieten hat! Freuen Sie sich auf allerfeinste Spezialitäten frisch aus dem 3D-Drucker, exotische Insekten-Genüsse und hätten Sie es gern To-Go, dann nehmen Sie es mit in den nachhaltigsten Verpackungen direkt aus den Tiefen des Meeres. Am Herd stehen heute für Sie: Die Ingenieur*innen und ITler*innen von morgen. Haben Sie schon Appetit bekommen? Wir haben da mal was vorbereitet.

 

IM LEBENSMITTELPUNKT

Natürlich werden Speisen im Restaurant auch in Zukunft von Köchen und Köchinnen zubereitet. Trozdem wird die Lebensmitteltechnik in den kommenden Jahren eine immer wichtigere Rolle spielen. Obwohl: Eigentlich tut sie das schon jetzt, auch wenn nicht alle davon wissen. Für manch einen mag diese Branche sogar nach etwas negativem klingen. Lebensmittel und Industrie? Fast ein Widerspruch, beziehungsweise die Schmiede von ungesundem Fertigfraß. Dass dies nicht stimmt, weiß Junior-Professor Dr. Christian Krupitzer, Leiter des Fachgebiets für Lebensmittelinformatik an der Universität Hohenheim: »Die Lebensmitteltechnik kämpft oftmals gegen ein negatives Image. Dieses Bild ist jedoch ungenügend, da auch hochqualitative Lebensmittel heutzutage oftmals industriell gefertigt werden. Hier gilt es klar zu stellen, dass industrielle Lebensmittelverarbeitung nicht gleichzusetzen ist mit der Herstellung von Fertiggerichten.« Tatsächlich ist jede pasteurisierte Milch, jedes Gurkenglas und fast alles andere, was es im Supermarkt zu kaufen gibt, durch eine Fabrik gelaufen, in der es von Ingenieur*innen und Leuten aus der IT begleitet und geprüft wurde. Das deutsche Institut für Lebensmitteltechnik (DIL) gibt jährlich einen Bericht über die neuesten Forschritte der Branche heraus. Der große Schwerpunkt liegt dabei besonders auf der Sicherheit. Es ist Lebensmitteltechniker*innen zu verdanken, dass unsere Nahrung vor Gefahren wie Kontaminierung sicher ist und so für mehr Gesundheit gesorgt wird – zum Beispiel durch die technische Entwicklung neuer Konservierungsmethoden oder intelligenter Verpackungen, um Plastikrückstände zu vermeiden. Klingt bis hierher alles ganz toll für Interessierte aus dem Anlagenund Maschinenbau. Doch wo liegen dabei die Einsatzmöglichkeiten für ITler*innen?

 

HYGIENE DURCH IT

Wir operieren mit der Lebensmittelinformatik interdisziplinär an der Schnittstelle der Lebensmittelwissenschaft, Biotechnologie und Informatik«, erklärt Christian Krupitzer, »in enger Kooperation wenden wir Methoden und Technologien aus den Bereichen der Künstlichen Intelligenz, prädiktiver Datenanalyse, Industrie 4.0, sowie des Internets der Dinge in der Lebensmittelverarbeitung an.« Das Ziel dabei sei sowohl eine Steigerung von Effizienz, als auch der Nachhaltigkeit – beides ungemein wichtige Zukunftsthemen, weshalb für Informatiker*innen momentan sämtliche Türen offen stehen. Wie in allen anderen Branchen will auch die Lebensmittelindustrie endlich vermehrt auf Digitalisierung setzen. Gerade hier ist der Einsatz von Automation besonders sinnvoll, da eine Fabrikhalle mit möglichst wenigen Menschen natürlich bessere Hygiene ermöglicht. Bisher, so Krupitzer, fehle es vielerorts allerdings noch an Fachkräften mit entsprechenden Fähigkeiten: »Mitarbeiter*innen müssen insbesondere für die Unterstützung der automatisierten Datenanalyse sowohl Kenntnisse des Machine Learnings, als auch der Domäne, das heißt der Prozesse bzw. Produkte, kombinieren. Solches Personal ist schwer zu finden, da die typische – auch universitäre – Ausbildung die Informationstechnologie noch nicht hinreichend integriert.« Wer sein IT-Wissen hier zum Einsatz bringen will, sollte neben analytischem Denken und strukturiertem Arbeiten vor allem auch eine große Menge Interdisziplinarität mitbringen, um als Vermittler*in zwischen Informatik, Ingenieurwesen und Biochemie handeln zu können.

 

NOCH WENIG DRUCK

Neben Gebieten wie Lebensmittelsicherheit und -entwicklung, die immer ihre Relevanz behalten werden, ist in den letzten Jahren vor allem das Thema 3D-Druck stetig populärer geworden. Im Non-Food-Bereich hat sich diese Technik bereits etabliert. Die besondere Herausforderung für Lebensmittel – und bisher auch noch oft Hindernis – ist die Struktur von verzehrbaren Materialien. Lars Leonhardt forscht als Projektingenieur am DIL und erkennt die Hürden: »Im Gegensatz zu Kunststoffanwendungen stellen Lebensmittel-Produkte komplexe Mehrkomponentensysteme dar, deren Anwendung im 3D-Druck noch nicht so weit fortgeschritten und standardisiert ist. Auch die Herstellungszeit zum Aufbau eines Druckobjektes steht dem ortschritt der Technik hier etwas im Wege. Je feiner die Auflösung, desto länger der Druckprozess.« Daher ist diese Methode vorerst nicht das Allheilmittel zur Bekämpfung des Welthungers, sondern aufgrund des zeitlichen Aufwandes eher noch ein spaßiges Gadget für Luxusrestaurants. Doch schon heute werden teilweise die möglichen Grundsteine für zukünftige Lösungen gesetzt. Mittlerweile gibt es viele Startups, die mit 3D-Druck pflanzliche Alternativen für Fleisch produzieren. Auch in Altenheimen sieht man ein Potential für den Einsatz von 3D-gedruckter Nahrung, die »echtes« Essen imitieren, aber leichter verzehrbar und nährstoffreicher machen soll. Weiterhin gibt es Projekte, die sich mit der Verarbeitung von Insekten als Lebensmittel auseinandersetzen. Mithilfe des Druckers können so verarbeitete Krabbler als alternative und schmackhafte Protein-Quelle genutzt werden. Fazit: Bisher ist vor allem die Forschung ein willkommenes Pflaster für alle 3D-Druck-Freund*innen. Aber welche Schwerpunkte sollten im Studium für eine Karriere gesetzt werden? Die IT oder das Ingenieurwesen? Lars Leonhardt empfiehlt folgendes: »Beide Spezialisierungen stellen wichtige Schwerpunkte für den 3D-Druck dar. Als computergesteuertes Verfahren nahe an der Robotik, sehe ich selbst besonders die Automatisierungstechnik als wichtige Spezialisierung. Am Ende macht es jedoch das Team, bestehend aus verschiedenen Experten, aus.«

 

KEINE ALTEN SCHACHTELN

Zum nachhaltigen und gesunden Image eines Lebensmittels gehört jedoch mehr, als nur die Nahrung an sich. Ein großes Problem ist die Masse an Verpackung. Allerdings wird schon seit einiger Zeit an Alternativen geforscht. Das zeigt auch »Mak Pak« – ein Gemeinschaftsprojekt der Hochschule Bremerhaven und des Alfred-Wegener-Instituts. Ziel ist es, nachhaltige Verpackungen aus Makro-Algen zu entwickeln. Diese haben nicht nur eine sehr hohe Stabilität sondern tragen auch antioxidative und antimikrobielle Eigenschaften in sich – außerdem sind sie verzehrbar und biologisch abbaubar. Erste praktische Tests gab es bei der Fast-Food-Kette Nordsee. Der Markt an nachhaltigen Verpackungen wird immer größer; das weiß auch Lisa Klussmann – wissenschaftliche Mitarbeiterin an der HS Bremerhaven und dem Projekt »Mak Pak«: »Dennoch gibt es hier noch große Lücken und Forschungsbedarf. Während die recycelbaren Verpackungen meist noch auf Basis von recyceltem Plastik sind und somit immer noch eine sehr gute Wasser- und Fettbarriere bieten, sind die biologisch abbaubaren Verpackungen meist auf Basis von Biomaterialien.« Auch der Recyclingprozess gilt immer noch als schwierig. Lisa Klussmann ist daher optimistisch, wenn es um Karriereaussichten in der Verpackungsindustrie geht: »Überall gibt es noch Forschungsund Optimierungsbedarf. Dabei werden auch branchenübergreifende Berufsfelder immer größer, da so viele neue Bereiche aufeinandertreffen. Die Entwicklung selbst findet dabei nicht immer in Forschungsinstitutionen statt, sondern auch in den Firmen selbst oder den eigenen vier Wänden.« Und auch die Informatik kommt nicht zu kurz: »Schon während der Entwicklung können durch digitale Strukturanalysen die Eigenschaften der Materialien untersucht und verbessert werden. Gleiches gilt für Materialprüfungen. Hier bietet die Erfassung von physikalischen Eigenschaften eine wertvolle Ergänzung, die vom Menschen durch sensorische Wahrnehmungen nicht mehr greifbar ist«, weiß die wissenschaftliche Mitarbeiterin. Es zeigt sich also: Ohne technische Innovationen bleiben die Öfen der Zukunft kalt. Ran an die Töpfe!


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