Wo steht Deutschland in Sachen Energiewende?
2018 lieferten die Erneuerbaren Energien fast 230 Milliarden Kilowattstunden Strom, davon stammte etwa die Hälfte aus Windenergieanlagen an Land und auf See. Die andere Hälfte wurde im Wesentlichen von Bioenergie- und Photovoltaikanlagen generiert. Während die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien bisher erfreulich zugenommen hat, gibt es in anderen Feldern der Energiewende weniger positive Entwicklungen. So verzeichnet die Expertenkommission der Bundesregierung zum Monitoring der Energiewende bei der Steigerung der Energieeffizienz erhebliche Defizite. Vor allem der Verkehrssektor ist sowohl im Hinblick auf den Endenergieverbrauch als auch bei den Treibhausgasemissionen das Sorgenkind. Kritisch beurteilt wird auch der stagnierende Anteil der Erneuerbaren Energien im Wärmebereich. Während das Klimaschutzziel für 2020 inzwischen als unerreichbar gilt, müssen die Anstrengungen erheblich gesteigert werden, um die angestrebte Minderung der Treibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent bis 2030 zu erreichen.
Es gibt also noch viel zu tun. Welche Karrierechancen bietet der Ausbau der Erneuerbaren Energien angehenden Ingenieuren in Deutschland?
Sowohl innerhalb Deutschlands als auch europa- und weltweit ergeben sich vielfältige und anspruchsvolle Handlungsfelder für angehende Ingenieure. Neben dem Bau neuer Anlagen zur Nutzung Erneuerbarer Energien gehört dazu der Aufbau der dazugehörigen Infrastruktur wie Stromleitungen und Speicher. Darüber hinaus werden uns der Rückbau der Atomkraftwerke sowie die sichere Lagerung der nuklearen Abfälle noch jahrzehntelang beschäftigen. Auch die Kohlenutzung ist mit sogenannten Ewigkeitsaufgaben verbunden, zu denen zum Beispiel die Stabilisierung des Untergrunds oder die Renaturierung von Tagebaulandschaften gehören.
Hört sich nach guten Aussichten für INGs an. Welches Mindset brauchen Nachwuchskräfte für den erfolgreichen Berufseinstieg?
Wie in vielen anderen Tätigkeitsfeldern auch sind Eigenschaften wie Teamfähigkeit, eine hohe Leistungsbereitschaft und Flexibilität gefragt. Da die Erneuerbaren Energien nicht nur in Deutschland, sondern weltweit ausgebaut werden und hiesige Unternehmen auch im Ausland aktiv sind, sind gute Fremdsprachenkenntnisse je nach Tätigkeitsfeld unerlässlich. Die Energiewende bedeutet zudem nicht nur einen Ausbau der Erneuerbaren Energien, sondern eine Transformation des gesamten Energiesystems. Dadurch, dass unsere Energieversorgung in Zukunft zu einem hohen Anteil auf Wind und Sonne beruht, verändert sich auch die Steuerung des gesamten Systems aus Energienachfrage und -angebot. Das erfordert systemisches Denken und eine hohe Bereitschaft, sich an neue Entwicklungen anzupassen.
Wieso lohnt sich ein Berufseinstieg in die Energiebranche?
Die Notwendigkeit des Klimaschutzes ist inzwischen weltweit Konsens, ebenso wie die Tatsache, dass die Erneuerbaren Energien hierfür eine Lösung bieten. Dabei stellt sich nicht mehr die Frage des ›ob‹ bei der Energiewende, sondern nur noch des ›wie‹. Unsere Wirtschaft und Gesellschaft sind in einem hohen Maße von einer sicheren und zuverlässigen Energieversorgung abhängig, folglich gibt es hier reichlich zu tun. Die Tätigkeitsfelder sind extrem vielfältig und reichen von der Automobilwirtschaft über die Bioenergie in der Landwirtschaft, den Bau und die Steuerung von Stromnetzen, Windenergie- und Photovoltaikanlagen bis zum Rückbau und Entsorgung konventioneller Energieanlagen.
Wie wird sich der Bereich in den nächsten Jahren verändern?
Die Perspektive wird sich weiter wandeln – vom reinen Zubau an Anlagen hin zur erfolgreichen Transformation des gesamten Energiesystems. Herausforderungen liegen dabei zum Beispiel in der Abstimmung des wetter- und jahreszeitlich schwankenden Energieangebots und des Energieverbrauchs, im Transport und der Speicherung von Strom sowie der verstärkten Nutzung von Elektrizität aus Erneuerbaren Energien in der Wärmeversorgung und im Verkehr.