Ingenieurstudenten müssen sich keine Sorgen um den Berufseinstieg machen – sie haben beste Chancen auf einen guten Job. Das belegen die Ergebnisse einer Untersuchung der Bundesagentur für Arbeit: »Die aktuelle Arbeitslosenquote liegt für Ingenieurabsolventen bei 2,7 Prozent«, erläutert Ralf Beckmann – und das, obwohl die Absolventenzahlen seit Jahren steigen. Im Ingenieurmonitor, einem Bericht des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln und des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), ist im dritten Quartal 2018 sogar von einem Rekordtief der Ingenieur-Arbeitslosigkeit seit Beginn der Aufzeichnungen die Rede. Verglichen mit 2017 ist die Arbeitslosenzahl demnach um 8,7 Prozent gesunken.
Berufskategorien von Ingenieuren im Fokus
Die Zahl der arbeitslosen Ingenieure sank dem Ingenieurmonitor zufolge in allen Berufskategorien. Im Bereich der Metallverarbeitung hat die Zahl der Arbeitslosen im Vergleich zum Vorjahresquartal am meisten abgenommen, nämlich um 15,7 Prozent. Auch im Sektor Energie- und Elektrotechnik sind die Arbeitslosenzahlen spürbar zurückgegangen. Eine geringere Nachfrage an Arbeitskräften gibt es dagegen in der Technischen Forschung und Produktionssteuerung. In diesem Bereich war die Arbeitslosigkeit mit 7.140 Personen am höchsten. Auch im Baubereich waren sehr viele Ingenieure auf Jobsuche: 5.881. Zum Vergleich: In der Metallverarbeitung gab es nur 236 arbeitslose Ingenieure.
Für die deutsche Wirtschaft bedeuten die steigenden Absolventenzahlen eine positive Entwicklung. Denn die Studienabgänger, die wieder vermehrt auf den Arbeitsmarkt strömen, wirken dem Fachkräftemangel entgegen. Unternehmen fällt es damit leichter, offene Stellen zu besetzen. Vor allem im Maschinenbau sowie der Produktionsplanung und -steuerung zeigt sich aus Arbeitgebersicht eine Entspannung. »Allerdings treten nach wie vor deutliche Besetzungsschwierigkeiten zu Tage, zum Beispiel in der Automatisierungstechnik und der Softwareentwicklung «, so Ralf Beckmann. Sind Ingenieure auf der Suche nach einer Stelle im öffentlichen Dienst, bietet sich eine Suche im Online-Stellenportal Interamt an.
Engpässe auf dem Arbeitsmarkt
Obwohl die steigenden Absolventenzahlen positiv zu bewerten sind, sollte der Fachkräftenachwuchs weiterhin gefördert und ausländische Arbeitskräfte für den deutschen Ingenieurarbeitsmarkt akquiriert werden. Denn zahlreiche Erwerbstätige aus den starken Jahrgängen gehen nach und nach in Rente. Derzeit gibt es den größten Engpass mit 573 zu besetzenden Stellen auf je 100 Arbeitslose im Bereich Bau, Vermessung, Gebäudetechnik und Architektur. Der Wert hat sich im Vergleich zum Vorjahr um 33,2 Prozent erhöht. Ähnlich hoch fallen die Engpässe in der Maschinen- und Fahrzeugtechnik sowie in der Energie- und Elektrotechnik aus. Dort gibt es 406 beziehungsweise 511 offene Stellen je 100 Arbeitssuchenden. Im Vergleich zum Vorjahr haben sich die Engpässe in allen Fachbereichen verstärkt – im Mittel um 22 Prozent.
Herausforderungen sieht Ralf Beckmann auch im Bauwesen: »Hier gibt es derzeit eine stark zunehmende Nachfrage und damit einhergehende Engpässe. Die niedrigen Zinsen und der Investitions- und Sanierungsbedarf im Wohnungsbau und der öffentlichen Infrastruktur tragen zu einem weiterhin hohen Fachkräftebedarf bei.« Weitere Wachstumsfelder sieht Beckmann im Forschungs- und Entwicklungsbereich, zum Beispiel bei den Themen Antriebstechnik, autonomes Fahren, Automatisierung oder künstliche Intelligenz.
Es mag irritierend wirken, dass es trotz der Engpässe in denselben Bereichen die meisten Arbeitslosen gibt. Die Antwort lautet Mismatch: Unterschiedliche Vorstellungen von Arbeitgebern und -nehmern oder eine unüberwindbare räumliche Distanz zwischen Wohn- und Arbeitsplatz bewirken, dass Stellen nicht besetzt werden können. Daneben handelt es sich bei Arbeitslosenquoten von weniger als drei Prozent oft um eine reine Sucharbeitslosigkeit. Diese entsteht dadurch, dass Stellenbesetzungsprozesse Zeit brauchen, etwa für die Bewerbersichtung, Vorstellungsgespräche und Aufnahmetests.
Gehälter-Check
Bei der Stellenbesetzung geht es auch immer ums Geld. Hier ist eine positive Entwicklung zu beobachten: Die Gehälter sind 2018 für Berufseinsteiger um durchschnittlich drei Prozent gestiegen und liegen bei circa 47.900 Euro brutto jährlich. Auch 2019 dürfen sich Ingenieure nach Einschätzung von Dr. Olaf Pätz, Geschäftsführer des Einkommensportals gehaltsreporter.de, über Gehaltszuwächse freuen. So führt im Bereich Chemie die weiterhin gute Konjunktur zu überproportionalen Gehaltssteigerungen, während sich die Aussichten für Ingenieure im traditionell überdurchschnittlich zahlenden Fahrzeugbau deutlich verschlechtert haben. Grund sind die jüngsten Gewinneinbrüche wegen des Strukturwandels hin zu Elektro und weniger Nachfrage insbesondere bei Dieselfahrzeugen. Besonders gut sind die (Gehalts-)Aussichten für Ingenieure hingegen in allen Branchen, die von der Automatisierung, Sensorik und dem Internet of Things besonders profitieren.
Trendthema Digitalisierung
Klares Trendthema für 2019 bleibt weiterhin die Digitalisierung. Dr. Franziska Schmid ist Referentin für Bildungspolitik beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Sie sieht in der Industrie 4.0 vor allem viele Möglichkeiten für die gut 190.000 Ingenieure in diesem Bereich. »Die Digitalisierung der Produktion ist eine große Chance: Sie führt zu einer höheren Nachfrage nach komplexen, vernetzten und qualitativ hochwertigen Maschinen und Anlagen – ein Segment, in dem die deutsche Industrie führend ist. Zudem macht sie die Produktion in Deutschland produktiver und kostengünstiger, was zu einer erhöhten internationalen Wettbewerbsfähigkeit führt«, ist Schmid vom VDMA überzeugt.
Automatisierung und Digitalisierung sind keine brandneuen Erscheinungen: »Der Prozess ist bereits seit Jahren im Gange und wird sich weiter fortsetzen«, weiß Ralf Beckmann. Dadurch kommt kaum ein Ingenieur mehr an spezifischem Informatikwissen und kontinuierlicher Weiterbildung vorbei. Diesen Aspekt betont auch Dr. Jonas Wernz, Geschäftsführer des Fachbeirats Ingenieurausbildung beim Verband Deutscher Ingenieure (VDI). Für ihn ist vor allem die Schnittstelle von Ingenieurwesen und Informatik von Bedeutung: »Die digitale Transformation ist die Verbindung von zwei bekannten Dingen: Klassischen Ingenieursprodukten mit Produkten der digitalen Welt.« Dabei stoßen zwei Kulturen aufeinander: Die Detailverliebtheit der deutschen Ingenieure und die Ausprobiermentalität der Programmierer. Das sei nicht immer einfach, aber eine spannende Herausforderung.
Die Verständigungsschwierigkeiten, die durch die unterschiedliche Fachsprache und Denkweise entstehen, sollten Ingenieure wie Informatiker überwinden können. Dafür rät Dr. Wernz als wichtigstes Soft Skill, sich klar auszudrücken und ein Gespür dafür zu bekommen, ob die Kollegen aus den anderen Fachbereichen das eigene Anliegen verstehen. Darüber hinaus sollten Ingenieure auch den Mut haben, nachzufragen, wenn ihnen etwas unklar ist. Grundkenntnisse über die Möglichkeiten und Grenzen von Programmen sowie über die wichtigsten Begriffe der Informatik sind Pflicht. Mit der Verfügbarkeit von Wissen im Internet verliert Spezialwissen außerdem zunehmend an Bedeutung. Vielmehr kommt es auf die Kompetenz an, das erlernte Grundlagenwissen auf unbekannte Sachverhalte anzuwenden und neu zu verknüpfen.
Pluspunkte für Ingenieure
Um aus der Masse der Ingenieurabsolventen hervorzustechen, hilft laut Dr. Wernz vor allem Praxiserfahrung bei der Mitarbeit an Projekten, in denen »die Digitalisierung im eigenen Fachkontext vorkommt.« Als zentral nennt Dr. Wernz außerdem die Fähigkeit zur Folgenabschätzung. Schließlich sei ein Ingenieur für seine Erfindungen verantwortlich, auch wenn der Vorgesetzte den Auftrag gibt. Hier braucht es den Blick über den Tellerrand, um einen gesellschaftlichen Kontext herzustellen. Gerade bei der Datensicherheit sollten sich Ingenieure fragen, welche Daten sie zu welchen Zwecken erheben. Generell gilt: Wer als angehender Ingenieur bereit ist, interdisziplinär zu arbeiten und vor der fremden Fachsprache und Denkweise der Informatik nicht zurückschreckt, ist für den Arbeitsmarkt in Zeiten der Digitalisierung gut aufgestellt.
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