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Arbeitsmarktreport 2018 für Ingenieure

Infos zu Zukunftstrends, 
Stellenlage und Anforderungen an 
Ingenieurabsolventen – alles für den Berufseinstieg

Wer als Ingenieurstudent bei den Worten Arbeitsmarkt und Berufseinstieg Panik bekommt, darf gerne erstmal tief durchatmen. Denn Ingenieure haben grundsätzlich beste Chancen auf einen guten Job. Darauf lässt zum einen die sehr niedrige allgemeine Arbeitlosenquote für Akademiker schließen: Diese war mit 2,3 Prozent so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht mehr, wie Prof. Dr. Joachim Möller, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, betont. Zum anderen belegen das die Ergebnisse einer Untersuchung der Bundesagentur für Arbeit aus dem Jahr 2016. »Die aktuelle Arbeitslosenquote liegt für Ingenieurabsolventen bei 2,7 Prozent«, erläutert Ralf Beckmann von der Bundesagentur für Arbeit – und das, obwohl die Absolventenzahlen weiter steigen. Im Ingenieurmonitor, einem Bericht des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln und des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI), ist im dritten Quartal 2017 sogar von einem Rekordtief der Ingenieur-Arbeitslosigkeit seit Beginn der Aufzeichnungen in der ›Klassifikation der Berufe 2010‹ die Rede. Verglichen mit 2016, ist die Arbeitslosenzahl demnach um 6,9 Prozent gesunken.

Berufskategorien im Fokus

Bei den Ingenieuren handelt es sich um eine große Berufsgruppe, die sich wiederum in unterschiedliche Fachbereiche aufgliedert. Die Anzahl der Arbeitslosen sank dem Ingenieurmonitor zufolge in allen Berufskategorien außer in der Metallverarbeitung – hier bewegt sich die Zahl der Arbeitssuchenden auf einem anhaltend geringen Level. Im Bereich Rohstofferzeugung und -gewinnung hat die Zahl der Arbeitslosen im Vergleich zum Vorjahresquartal am meisten abgenommen, nämlich um 13,2 Prozent. Auch im Sektor Energie- und Elektrotechnik sind die Arbeitslosenzahlen spürbar zurückgegangen. Eine geringere Nachfrage an Arbeitskräften gibt es dagegen in der Technischen Forschung und Produktionssteuerung. In diesem Bereich war die Arbeitslosigkeit mit 7.635 Personen am höchsten. Auch im Baubereich waren sehr viele Ingenieure auf Jobsuche: 6.242. Zum Vergleich: In der Metallverarbeitung gab es nur 269 arbeitslose Ingenieure.

Für die deutsche Wirtschaft bedeuten die steigenden Absolventenzahlen eine positive Entwicklung. Denn die Studienabgänger, die inzwischen wieder vermehrt auf den Arbeitsmarkt strömen, wirken dem Fachkräftemangel bei Ingenieuren entgegen. Unternehmen fällt es damit wieder leichter, offene Stellen zu besetzen. Vor allem in der Elektrotechnik und im Maschinenbau hat sich die Knappheit an Fachkräften aufgelöst. »Dies könnte bald auch bei anderen Engpässen der Fall sein, da die Absolventenzahlen weiter zunehmen werden«, sagt Ralf Beckmann von der Bundesagentur für Arbeit. Im aktuellen Wintersemester sind in Deutschland Angaben des Statistischen Bundesamts zufolge 763.354 Personen in einem ingenieurwissenschaftlichen Studiengang eingeschrieben. Zum Vergleich: Im Wintersemester 2014/15 waren es nur 545.408 – ein Anstieg um fast 40 Prozent.

Engpässe im Blick

Obwohl die steigenden Absolventenzahlen bereits positiv zu bewerten sind, weist der Ingenieurmonitor darauf hin, dass der Fachkräfte­nachwuchs weiterhin gefördert und auch ausländische Arbeitskräfte für den deutschen Ingenieurarbeitsmarkt akquiriert werden sollten. Ein wichtiger Grund hierfür liegt darin, dass bald zahlreiche Erwerbstätige aus den starken Jahrgängen in Rente gehen werden. Derzeit gibt es den größten Engpass mit 492 zu besetzenden Stellen auf je 100 Arbeitslose im Bereich Bau, Vermessung, Gebäudetechnik und Architektur. Der Wert hat sich im Vergleich zum Vorjahr um 33,2 Prozent erhöht. Auf fünf vakante Stellen kommt somit ein Arbeitsloser. Ähnlich hoch fallen die Enpässe in der Maschinen- und Fahrzeugtechnik sowie in der Energie- und Elektrotechnik aus. Dort gibt es 385 beziehungsweise 430 offene Stellen je 100 Arbeitssuchenden.

Eine hohe Nachfrage in diesen Feldern unterstreicht auch Ralf Beckmann von der Bundesagentur für Arbeit mit seiner Aussage: »Ein sehr deutliches Beschäftigungswachstum gibt es derzeit im Bauingenieurwesen. Die niedrigen Zinsen und der Investitions- und Sanierungsbedarf im Wohnungsbau und in der öffentlichen Infrastruktur dürften auch zu einem weiterhin hohen Fachkräftebedarf beitragen.« Weitere Wachstumsfelder sieht Beckmann in der Automatisierungs- und Elektrotechnik sowie im Forschungs- und Entwicklungsbereich, insbesondere bei den Themen Elektrofahrzeuge und Autonomes Fahren.

Es mag irritierend wirken, dass es trotz der Engpässe Arbeitslose gibt. Die Antwort lautet Mismatch: Unterschiedliche Vorstellungen von Arbeitgebern und -nehmern oder eine unüberwindbare räumliche Distanz zwischen Wohn- und Arbeitsplatz bewirken, dass Stellen nicht besetzt werden können. Daneben handelt es sich bei Arbeitslosenquoten von weniger als drei Prozent oft um eine reine Sucharbeitslosigkeit. Diese entsteht dadurch, dass Stellenbesetzungsprozesse Zeit brauchen, etwa für die Bewerbersichtung, Vorstellungsgespräche und Aufnahmetests.

Gehälter-Check

Geht es um die Stellenbesetzung, so geht es auch immer ums Geld. Bei dem Verdienst der Ingenieure ist ebensfalls eine positive Entwicklung zu beobachten: Die Gehälter sind im Jahr 2017 für Berufseinsteiger um durchschnittlich 2,6 Prozent gestiegen und liegen bei circa 46.500 Euro Jahresbruttogehalt. Auch 2018 dürfen sich Ingenieure nach Einschätzung von Dr. Olaf Pätz, Geschäftsführer des Einkommens- portals gehaltsreporter.de, über Gehaltszuwächse freuen. Allerdings hängt die Höhe des Zuwachses stark von der Branche und Funktion ab. So dürfte im Bereich Chemie die gute Konjunktur zu überproportionalen Gehaltssteigerungen führen, während Ingenieure in der Energieversorgung aufgrund der Kosten für die Umstellung auf neue Energiequellen nicht allzu hohe Erwartungen haben sollten.

Ein Blick auf die Brutto-Jahresgehälter im Jahr 2016 gibt einen Anhaltspunkt dafür, mit welchen Verdiensten Ingenieure in unterschiedlichen Branchen rechnen können – auch in Zukunft. Die Einkommensstudie des Karriereportals ingenieurkarriere.de zeigt, dass Ingenieure in der Chemie- und Pharmaindustrie 2016 mit den höchsten Gehältern eingestiegen sind. Sie verdienten durchschnittlich 51.163 Euro brutto im Jahr. Auf Platz zwei der Top-Einstiegsgehälter schafften es die Berufseinsteiger im Bereich Fahrzeugbau mit 50.275 Euro brutto im Jahr. Studienabgänger, die ihre Karriere im Baugewerbe oder in Ingenieur- und Planungsbüros starteten, schnitten in finanzieller Hinsicht etwas schlechter ab: Sie verdienten im ersten Berufsjahr 41.500 beziehungsweise 40.200 Euro.

Die genannten Durchschnittsgehälter sollen Orientierung bieten, gerade wenn es um das Thema Gehaltsverhandlungen geht. Dennoch sollten Bewerber neben der gewünschten Einstiegsbranche auch die Größe des Unternehmens berücksichtigen und die eigenen Soft und Hard Skills nochmals kritisch hinterfragen. Daneben gilt es, die Differenzen zwischen Bachelor- und Masterabschluss zu beachten, die sich mit einem Unterschied von bis zu 4.000 Euro auch im Jahresgehalt niederschlagen.

Trendthema Digitalisierung

Klares Trendthema für 2018 bleibt weiterhin die Digitalisierung. Thilo Weber ist Referent für Bildungspolitik beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) und kümmert sich um die Themen Wissenschaftspolitik und Ingenieurstudium. Weber sieht in der Industrie 4.0 vor allem eine große Chance für den Maschinen- und Anlagenbau und damit auch für die gut 190.000 Ingenieure in diesem Bereich. »Eine höhere Produktivität, stärkere Individualisierung der Produktion bis hin zu Losgröße eins und neue Geschäftsmodelle können den Technologievorsprung der deutschen Industrie sowie Arbeitsplätze in Deutschland stärken«, ist Thilo Weber vom VDMA überzeugt.

Automatisierung und Digitalisierung sind keine brandneuen Erscheinungen. »Der Prozess ist bereits seit Jahren im Gange und wird sich 2018 fortsetzen«, sagt Ralf Beckmann von der Bundesagentur für Arbeit. Dieser Trend trage prinzipiell zu einem hohen Bedarf an Ingenieurfachkräften bei. Der springende Punkt sei jedoch, dass kaum ein Ingenieur mehr an spezifischem Informatikwissen vorbeikomme.

Diesen Aspekt betont auch Dr. Jonas Gallenkämper, Geschäftsführer des Fachbeirats Ingenieurausbildung beim Verband Deutscher Ingenieure (VDI). Für ihn ist vor allem die Schnittstelle von Ingenieurwesen und Informatik von Bedeutung. Er beschreibt: »Die digitale Transformation ist die Verbindung von zwei bekannten Dingen: Nämlich klassischen Ingenieursprodukten mit Produkten der digitalen Welt.« Dabei stießen zwei Kulturen aufeinander: Die Detailverliebtheit der deutschen Ingenieure und die Ausprobiermentalität der Softwareentwickler und Programmierer. Das sei nicht immer einfach, aber eine spannende Herausforderung.

Die Verständigungsschwierigkeiten, die durch die unterschiedliche Fachsprache und Denkweise entstehen, sollten Ingenieure wie Informatiker überwinden können. Dafür rät Dr. Gallenkämper als wichtigstes Soft Skill für angehende Ingenieure, sich klar auszudrücken und ein Gespür dafür zu bekommen, ob die Kollegen aus den anderen Fachbereichen das eigene Anliegen verstehen. Darüber hinaus sollten Ingenieure auch den Mut haben, nachzufragen, wenn ihnen etwas unklar ist. Daneben sollten sie Grundkenntnisse über die Möglichkeiten und Grenzen von Programmen sowie über die wichtigsten Begriffe der Informatik mitbringen. Mit der Verfügbarkeit von Wissen im Internet verliert Spezialwissen dem Experten zufolge zunehmend an Bedeutung. Vielmehr komme es jetzt auf die Kompetenz an, das erlernte Grundlagenwissen auf unbekannte Sachverhalte anzuwenden und neu zu verknüpfen.

Pluspunkte für Ings

Um aus der Masse der Ingenieurabsolventen hervorzustechen, hilft laut Dr. Gallenkämper vor allem Praxiserfahrung bei der Mitarbeit an Projekten, in denen »die Digitalisierung im eigenen Fachkontext vorkommt.« Zu den wichtigsten Soft Skills gehören neben der interdisziplinären Kommunikation nach wie vor die Fähigkeit, im Team zusammenzuarbeiten, sich auf verschiedenen Hierarchiestufen einzufinden und Kritik anzunehmen.

Als zentral nennt Dr. Gallenkämper außerdem die Fähigkeit zur Folgenabschätzung. Schließlich sei ein Ingenieur für seine Erfindungen verantwortlich, auch wenn der Vorgesetzte den Auftrag gibt. Hier braucht es den Blick über den Tellerrand, um einen gesellschaftlichen Kontext herzustellen. Gerade bei der Datensicherheit sollten sich Ingenieure fragen, welche Daten sie zu welchen Zwecken erheben sollten.

Generell gilt: Wer als angehender Ingenieur bereit ist, interdisziplinär zu arbeiten und vor der fremden Fachsprache und Denkweise der Informatik nicht zurückschreckt, ist für den Arbeitsmarkt in Zeiten der Digitalisierung gut aufgestellt.


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