Mostafa, was genau ist das Produkt von Holobuilder?
Das ist eine Art ›Google Street View für Baustellen‹. Die Leute können den Baufortschritt sehen und über Holobuilder miteinander kommunizieren.
Hast du ein Anwendungsbeispiel parat?
Klar, etwa für ein Projekt im Store Bereich. Victoria’s Secret hat beispielsweise zwei neue Stores in China gebaut und Holobuilder genutzt, um von den USA aus den Baufortschritt zu beobachten. Das amerikanische Koordinations-Team konnte sehen, wie der Laden umgebaut, die Ware in den Laden gebracht und das Marketing am Point of Sale platziert wurde. Das konnten sie dann kommentieren und so die Organisation steuern. Auch beim Bau von Flughäfen, Datenzentren oder Krankenhäusern – also sehr komplexe Bauprojekte, bei denen viele Leute involviert sind – fällt ein hoher Kommunikations- und Dokumentationsaufwand an. Beispielsweise muss später einsehbar sein, wo Rohre verlegt wurden. Denn Baupläne stimmen leider nicht immer mit der gebauten Realität überein. Darüber hinaus bieten wir noch viele weitere technische Feinheiten und bauspezifische Features an.
Welche Vorteile bringt Holobuilder auf die Baustelle?
Wer mit Holobuilder arbeitet, spart enorm Kosten und Zeit. Baut etwa ein deutscher Chemiekonzern eine Raffinerie in Saudi-Arabien, müssen die zuständigen Ingenieure nicht unbedingt vor Ort sein, denn die nötigen Informationen können über die Plattform sofort ausgetauscht werden. Generell vereinfacht es den aufwändigen Dokumentationsprozess: hier kann 90 Prozent der Zeit eingespart werden.
Die Baubranche und Holobuilder scheinen gut zusammen zu passen. Wann kam euch eigentlich die Idee zu eurem Augmented Reality-Start-up?
Ich war damals noch wissenschaftlicher Mitarbeiter an der RWTH Aachen, Simon schrieb seine Bachelorarbeit bei mir. Daraus entwickelten wir dann ein eigenes Open-Source-Projekt im Bereich Augmented Reality. Irgendwann haben wir uns dann entschieden, uns damit selbstständig zu machen. Schließlich kam noch Kristina ins Team und wir bekamen zu dritt ein Exist-Stipendium. Für ein Jahr arbeiteten wir in den Räumen der Hochschule und konnten uns gegen Ende des Jahres unsere eigenen Büros in Aachen anmieten, da wir schon Umsätze generieren konnten.
Aktuell hat Holobuilder neben dem Aachener Büro noch eines in San Francisco. Wie kam es zu dem Schritt in die USA?
Wir arbeiten in den Bereichen Augmented und Virtual Reality. Viele Hersteller in diesem Bereich sitzen im Silicon Valley. Bevor wir tatsächlich unser amerikanisches Büro
eröffneten, sind wir jedes Jahr zwei bis drei Mal hingeflogen, haben uns mit Leuten getroffen und Technologien angeguckt. Dort war quasi die Vorreiterstätte.
Warst du neben den kürzeren Schnupperaufenthalten auch mal länger dort?
Ja, ich bin damals mit dem dreimonatigen Förderprogramm ›German Accelerator‹ rüber gegangen, um zu verstehen, wie es in den USA funktioniert. Und dann hat unser Produkt dort einfach sehr gut eingeschlagen. Zudem kamen US-Kapitalgeber auf uns zu und haben investiert.
Das klingt verlockend einfach. Was war euer Erfolgsrezept?
Das ›German Accelerator‹-Programm hat uns sehr geholfen: Durch die Mentoren vor Ort bietet es einem eine Art Brücke in die USA. So konnten wir in Ruhe das dortige Geschäftsgebahren kennenlernen. Natürlich waren wir auch auf sehr vielen Meet-ups, auf denen sich viele US-amerikanische Gründer und Start-ups austauschen. Unser Glück war, dass viele unserer zukünftigen Kunden auf uns zugekommen sind. Amerikaner sind da sehr offen: Wenn sie in einer Software eine Opportunität sehen, die sie weiterbringt, dann sind sie sehr schnell dabei, sich zu treffen und alles in eine Richtung zu lenken, die ihnen hilft.
Wann fiel dann letztlich die Entscheidung, die Zweigstelle Silicon Valley zu wagen?
Als das erste Investment kam, war für uns klar, dass wir in den USA ein Büro aufmachen würden, um dort zu bleiben. Nach einer Testphase haben wir uns den ersten US-Mitarbeiter an Bord geholt.
Wie ist Holobuilder momentan aufgestellt?
In den USA sind wir zu zehnt und wachsen weiter. Im deutschen Büro sind wir 22. Insgesamt also ein Team von 32 Leuten, mal mehr mal weniger. Es sind oft auch Diplomanden dabei, das fluktuiert.
Wie kommt’s, dass in Aachen so viel mehr Mitarbeiter sitzen?
Unsere Hauptmärkte sind USA und Asien. Was uns aber ausmacht, ist ›Engineering Made in Germany‹. Die gesamte Entwicklung und Forschung passiert in Aachen, hier haben wir das Team, das das Produkt entwickelt und aufbaut. Außerdem bestehen immer noch enge Partnerschaften mit den Informatik- und den Bauingenieur-Lehrstühlen der RWTH Aachen. In den USA konzentrieren wir uns eher auf Marketing und Verkauf.
Welche Vorteile bringt ›Made in Germany‹ aus deiner Sicht mit sich?
Es ist eher eine Sache der Mentalität: Wir sind gerne mal skeptisch und hinterfragen viel. Außerdem priorisieren wir beispielsweise den Datenschutz sehr hoch – Sicherheit liegt uns mehr am Herzen als dem typischen Silicon Valley Start-up. Das ist ein gutes Verkaufsargument. Denn wir können Cloud Lösungen anbieten, die den Standards großer Unternehmen genügen.
Good old German Sicherheit. Gibt es im Gegensatz auch etwas, dass ihr durch euer Arbeiten im Silicon Valley gelernt habt?
Dort gilt: Schnell dazu lernen ist alles. Und, egal, was du machst oder wie klug du bist, gibt es dort immer auch andere, die auch daran arbeiten oder genauso smart sind. Durch dieses Wissen wurden wir wesentlich schneller und haben gelernt, uns besser anzupassen. Es ist einfach ein anderes Spielfeld als in Deutschland. In den USA musst du zudem ein sehr gutes Produkt bauen – und nicht nur die Technologie. Der Kunde muss den Mehrwert so einfach fassen können, dass er intuitiv begreift, dass er dein Produkt haben will.
War das einfach für euch?
Im Gegenteil. Es war zu Beginn eine der größten Herausforderungen, zu verstehen, wie wir unsere Technologie zu Geld machen. Immer noch ein großer Knackpunkt für uns, denn Technologie verkauft sich nicht einfach so. Davon hatten wir am Anfang als Gründer eine naive Vorstellung.
Hast du einen Tipp für Gründer?
Das Wichtigste ist, von der Technologie zum Produkt zu kommen. Sei coachable: Nimm Ratschläge an, sei offen für Neues. Und bring dir bei, schnell zu lernen.
- Mostafa Akbari gründete gemeinsam mit zwei weiteren Absolventen der RWTH Aachen das mittlerweile auch in Kalifornien ansässige Unternehmen Holobuilder. Von Beginn an war er von Augmented und Virtual Reality fasziniert. Kulinarisch hielt sich Akbari als Student an eine deutsche Süßspeise: In der Mensa aß er am liebsten Kaiserschmarrn.