Nach 2,5 Jahren Berufserfahrung in zwei Sachbuchverlagen entschied ich mich für einen Abstecher zurück an die Uni, um mein Bachelorstudium der Literatur-, Kunst- und Medienwissenschaften durch ein praxisorientiertes Masterstudium zu ergänzen. In wehmütiger Erinnerung an meinen Erasmus-Aufenthalt in Sevilla fiel die Wahl erneut auf Spanien.
Nachdem ich mich mehrere Wochen mit den Studienangeboten im Bereich Kulturmanagement (Gestión Cultural) verschiedener Universitäten beschäftigt hatte, entschied ich mich für die Hauptstadt Madrid, eine der Kulturhauptstädte Europas. Welche andere Stadt würde sich besser dafür eignen, sich mit den aktuellen Herausforderungen des Kultur-Ermöglichens zu beschäftigen, insbesondere in einem Land, dessen öffentliche Kassen nahezu kein Geld für Kultur mehr übrig haben?
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Dass das Masterstudium allerdings nicht wirklich viel mit Erasmus zu tun hatte, wurde mir bereits am Einführungstag bewusst.
Anstatt der bei Erasmus relativ hohen Anzahl an Studenten aus unterschiedlichen europäischen Ländern befanden sich unter meinen 41 Kommilitonen größtenteils Spanier und einige Lateinamerikaner, was der Verbesserung meiner Spanischkenntnisse sehr entgegen kam. Nur drei von uns hatten eine andere Muttersprache als Spanisch. Als internationale Studenten wurden wir von Anfang an sehr herzlich aufgenommen und stets war eine hilfsbereite Hand zur Stelle.
Die 1989 gegründete Universidad Carlos III ist eine junge, moderne, internationale Universität, die im Rahmen des Masterprogramms sehr eng mit den lokalen Kulturinstitutionen kooperiert. Dadurch hatten wir von Anfang an die Gelegenheit, an verschiedenen Kulturmanagement-Kongressen und Veranstaltungen teilzunehmen und auf diesem Weg die Vielfalt des Madrider Kulturlebens kennenzulernen. Der starke Bezug zwischen Theorie und Praxis war einer der Gründe, warum ich mich für diesen Master entschieden hatte: Praxis-Wissen aus erster Hand von Dozenten, die nicht nur die Theorie, sondern auch die Praxis kennen und meist selbst im Kultursektor tätig sind. Die Vorlesungen und Seminare wurden von der Universität vorgegeben. Es gab keinerlei Wahlmöglichkeiten. Die unterschiedlichen Themenbereiche, von rechtlichen Grundlagen über wirtschaftliches Fachwissen bis hin zu Themen wie Ausstellungsorganisation und Neue Technologien, wurden nacheinander in Modulen behandelt. Das Verhältnis zwischen der Studiengangsleitung und den Studenten war freundschaftlich und informell. So ist es generell üblich, seine Dozenten zu duzen und sich teilweise mit Küsschen zu begrüßen.
Die Unterschiede zwischen Spanien und Deutschland wurden mir auch an anderer Stelle bewusst.
So ist die Unpünktlichkeit der Spanier nicht nur ein Vorurteil, wie sich schnell gezeigt hat. Vorlesungsbeginn war zwar offiziell um 16 Uhr, aber es gab wohl keine Vorlesung, die wirklich um 16 Uhr begonnen hätte. Bei den Treffen mit meiner Arbeitsgruppe zog sich das Zusammenkommen circa 45 Minuten hin. So kamen wir mit der Zeit darüber ein, dass wir für jeden eine andere Uhrzeit bestimmten. Wollten wir uns um 16.30 Uhr treffen, so galt für mich 16.30 Uhr, für die Spanier 16.00 Uhr und für unsere mexikanische Mitstudentin 15.45 Uhr.
Überhaupt war Gruppenarbeit ein zentrales Element des Masters. In Gruppengrößen von sieben Personen beschäftigten wir uns mit unterschiedlichen Themen und präsentierten unsere Ergebnisse. Zur Vorbereitung trafen wir uns aber nicht etwa in einem ruhigen Arbeitsraum in der Bibliothek, sondern vorzugsweise in einer vollen Tapas-Bar, in der das Bier möglichst günstig war und alle wild durcheinander redeten. Auch in Bezug auf die spanische Esskultur musste ich mich als Vegetarierin auf einiges gefasst machen. Zunächst dachte ich mir nichts dabei, mich auch in Spanien weiterhin vegetarisch ernähren zu wollen. Doch die zahlreichen Schweineschenkel in sämtlichen Bars deuteten darauf hin, dass die fleischlose Ernährung hier noch nicht viele Anhänger gefunden hat. Auch bei einem offiziell als vegetarisch bezeichneten Menü ist es ratsam, nochmal genau nachzufragen, denn es kommt nicht selten vor, dass es mit nett angerichtetem Schinken garniert ist.
Madrid, das ist eine aufregende, laute, lebendige Stadt, die nie zu schlafen scheint. Das sind bunte, belebte Straßenmärkte, die eingetaucht in Sonnenschein eine ganz besondere Stimmung verbreiten. Das sind Streifzüge durch Museen, die Gemälde zeigen, die einem vor Schönheit den Atem rauben. Das sind Läden aus aller Herren Länder und Menschen, die es aus den unterschiedlichsten Gründen hierher verschlagen hat. In den barrios (Stadtvierteln) prägten allerdings geschlossene Läden, Bars und leere Wohnungen das Straßenbild und ließen Rückschlüsse auf zahlreiche Insolvenzen und Weggezogene ziehen. Die Spuren der Wirtschaftskrise blieben nicht lange verborgen und irgendwie lag doch immer ein Hauch von Perspektivlosigkeit und Tristesse in der Luft, dem auch ich mich nicht entziehen konnte.
Dennoch bleiben mir persönlich von meiner Zeit in Madrid die Eindrücke einer Stadt, die mir völlig neue Sichtweisen eröffnete und ein Studium, das sehr bereichernd war.
Das Zusammentreffen mit meinen Kommilitonen aus Spanien, Italien, Russland, Mexiko, Argentinien, Peru, Kolumbien, Nicaragua und Costa Rica ließ mich Europa mit neuen Augen sehen und internationale Freundschaften schließen.
Zum Abschluss möchte ich ein paar generelle Informationen zum Masterstudium in Spanien geben.
Da der Kultursektor vor allem aufgrund knapper öffentlicher Finanzierungsquellen immer mehr auf gut ausgebildetes Personal angewiesen ist, hat dazu geführt, dass in den letzten Jahren in Spanien immer mehr Masterstudiengänge im Bereich Kulturmanagement entwickelt wurden. Zu den etablierten und sehr positiv bewerteten Masterstudiengängen gehören der Master an der Universidad Carlos III de Madrid, der gemeinsame Master der Universitat de València und der Universitat Politècnica de València und das Angebot der Universitat de Barcelona. Besonderes Augenmerk sollte man auf die Unterrichtssprache legen. Der Master an der Universitat de Barcelona wird beispielsweise auf Katalan und Englisch angeboten, nicht aber auf Kastilisch. Ein Masterstudium in Spanien dauert ein bis zwei Jahre. Spaniens Universitäten gehören zu den teuersten in der Europäischen Union. Die Kosten für einen Master in Kulturmanagement liegen zwischen 3.000 und 8.000 Euro und sind demnach um einiges höher als in Deutschland. Die Studiengänge fangen im Wintersemester an (September/Oktober). Die Bewerbungsverfahren beginnen ab Februar/März, jedoch sind häufig Bewerbungen noch bis September möglich. Neben beglaubigten Übersetzungen des Bachelorzeugnisses wird meist ein Motivationsschreiben beziehungsweise ein Eignungstest verlangt.
Text & Fotos: Anita Dahlinger