Darf ich bei meiner Bewerbung kreativ werden? Foto: @alicegrace/unsplash

Wie kreativ darf eine Bewerbung sein?

Kreativ bewerben oder doch lieber klassisch? Bewerbungsmappen zu erstellen ist nicht der größte Spaß, dafür aber kompliziert. Eine Kernfrage lautet: Wie kreativ darf ich meine Bewerbung gestalten?

Klassische Bewerbungsunterlagen enthalten Anschreiben, Lebenslauf und Zeugnisse. Häufig sind diese eher sachlich und präzise in einem vorgegebenen Standardformat beziehungsweise -layout. Doch haben Bewerber die Möglichkeit, durch kreative oder besonders pfiffige Unterlagen mehr Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und ihre Chancen für die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch zu erhöhen? Auf diese Frage gibt es, wie so oft, kein eindeutiges Ja oder Nein. Beschäftigt man sich jedoch länger mit diesem Thema, kommt man zum Schluss, dass die Bewerbung nicht all zu kreativ sein und wesentliche Inhalte und Kompetenzen nicht in den Hintergrund geraten sollten.
 

Standard-Bewerbung oder kreative Guerilla-Bewerbung?

Das sogenannte ›Guerilla-Marketing‹ ist überraschend, ansteckend und entspricht mit Sicherheit nicht der Normalität. Junge Kreative starten den fast schon riskanten Versuch, mit geringem Einsatz durch außergewöhnliche Aktionen eine möglichst große Wirkung zu erzielen. Das Motto lautet: Unbedingt auffallen, statt in der breiten Masse zu verschwinden. Das gleiche Ziel verfolgt die ›Guerilla-Bewerbung‹. Diese weckt auf jeden Fall die Aufmerksamkeit der Personaler. Ob sie jedoch positiven oder negativen Anklang erhält, kann oftmals nicht vorhergesehen werden, und deshalb ist hier größte Vorsicht geboten.

Viele Arbeitgeber schätzen immer noch die standardisierten Prozesse im Bereich der Bewerberauswahl. Durch eine Bewerbung, die einem guten Standard entspricht, wird gezeigt, dass vorgegebene Normen eingehalten werden und diese im Vordergrund stehen. Bei der Anwendung dieser Form müssen sich die Bewerber durch den schriftlichen Inhalt der Bewerbung von der Masse abheben und glänzen, da nur die kurze Zeitspanne (auf den ersten ›Scan-Blick‹ oft nur circa zehn Sekunden), in der die Bewerbungsunterlagen analysiert werden, eine Chance darstellt, von sich zu überzeugen.

Besonders kreative Bewerbungen, insbesondere Initiativbewerbungen, werden im Gegenzug zur klassischen Variante oft an bestimmte Ansprechpartner im Unternehmen weitergeleitet. Sie können ganz besonderes Interesse bei Arbeitgebern wecken. Bewerber können sich bei der Gestaltung frei austoben – Kreativität und Phantasie sind die beiden Stichwörter. Die Bandbreite reicht von der Gestaltung eines Onlinelebenslaufs über einen eigens erstellten Blog bis hin zur Bewerbungswebsite oder zur Googlesuche. Es gibt kein Format und keine Vorgaben, an denen sich die Bewerber orientieren müssten. Sie entwickeln ihren eigenen Bewerbungsstil, der auf ihre Persönlichkeit zugeschnitten ist.

Trotz aller Vielfältigkeit sollte besonders darauf geachtet werden, dass eine Bewerbung immer noch professionell wirkt, denn Kreativität und Kitsch liegen sehr nahe beieinander. Das Design sowie das Layout sollten letztendlich mit der Qualität der Inhalte übereinstimmen. Sobald die Bewerbung Eleganz verliert, könnte die Gefahr bestehen, dass sie ins Lächerliche abgleitet.
 

Kreative Bewerbung? Kommt aufs Unternehmen an!

Bei den ›Guerilla-Bewerbungen‹ sollte man wichtige Faktoren, die den Schlüssel zur erfolgreichen Erstellung der Unterlagen darlegen, beachten. Unter diese Faktoren fallen das Unternehmen und dessen Werte, die konkrete Jobposition, auf die sich beworben wird und die eigene, auf sich bezogene Idee.

Handelt es sich zum Beispiel um ein konservatives Unternehmen, kommen sehr kreative Bewerbungen sicher nicht so gut an. Hier sollten die Bewerber eher Zurückhaltung bewahren und auf die gewöhnliche Bewerbungsform zurückgreifen. Bei einer Position, bei der Kreativität und Außergewöhnlichkeit zum täglichen Geschäft gehören, wie beispielsweise bei einer Werbeagentur oder einem Verlag, kann eine kreative Bewerbung hingegen eine bessere Chance bieten, positiv aufzufallen: Denn bereits durch die Bewerbung wird veranschaulicht, dass man sich mit Innovation und Individualität auseinandergesetzt hat. Bewerber müssen daher den richtigen Ton treffen und sich selbst hinterfragen, wie viel ›Frechsein‹ der Arbeitgeber verträgt.
 

Mit Kreativität und Können ans gesetzte Ziel

Kreativität ist von Vorteil, solange der Bewerber verstanden hat, was das Unternehmen erwartet und wie ›es tickt‹. Deshalb sollten sich Bewerber intensiv ausgiebig mit der Firma auseinandersetzen, um so herausfinden zu können, ob die Bewerbung eher innovativ oder konservativ aussehen soll. Hilfreiche Informationsquellen können die Stellenausschreibung, die Unternehmenswebsite oder der vorgeschriebene Bewerbungsprozess sein.

Nur wer die Firma sehr gut kennt, weiß, wo gewisse Anhaltspunkte zu finden sind und welche Argumente die Einzigartigkeit in den Vordergrund bringen. Im Hinterkopf sollte man allerdings behalten, dass ein kreativer Gedanke nicht erzwungen werden kann. Eine schlechte Idee ohne jegliches Konzept kann dazu führen, dass die Bewerbung schnell im Papierkorb landet. Um dies zu vermeiden, muss viel Zeit für die Vorbereitung in Anspruch genommen werden.
 

Erfolgreiche Kreativbewerbung: Philippe Dubosts bei Amazon

Viele Personen haben es bereits geschafft, durch eine erfolgsversprechende Taktik den Geschmack des zukünftigen Arbeitgebers zu treffen. Hierbei machten sie keinen Halt davor, wie skurril die Idee für die Bewerbung ausfällt. Der Franzose Philippe Dubost war auf der Suche nach einer Stelle als Online-Produktmanager. Er wollte jedoch etwas Ungewöhnliches machen, um sich damit von der Konkurrenz zu unterscheiden und um aus der Masse herauszustechen. Seine Idee war simpel: Der Programmierer baute geschickt seine Bewerbung anhand einer Produktwebsite im Stile des Onlinehändlers Amazon nach.

Er entschied sich für diese ausgefallene Variation, da jedem in der heutigen Zeit das Design von Amazon bekannt ist. Doch war er damit erfolgreich? Ja, diese Art von Bewerbung zog ihre Kreise um die Welt. Die Seite wies innerhalb von zwei Monaten 1,5 Millionen Seitenaufrufe auf. Insgesamt erhielt Philippe Dubost 130 attraktive Jobangebote. Davon entsprachen 30 Stellen genau seinen Wunschvorstellungen, und am Ende konnte er sich bei einem der Unternehmen durchsetzen und den ausgeschriebenen Job ergattern.
 

Fazit: Kreative Bewerbungen sind dünnes Eis!

Prinzipiell begibt man sich mit einer kreativen Bewerbung auf dünnes Eis. Es besteht die Gefahr, zu stark von der Norm abzuweichen und die Gelegenheit auf eine neue Arbeitsstelle zu verpassen. Ein gewisses Maß an Kreativität kann je nach Branche erfrischend sein und Gefallen finden. Zu starke Übertreibungen sind jedoch branchenunabhängig ein No-Go. Mit sorgsam gestalteten Bewerbungen, die zudem im entsprechendem Umfang Dynamik und Power transportieren sollen, ist man hingegen immer auf der sicheren Seite. Ein Deckblatt mit einem professionellen und sympathischen Foto kann bereits die Eintrittskarte sein.


Der Autor: Walter Feichter

Walter Feichtner ist Diplomkulturwirt und Inhaber von ›Karrierecoach München‹. Er ist Coach und Berater für alle Fragen rund um Bewerbung, Assessment Center, Arbeitszeugnisse, Karriere, Berufseinstieg, berufliche Neuorientierung oder berufliche und persönliche Weiterentwicklung. Walter Feichtner hat sich auf die Unterstützung von Hochschulabsolventen spezialisiert und kennt sowohl deren Anforderungen als auch die der Personalabteilungen und des Arbeitsmarktes. Er ist Gastdozent an mehreren Universitäten und Fachhochschulen und unterstützt auch Unternehmen bei Personalrecruiting und Mitarbeiterauswahl. Weitere Infos erhältst du unter www.karrierecoach-muenchen.de und 089-202081718.


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