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Stadt, Land, Fluss – Diese Aufgaben haben Bauingenieure

Vom Wohnhaus bis zur Solaranlage: Experten erzählen von ihren alltäglichen Aufgaben und Herausforderungen. Außerdem: Diese Skills solltest du in der Branche mitbringen.

Soft Skills wanted

Klar, die Grundlagen deines Studiums werden aus den Fächern Mathematik, Physik, Mechanik und Informatik gebildet. Wer denkt, mit technischem Verständnis allein ist es getan, irrt sich allerdings: Im Dialog mit Bauherren und Kunden kommen mitunter ganz andere, ebenfalls nötige Fähigkeiten zum Einsatz. »Grundsätzlich sollten Einsteiger Eigenschaften wie Kommunikationsfreude, ein gutes organisatorisches Geschick sowie ein gewisses Maß an Empathie mitbringen«, meint auch Alexander Petry, Projektleiter in der Projektsteuerung bei Codema. Sowohl im Büro als auch auf der Baustelle bist du nicht als Einzelkämpfer unterwegs, sondern sprichst dich stets mit deinem Team ab. Auch von Vorteil: »Eine gesunde Portion Selbstbewusstsein, Durchsetzungs- und Durchhaltevermögen – gerade im Kontakt mit externen Baufirmen. Auch ein Faible für Zahlen und komplexe Zusammenhänge ist natürlich ­unerlässlich«, weiß Sascha Wehling, der als Teamleiter der Bauausführung bei Naturstrom für den Bau von Wind- und Solarparks verantwortlich ist.  

 

Ohne Bauingenieure nix los 

Schau dich nur mal um: Ob die Wohnung deiner WG, die ­Brücke auf dem Weg zur Uni, Straßen- und Schienennetze, Tunnel, das verlässliche Wasserversorgungssystem oder der Flughafen ­deiner Stadt – in all diesen komplexen Bauten und Systemen hatten Bauingenieure ihre Finger im Spiel. Sie planen, managen die Finanzierung ihrer Projekte, sanieren, leiten, konstruieren und: bauen. Nachdem der Architekt sein Objekt virtuell erschaffen hat, ­setzen Bauingenieure diese Idee praktisch um und sind ­dabei mit einigen Herausforderungen konfrontiert. Einerseits ­müssen sie sich stets penibel an Sicherheitsbestimmungen halten, ­andererseits sollte dabei die maximale Wirtschaftlichkeit gewährleistet werden. Wenn du als Bauingenieur gut mit diesem Gleichgewicht zurechtkommst, tust du also nicht nur, was dir liegt, sondern prägst auch noch die Infrastruktur. 

 

Schutz vor Hochwasser 

Naturkatastrophen können zwar nicht verhindert werden, doch dank durchdachter Schutzvorkehrungen wird oft Schlimmerem vorgebeugt – etwa im Falle von Hochwasser. Als Bauingenieur könntest du dich durch eine Spezialisierung mit solchen Vorkehrungen beschäftigen. Ähnlich wie Marc Meuleners, der in der Projekt­bearbeitung im Bereich Wasserbau bei EDR arbeitet. Eines seiner aktuellen Projekte ist ein Hochwasserrückhaltebecken, welches die Wassermassen eines extremen Hochwasserereignisses aufstauen und kontrolliert abgeben soll. »Es besteht aus einem 700 Meter langen und fünf Meter hohen Erddamm sowie einem Durchlassbauwerk mit zwei großen Schütztafeln.« Momentan befindet sich dieses Projekt in der Bauphase, die den Bauingenieur nicht nur in seinem analytischen Können fordert, sondern auch in punkto Teamarbeit. Denn innerhalb dieser Phase ist ein enger Kontakt mit der Baufirma geplant. »Zudem bin ich als örtlicher Bauüberwacher für die Kontrolle der planmäßigen Umsetzung der Bauwerke verantwortlich«, fügt Meuleners hinzu. Ein unerlässlicher Aspekt ist dabei die Einhaltung der technischen Vorschriften. 

 

Viel Wind um Energie

Natürliche Energiequellen nutzen und zur Nachhaltigkeit ­beitragen: Das können Bauingenieure im Bereich Wind- und Photovoltaikanlagen. Sascha Wehling ist Teamleiter des ­Bereichs Bauausführung bei Naturstrom und koordiniert den Bau solcher Anlagen. Dabei prägt und erlebt er das gesamte Bauprojekt von Anfang bis Ende: »Im Vorfeld kalkuliere ich die Kosten und erstelle das bautechnische Konzept.« Dabei müssen behördliche Auflagen genauso berücksichtigt werden wie die Anforderungen der Hersteller beziehungsweise der Lieferanten. Darauf folgt der eigentliche Bau: »Währenddessen bin ich für die Organisation der gesamten Baustelle verantwortlich. Dazu gehört auch, die Arbeitsqualität der ausführenden Baufirmen zu überwachen.« Entspricht diese dem Anspruch des Ingenieurs, kann auf einen erfolgreichen Projektabschluss hingearbeitet werden. Wehling betont: »Die Abnahme des fertigen Windparks ist auch nach Jahren immer noch aufregend.«

 

Monumentale Fußstapfen hinterlassen

»Der Beruf des Bauingenieurs ist sehr vielfältig und bietet verschiedenste Möglichkeiten, die in ihrer Vielzahl oftmals im Studium gar nicht in Gänze vermittelt werden können. Selbst der schon weiter eingeschränkte Berufszweig der Projektsteuerung bringt immer wieder neue Aufgaben mit sich, sodass es nie langweilig wird. Ein oft genannter, aber völlig richtiger Vorteil des Berufszweigs ist natürlich auch die Dauerhaftigkeit von Bauwerken, an denen Ingenieure mitwirken und diese über lange Zeit bestaunen können.«
Alexander Petry, Projektleiter in der Projektsteuerung bei Codema 

»Ich bin jedes Mal aufs Neue begeistert, wenn ein Bauwerk ­beziehungsweise eine bauliche Anlage wie ein Windrad Stück für Stück wächst und letztendlich Gestalt annimmt. Und ich weiß: Ich habe meinen Teil dazu beigetragen. Ich erschaffe etwas – und das erfüllt mich sehr.«
Sascha Wehling, Teamleiter Bauausführung bei Naturstrom 

 

Im Team zum Erfolg

Auch wenn du noch so gut konzipieren, ­planen und Bauprojekte organisieren kannst – ohne ein breit aufgestelltes, kompetentes Team um dich wäre die Umsetzung nicht möglich. Hierfür ­benötigst du neben technischem auch kommunikatives Know-how. Auch Marc Meuleners, der bei EDR im Bereich Wasserbau arbeitet, kann diesbezüglich aus Erfahrung sprechen: »Die Kommunikation – ob intern im Büro oder gerade extern mit Auftraggebern oder Bau­firmen – nimmt einen großen Teil meiner ­Arbeit ein. Während meines Studiums war mir dieser Aspekt in seinem Umfang nicht bewusst und hat sich am Anfang als Herausforderung gestaltet.« Da Bauwerke meist Unikate sind und beim Bau diverse Firmen beteiligt sein können, werden Bauingenieure im Alltag auch mit weiteren Problemstellungen konfrontiert: »Der Baugrund kann zur Herausforderung werden, ebenso wie die Abstimmung komplexer Terminpläne. Hier gilt es, stets den Überblick zu behalten und immer wieder aufs Neue Lösungen zu erarbeiten.«

 

Riesenbrücke oder kleine Hütte?

Eine Eigenschaft, die dir als Bauingenieur mit Sicherheit zugute kommt, ist Flexibilität. Denn du stellst nicht nur statische Berechnungen für die Bauwerke auf, sondern du fungierst mitunter auch als Manager von Projekten, als Teamkoordinator auf der Baustelle und in Planungsbüros sowie als kreativer Ideenfinder zur Umsetzung von Bauvorhaben. Dabei folgt kein Projekt dem ›Schema F‹ – jedes Vorhaben unterscheidet sich durch spezielle Einflussfaktoren. Dazu gehört unter anderem der Umfang: Ist es ein Mammutbrückenprojekt oder ein kleineres Bürogebäude? Auch die Umgebung ist entscheidend: Auf welchem Untergrund wird gebaut, welche Materialien und Gerätschaften werden dazu benötigt? Nicht zuletzt ist auch das offizielle Umfeld relevant: Sind private Investoren oder die öffentliche Hand Auftraggeber? All diese Aspekte müssen in den jeweiligen Projekten berücksichtigt und sorgsam abgewägt werden. 

 


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Wohnprojekte und Pflegeheime

Nicht nur Sonder- und Industriebauten könnten zukünftige Projekte für dich sein, sondern auch der Bereich privater oder sozialer Wohnhäuser steht Bauingenieuren als Spezialisierung offen. ­Alexander Petry von Codema beispielsweise ist Projektleiter in der Projektsteuerung. Was er dort tut? »Die Projektsteuerung unterstützt Bauherren in der Erreichung ihrer Projektziele und ist das Bindeglied zwischen allen Projektbeteiligten«, erklärt Petry. Aktuell betreut er den Neubau eines Wohnprojekts nördlich von ­Hamburg sowie den Neubau eines Pflegeheims in Hilden. »Ich agiere dabei als Berater, Organisator und Entscheidungsvorbereiter über die ­gesamte Projektlaufzeit.« Weitere Aufgaben kommen je nach Projekt noch hinzu: »Es können auch Sonderthemen wie das Inbetriebnahmemanagement oder die Nutzer- und Mieterkoordination bedient werden.«