Herr Pretschner, welche Inhalte vermittelt der Masterstudiengang ›Automotive Software Engineering‹ an der TU München? Inhalte aus der Informatik, Mechatronik, Elektro- und Informationstechnik sowie den Wirtschaftswissenschaften. Das sind alles Disziplinen, die man bei der Implementierung softwareintensiver Systeme im Fahrzeug benötigt.
Welche Voraussetzungen sollten Studenten und Absolventen besonders in Bezug auf die Interdisziplinarität mitbringen? Die Leute sollten neugierig und offen sein. Das Problem in Bezug auf die Interdisziplinarität ist, dass es manchmal eine gewisse Arroganz in den unterschiedlichen Disziplinen gibt. Jede Disziplin denkt, dass sie der Nabel der Welt sei. Es ist aber wichtig, offen zu sein und zu verstehen, dass die anderen Gebiete auch unheimlich wichtig sind. Ich habe das Gefühl, dass Respekt gegenüber den anderen Disziplinen einer der wichtigsten Kompetenzen ist.
Welche Herausforderungen entstehen bei der Schnittstellenarbeit? Das fängt schon bei so einfachen Dingen an, dass Ingenieure für den gleichen Zusammenhang andere Wörter verwenden als Informatiker. Man hat einfach unterschiedliche Kulturen und Kenntnisse. Der respektvolle Umgang ist hierbei besonders wichtig. In der Automobilbranche ist es jedoch nicht mehr nur die Schnittstelle zwischen Ingenieuren und Informatikern, die relevant ist. Vielmehr gibt es angesichts der Tatsache, dass das Auto nicht mehr nur ein Stück Hardware ist, sondern Teil eines großen Ökosystems, ganz andere Herausforderungen. Es werden Fragen aus den Bereichen wie Recht, Ökonomie, Soziologie, Politologie und Psychologie auf uns zukommen, die ein monodisziplinär ausgebildeter Mensch nicht alle beantworten kann. Deshalb ist es extrem wichtig, dass man auch auf andere Disziplinen schaut.
Wie schätzen Sie die Berufsaussichten im Bereich Car-IT ein? Ausgezeichnet! Im Moment ist es so, dass jemand, der technisches Know-how besitzt, sich keine Sorgen machen muss. Ingenieure mit IT-Kenntnissen oder Softwarespezialisten mit technischen Kenntnissen.
Welche Fachkräfte sind im Bereich Car-IT verstärkt gefragt? Traditionell ist der Automobilsektor stark von Maschinenbauern geprägt, das ändert sich jedoch. Und dadurch entsteht auch eine andere Kultur in den Unternehmen. Es ist gut, dass es diese beiden Profile nebeneinander gibt.
Wie wichtig werden Informatikkenntnisse in der Zukunft in der Automobilbranche werden? Ohne Informatik wird es in zehn Jahren schwierig sein, in technischen Teilen der Automobilherstellung tätig zu sein. Informatik durchdringt alles und ohne dieses Grundverständnis hat man wenig Chancen.
Was wird uns im Bereich Car-IT in Zukunft erwarten? Ich bin davon überzeugt, dass das autonome Auto kommt. Diesbezüglich gibt es noch sehr viele Fragen, denen man sich stellen muss. Etwa wie viel Intelligenz steckt man ins Auto und wie viel in die Straße? Außerdem wird sich der Trend verstärken, dass das Auto Teil eines Dienstökosystems ist. Man wird das Auto einbetten in ganz unterschiedliche Bereiche und Dienste. Ein Beispiel: Wenn der Postbote den Empfänger eines Pakets nicht in der Wohnung antrifft, kann er über die Cloud den Kofferraum dessen Autos öffnen, um das Paket dort zu deponieren.
Ohne eine interdisziplinäre Herangehensweise ist der Schritt zum Auto der Zukunft nicht möglich – wie stark muss die Vernetzung zwischen den Disziplinen sein? Ein Auto wird auch heute schon interdisziplinär gebaut. Es gibt Leute, die sich um das Blech kümmern, andere sind für die Reifen zuständig, der Dritte sorgt dafür, dass das Auto überhaupt fährt und wieder ein anderer kümmert sich darum, dass die E-Mail vom Auto richtig vorgelesen wird. Auch heute arbeiten schon Maschinenbauer, Elektrotechniker und Informatiker zusammen. Das Auto wird also auch heute schon interdisziplinär gebaut und dies wird sich in Zukunft noch verstärken.