Das Auto der Zukunft ist sinnlich. Es kann sehen, hören und vielleicht bald sogar fühlen, was in der Umgebung vor sich geht – und im Idealfall in Sekundenbruchteilen darauf reagieren. Doch nicht nur das: Das Auto der Zukunft horcht auch in sich hinein. Leistungsfähige Sensoren sind dafür verantwortlich, dass das moderne Auto nicht nur seine Umgebung, sondern auch seine Insassen beobachtet.
»IT im Auto ist ja schon lange über das Stadium ›keep the lights on‹ hinausgewachsen«,
sagt Stefan Weber von der HR-Abteilung von ZF Friedrichshafen.
Wichtigste Aufgabe der Innenraumsensorik
Immer komplexer werden die Aufgaben, die Digitaltechnik im Automobil übernehmen muss, und deshalb differenziert sich auch der Bereich IT bei Mobilitätskonzernen immer weiter aus. Innenraumsensorik ist mittlerweile zu einem eigenen Schwerpunkt geworden, dessen vielleicht wichtigste Aufgabe derzeit darin besteht, die Kontrolle im richtigen Zeitpunkt vom Autopiloten zurück zum Fahrer zu geben.
»Das autonome Fahren ist auf einer Skala von Eins bis Fünf gerade erst auf einer Drei angelangt«,
beschreibt Michael Voit vom Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung das Problem.
Kameras im Auto sollen helfen, den Fahrer zu verstehen
»Ein Bordcomputer kann in Standardsituationen schon ganz gut selbst steuern, aber wenn es brenzlig wird, muss der Mensch Hand anlegen.«
Was aber, wenn der unterdessen entspannt einen Film bei Netflix schaut? Forscher wie Voit entwerfen Sensoren, die das Auto in die Lage versetzen, den Zustand seiner Passagiere zu interpretieren. Was tut der Fahrer gerade? Wie ist der Körper ausgerichtet? Wie ist die Blickrichtung? Es sind vor allem Kameras, die ein Auto dazu befähigen sollen, seinen Besitzer zu verstehen. Noch steckt die Forschung in den Kinderschuhen. Voit hat aber bereits Visionen, die über das bloße Zurückspielen der Fahrkontrolle hinausgehen. »Wenn ein Auto erkennen kann, dass der Fahrer Blickkontakt mit einem Fußgänger hatte und diesen die Straße überqueren lassen möchte, dann kann das Auto selbstständig reagieren und abbremsen«, beschreibt der Forscher ein mögliches Einsatzszenario.
Unterhaltsame Zeit hinterm Steuer
Oder: »Wenn die Kamera merkt, dass ich eine Zerrung im Hals habe und deshalb den Schulterblick nicht mehr richtig hinbekomme, dann kann die Bordelektronik unterstützend den Rückspiegel in meine Richtung drehen.« Innenraumsensorik ist allerdings keineswegs bloß eine Brückentechnologie bis das Automobil in der Lage ist, ohne menschlichen Piloten auszukommen. Mit dem Erreichen der Stufe Fünf auf der Automatisierungsskala, wird der Innenraumsensorik eine andere Rolle zukommen. Sind die Insassen in einem Fahrzeug komplett von ihrer Fahrverantwortung befreit, besteht die nächste Herausforderung darin, die Fahrzeit angenehm zu gestalten.
»Automobilkonzerne richten die Innenraumsensorik derzeit vor allem auf die Person hinter dem Steuer«,
sagt Voit, »langfristig sollte aber der gesamte Innenraum erfasst werden.« Dann könnte die Bordelektronik beispielsweise erkennen, wenn sich die Passagiere in einer angeregten Unterhaltung befinden, und die Navi-Ansagen leiser drehen. Oder abhängig von den Insassen Beleuchtung und Musikauswahl personalisieren. Oder automatisch das Lieblings-Videospiel auf die Scheibe projizieren. Damit solche Visionen in konkrete Produkte und Services übersetzt werden können, braucht es neben den Sensoren auch komplexe und leistungsfähige Algorithmen, die die erhobenen Informationen interpretieren.
ITler schlüpfen in neue Rolle
Bei Automobilkonzernen, aber auch bei Zulieferern oder bei Forschungsinstitutionen wie dem Fraunhofer-Institut verändert sich daher die Rolle von ITlern momentan stark. »ITler setzen nicht mehr ausschließlich Vorgaben von oben um, sondern werden zunehmend zu Partnern im gesamten Business«, sagt Stefan Weber, »inklusive einer hohen Beratungs- und Leitungsfunktion.«