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Credits: Unsplash/pawel-kadysz

Einen fahren lassen

Autonomes Fahren – Driverless & Co. Fahrzeugentwicklung

Blink blink blink! Grell strahlt das gelbe Leuchten im Rücklicht der Autos. Jetzt aber schnell abbremsen. Nun heißt es warten. Ständiges Stop-and-Go und doch geht es kaum voran. Trotzdem wachsam bleiben, auf den Vordermann oder die Vorderfrau achten und abwechselnd auf's rechte und linke Pedal treten. Nervenaufreibend und anstrengend kann so ein Stau sein, vor allem wenn er sich zieht. Da wäre es doch schön, sich entspannt zurückzulehnen. Das Auto einfach machen lassen. Genau das könnte bald möglich sein.

 

Next Car-Ration

Als erster Staat weltweit verabschiedete Deutschland im Juli 2021 ein Gesetz, das die vierte Stufe des autonomen Fahrens zulässt. Damit können laut dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) autonome Kraftfahrzeuge selbstständig fahren. Allerdings nur in festgelegten Betriebsbereichen und im öffentlichen Straßenverkehr im Regelbetrieb – das aber bundesweit. Zu den Einsatzszenarien gehören unter anderem Shuttle-Verkehr, People-Mover (Busse, die auf einer festgelegten Route unterwegs sind) oder Dual-Mode Fahrzeuge. Bei letzterem handelt es sich allerdings um eine automatisierte Funktion im Transportmittel. Das hieße, »das Fahrzeug wird nicht von außen aus der Ferne gesteuert, sondern ausschließlich durch die autonome Fahrfunktion im Fahrzeug«, erklärt Gunther Schaaf, Professor der Fakultät Mobilität und Technik an der Hochschule Esslingen. Das Fahrzeug übernimmt nur für eine bestimmte Zeit oder Strecke die autonome Fahraufgabe, ein Fahrer muss allerdings trotzdem anwesend sein. Bei rein autonom fahrenden Verkehrsmitteln müsste hingegen kein Fahrer dabei sein. Unter bestimmten Voraussetzungen sollen somit Dual-Mode Fahrzeuge künftig zeit- und streckenbegrenzt die Fahraufgabe übernehmen können. Zum Beispiel durch die automatisierte Fahrfunktion »Staupilot«. Laut Dr. Christoph Hecht, Fachreferent des ADAC im Bereich Automatisierung und Digitalisierung im Verkehr, soll diese wie folgt funktionieren: »Sie übernimmt die Fahraufgabe in einem Stau bis zu einer Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h. Der Fahrzeugführer, die Fahrzeugführerin darf sich von der Fahraufgabe abwenden und muss Fahrzeug und Verkehrsumgebung nicht kontinuierlich überwachen. Nach Aufforderung muss er oder sie, die Fahraufgabe unverzüglich wieder aufnehmen, wenn die oben genannten Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind.« Mercedes hat das System bereits für die aktuelle S-Klasse angekündigt. Auch der Autovermieter Sixt möchte mit der Intel-Tochtergesellschaft Mobileye im nächsten Jahr einen neuen Meilenstein der Automobilbranche legen. Sie wollen die erste kommerzielle Flotte selbstfahrender Autos auf die Straßen bringen. Das Projekt, in Form von zunächst 25 autonom fahrenden Robotaxis, soll in ganz München angeboten werden. Zu Beginn noch mit Chauffeuren, die aber nur im Notfall eingreifen. Ob künftig solche Shuttles auch ohne Fahrer agieren können, ist abhängig von der technischen Entwicklung.

 

Bedienungsanleitung gefällig?

Die Automatisierung von Fahrzeugen ist hochkomplex, weshalb verschiedene Disziplinen zusammenkommen. An der Universität Ulm arbeiten deshalb Fachkräfte aus den Bereichen Informatik, Ingenieurwesen und Psychologie im Kompetenzzentrum F3 zusammen und erforschen Projekte rund um automatisierte Fahrzeuge. Professor Dr. Martin Baumann aus der Abteilung Psychologie gibt an, dass das Fahren eine Vielzahl psychologischer Strukturen und Prozesse beanspruche, von der Wahrnehmung, über Aufmerksamkeit, Schlussfolgerung, Interpretation, Entscheidung, Handlungsauswahl und Motorik. Wichtig sei dieser Einbezug, um ihn als Vorlage für die Kooperation von automatisierten Fahrzeugen mit menschlichen Verkehrsteilnehmern zu nutzen. Des Weiteren umfasst die Automatisierung »die Sensorsignalverarbeitung von Lidar-, Radar- und Kamerasensorik, die Modellierung des gesamten Verkehrsumfeldes, die Lokalisierung auf hochgenauen digitalen Karten, die Routen- und Handlungsplanung sowie letztendlich die Ansteuerung von Gas, Bremse und Lenkung. Hierzu setzen wir zunehmend auch Methoden der künstlichen Intelligenz beziehungsweise maschinelle Lernverfahren ein«, erläutert Prof. Klaus Dietmayer aus dem Fachbereich Ingenieurwissenschaften. Damit ist die Schnittstelle zwischen Informatik und Ingenieurwesen unabdingbar. Im Institut für Verteilte Systeme untersucht Informatikprofessor Frank Kargl vor allem die IT-Sicherheit und den (technischen) Datenschutz vernetzter, automatisierter Fahrzeuge. Da die Zusammenführung der verschiedenen Bereiche notwendig ist, um eine sichere Automatisierung und künftig sogar das autonome Fahren zu ermöglichen, bedarf es einer sehr intensiven Forschung. Es ist ein schrittweises Lernen, dauerhaftes Testen und absichern. Deshalb wird es laut Dr. Christoph Hecht, Ressortleiter der Verkehrspolitik beim ADAC, noch einige Generationen dauern, bis die Reife dafür geschaffen sei.

 

Welches Tempo ist gefragt?

»Automatisierte Fahrzeuge sind ein komplexer Forschungsgegenstand, der nur interdisziplinär adressiert werden kann. Ingenieurwissenschaftliche, psychologische und IT-spezifische Fragestellungen interagieren hier in der Regel«, erläutert Martin Baumann. Alle Experten sind sich einig: Nur durch eine Zusammenarbeit der verschiedenen Fachbereiche kann die Aufgabe der Automatisierung und des autonomen Fahrens realisiert werden. Dafür sind insbesondere Kommunikations- sowie Teamfähigkeit gefragt. Laut Frank Kargl ist von Vorteil, wenn Studierende über den Tellerrand blicken können und sich mit Fragen der Technikethik, zum Beispiel Datenschutz oder Nachhaltigkeit, befassen. Natürlich sind auch »Kenntnisse in Sensorik, maschinellem Lernen und IT-Sicherheit unverzichtbar«, so Gunther Schaaf.

 

Abgefahrene Route?

Beobachtet man die Ausstattung der Autos, die aktuell auf den Markt kommen, zeige sich, laut ADAC Technikexperte Manuel Griesmann, dass der Fokus immer mehr auf Software und Infotainment liege. Christoph Hecht fügt hinzu: »Die Wertschöpfung der IT in der Automobilbranche nimmt zu, deshalb entstehen da deutlich mehr Arbeitsplätze.« Professor Gunther Schaaf beschreibt den dringenden Bedarf an Ingenieuren in den neuen, Spezialkenntnis erfordernden Technologien. Für Informatiker sieht Frank Kargl die Berufsaussichten ebenfalls als gesichert: »Keiner unserer Absolvent*innen muss lange nach einer Stelle suchen. Speziell Studierende mit einer Ausbildung in Cybersicherheit sind auf dem Arbeitsmarkt sehr gesucht und erhalten von allen Informatiker*innen im Schnitt die höchsten Einstiegsgehälter.« Auch Ingenieurwissenschaftler Professor Dietmayer sieht in der Automobilbranche für die zukünftige Digitalisierung einen deutlich wachsenden Bedarf an Fachkräften auf dem Gebiet der Hard- und Software. Die Einstiegsgehälter der Fach-Absolventen sind ebenfalls verlockend, so liegt das durchschnittliche Einstiegsgehalt in der Automobilbranche in der Regel bei über 51.000 Euro.

 


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