Foto: Afif Kusuma/Unsplash

Frauen in der Spieleentwicklung

Noch ist die Spieleentwicklung eine Männerdomäne – doch das könnte sich bald ändern.

Frauen und Games

Als erstes denken da die meisten wahrscheinlich an Lara Croft, die Protagonistin aus der PC- und Videospielserie ›Tomb Raider‹. Kaum ein anderer Charakter wurde zu einer derartigen Gallionsfigur einer ganzen Branche. Bis heute gilt sie als Rollenvorbild für Action-Heldinnen. Taff und schlagfertig ist sie – im wahrsten Sinne des Wortes. Eigenschaften, die eigentlich ›typisch männlich‹ sind. Allerdings steckt ihr kampftüchtiges Wesen in einem atemberaubenden, und was viele Männer wahrscheinlich bedauern, virtuellen Körper.

Ein Faktor, der wohl nicht unwesentlich zu ihrem Erfolg beigetragen hat. Gerade im Vergleich zu ihren ›Kolleginnen‹ wie zum Beispiel ›Nilin‹ aus ›Remember Me‹ oder die Jedi-Kriegerin ›Bastila‹ aus ›Knights of the Old Republic‹ fällt auf: Sie alle tragen hautenge Kleider, die ihre Kurven betonen.

Und das ist nicht weiter verwunderlich. Immerhin wurden Computerspiele jahrelang von Männern für Männer entworfen. Themen, Personen und Zeichnungen waren überwiegend auf männliche Käufer zugeschnitten. Doch seit etwa einer Dekade ist auch unter Gamern ein demografischer Wandel zu spüren. Lebenssimulationen wie ›Die Sims‹ und Casual Games, darunter ›Moorhuhn‹, haben auch Frauen an PC oder Konsole gezogen. Das hatte auch Auswirkungen auf Lara Croft: Mit jeder neuen Spielausgabe schrumpfte ihr Busen und die Shorts wurden länger.

»Inzwischen ist die Zielgruppe für Computerspiele zu fast 50 Prozent weiblich«, sagt Prof. Linda Breitlauch, Professorin für Game Design an der Games Academy Hochschule (GAH) in Berlin, »da liegt es nahe, den Blickwinkel von Frauen mit einzubeziehen. Das ist aber nicht der einzige Grund: Frauen haben in vielerlei Hinsicht andere Blickwinkel und auch andere Arbeitsweisen. Das bereichert sowohl ein Entwicklerteam als auch das Ergebnis.«

Dennoch werden die meisten Spiele von Männern entwickelt. Der Anteil der Frauen in der Spieleentwicklung ist zwar gestiegen, liegt aber in Deutschland immer noch bei etwa 20 Prozent. »Zwar werden immer mehr Frauen an den Hochschulen mit einschlägigen Studiengängen wie beispielsweise Game Design oder Development ausgebildet«, bestätigt Breitlauch, »dennoch scheint der Beruf eines Spieleentwicklers einen stark technischen Ruf zu haben. Obwohl es großartige Programmiererinnen gibt, wird der Informatikbereich eher von Männern nachgefragt.«

Das nerdige Image der Branche wirkt vielleicht zusätzlich abschreckend

Viele denken bei der Arbeit eines Entwicklers an durchgearbeitete Nächte und leere Pizzakartons. »Dabei handelt es sich um ein kreatives Arbeitsfeld, das viel Raum für eigene Ideen lässt«, erklärt Dr. Maximilian Schenk, Geschäftsführer des Bundesverbands Interaktive Unterhaltungssoftware e.V. (BIU), in einer Pressemitteilung. Spieleentwickler brauchen viel Fantasie, um sich Handlung und Figuren auszudenken. Gleichzeitig müssen sie die technischen Möglichkeiten im Kopf haben und können diese voll ausschöpfen. Teamfähig muss man außerdem sein, denn man arbeitet eng mit anderen Entwicklern, Grafikern und Programmierern zusammen.

Der Spiele-Markt wächst besonders in den Unterhaltungsspielen rasant

Auch Deutschland entwickelt sich zu einem wichtigen Produktionsstandort für Online- und Browsergames. Da Frauen also als Zielgruppe wichtiger werden, aber andere Erwartungen an Spiele haben, sucht die Branche insbesondere nach weiblichen Entwicklern. »Die Entwicklungsstudios selbst sind in der Regel sehr daran interessiert, Frauen einzustellen. Studien- und Berufsberatung sollten dieses Berufsbild kennen und bei entsprechender Begabung verstärkt auch Frauen anbieten. Hier wird es sicher eine interessante Entwicklung geben, wie familienfreundlich sich die Industrie aufstellen kann. Davon profitieren letztlich auch die männlichen Spieleentwickler«, bestätigt Breitlauch, die auch die Studiengangsleitung Medienwissenschaft Game Design und Gamification an der GAH innehat.

Doch Programmiererinnen und Entwicklerinnen brauchen sich nicht in die Nische der ›Frauen-Spiele‹ drängen lassen. Denn auch wenn sie hinter der Games-Kulisse noch wenig vertreten sind, arbeiten sie da nicht erst seit gestern. Jade Raymond aus Kanada hat Informatik studiert und lange als Programmiererin in der Spieleindustrie gearbeitet. Bekannt ist sie vor allem als Produzentin der Reihe ›Assassin’s Creed‹. Auch die Amerikanerin Kim Swift ist mit ihren 30 Jahren schon eine wahre Größe in der Branche. Bekannter als ihr Name sind wohl ihre Werke, zu denen das Kultspiel ›Portal‹ und der ganz ›frauen-untypische‹ Ego-Zombie-Shooter ›Left 4 Dead‹ gehören. In ihrem offiziellen Blog postete sie im Januar 2013 einen Aufruf an alle Frauen, sich von der Männerdomäne nicht abschrecken zu lassen und Spieleentwicklerin zu werden. Durch öffentliche Auftritte hofft sie, Mädchen zu erreichen, damit diese sehen »Girls make games too«.


Anzeige

Anzeige