Winzige Kristalle sind dafür verantwortlich, dass ein Chamäleon mal ein leuchtendes Grün oder ein loderndes Dunkelrot, aber auch ein knalliges Hellblau oder schillerndes Gelb annehmen kann – so die Erkenntnisse einer Forschergruppe der Universität Genf.
Was aber hat ein Chamäleon in seinem wandelnden Farbkleid mit IT-Consulting zu tun?
Nun, so einiges. Denn die Arbeit als Unternehmensberater für Informationstechnologie ist alles andere als einfarbig. Dagmar Fehler hat über acht Jahre als IT-Consultant bei Capgemini gearbeitet und ist jetzt für das Staffing, also die Einsatzplanung der Consultants, verantwortlich. Wenn sie von ihrer Zeit als Consultant auf Achse erzählt, kann man hören, wie sie ins Schwärmen kommt – und sie hat viel zu erzählen, denn als IT-Consultant ist man nicht etwa nur auf eine Branche festgelegt. Zum Beispiel von der Fusion zweier Teleshopping-Kanäle mit amüsanten Einblicken in die Eingeweide der Homeshopping-Welt, der nervenaufreibenden Not-OP am unbrauchbaren Onlinebanking-System eines Kunden aus der Finanzwelt innerhalb von 24 Stunden oder der kompletten Systementwicklung für einen Geschmacksstoffhersteller, bei dem ihr die Mitarbeiter ihre fast künstlerhaft anmutende Karteikartenarbeit mit großen Vertrauen in die Hände legten und um die Überführung ins 2.0 baten.
»Dass es ständig neue Themen gibt, war, was mich an der Beratung immer gereizt hat. Es kann schon sein, dass man in der Industrie ganz andere Projekte bekommt, aber man ist in einer Industrie. Und in der Beratung, da kann ich verschiedene Industrien kennenlernen: Ich kann in den Bank- und Finanzbereich gehen, ich kann in den Manufacturing-Bereich gehen, ich kann Pharma machen, ich kann mir auch mal den öffentlichen Bereich angucken, ich kann in der Automobilindustrie arbeiten. Diese verschiedenen Industrien kennenzulernen und zu gucken, wo sind sie gleich und wo ticken sie unterschiedlich – das finde ich super interessant«, so Fehler über ihren Berufszweig, dessen Vielfalt in den kommenden Jahren sicherlich noch zunehmen wird.
Denn mit dem steigenden Einsatz von Informationstechniken in nahezu jedem Geschäftszweig wächst auch der Bedarf an IT-Beratung. Davon geht auch Manfred Hamannt, Mitglied des geschäftsführenden Vorstands des Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW), aus. Mehr und mehr Unternehmen greifen heutzutage auf integrierte IT-Systeme, sogenannte ERP-Systeme zurück, um ihre Prozesse automatisch zu steuern und zu überwachen. Informationstechnologien machen es möglich, dass sich neue Geschäftsmodelle innerhalb kürzester Zeit auf die Beine stellen lassen – es ist das Zeitalter der Start-ups, sie schießen wie Pilze aus dem Boden, jedoch ist nicht jeder Jungunternehmer auch gleich ein IT-Spezialist. Rosige Zeiten für das IT-Consulting.
Und nicht nur die kleinen, neuen Firmen melden Bedarf, auch die großen Fische im Businessteich wenden sich an Berater. Cloud Computing, Big Data, Digitalisierung und Industrie 4.0, auf all diese Dinge brauchen Unternehmen derzeit eine Antwort und müssen sich strategisch wie systemisch einnorden. Dabei ist die Bandbreite an Aufgabenbereichen innerhalb der Sparte IT-Beratung ähnlich groß wie die der möglichen Einsatzfelder.
Unternehmen sorgen sich um die Sicherheit ihrer Daten – im Dienstleistungsbereich wie auch in der industriellen Fertigung ein sensibles Themengebiet. Es gilt Firewall-Konzepte zu entwerfen und Methoden zur Verhinderung von Industriespionage auszuklügeln. Auch die zielgerichtete Analyse von großen Datenmengen oder die Beratung entlang der Implementierung von Branchensoftware in die Unternehmensprozesse können auf der Wunschliste der Kunden stehen.
Ohne grundlegende BWL-Kenntnisse geht es nicht
Die Consulting-Tätigkeit ist dabei stets eng verknüpft mit Kenntnissen von betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen – ein guter Berater darf Prozesse nie allein nur aus IT-Sicht durchdringen, denn IT existiert nun mal nicht als reiner Selbstzweck, stets dient sie der Unterstützung des Business. So kann der IT-Consultant beispielsweise im Bereich Business Intelligence nur dann zielgerichtete und schnelle Analysen von großen Datenmengen für Mandanten entwickeln, wenn er auch die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit und den Sinn hinter diesen Analysen versteht, merkt IDW-Vorstand Hamannt an. Die Schönheit eines Codes, das Neueste vom Neuesten an Technik kann das Herz eines Informatikers höher schlagen lassen – letztlich muss er als Consultant trotz allem auch die Kosten-Nutzen-Analyse im Blick behalten und die für den Kunden sinnvollste Lösung suchen.
Für Einsteiger im Business nicht immer die leichteste Aufgabe, weiß Dagmar Fehler. Im Sturm und Drang der ersten Jahre möchte man oft die Crème de la Crème an Technik und Methodik für das Projekt, doch der Auftraggeber hat das letzte Wort und entscheidet sich auch mal zaghaft für den soliden und vor allem kostengünstigen Einheitsbrei. Frustrierend manchmal, aber wer Biss beweist, kann auf diesem Terrain auch eigene Themen weiterentwickeln. Davon ist auch die IT-Fachfrau von Capgemini überzeugt:
»Man muss ein gewisses Durchhaltevermögen haben und an das, was man macht, glauben können – das sind für mich immer die besten Berater, die, die für ihre Themen brennen.«
Gern erzählt sie vom Kollegen, der seit Jahren für die eine eigene Idee kämpft, Piloten seines Konzepts entwickelt hat und nun so langsam die ersten Erfolge beim Kunden ernten kann. Klingt im ersten Moment ein bisschen nach Sisyphos oder Marathonlauf, aber auch nach einem vielschichtigen Karriereweg mit Herausforderungen und Entwicklungsspielraum.
Die Lust am Koffer packen sollte vorhanden sein
Inwieweit ein IT-Consultant innerhalb eines Auftrages ausschließlich eine Strategie vorzeichnet oder aber projektbezogen tiefer eindringt in die IT-Architektur bis hin zum finalen Rollout eines neuen Systems, variiert dabei von Projekt zu Projekt – und sicherlich sollte man sich stets darüber im Klaren sein, dass Berater sein auch fast immer unterwegs sein bedeutet.
In der Wirtschaftsprüfung und im Consulting ist es an der Tagesordnung, dass man heute noch im Büro sitzt, morgen dann für zwei Tage nach München fährt, dann weiter nach Frankfurt. Abhängig von Kundenbasis, Standort sowie Arbeitsbereich kann es darüber natürlich auch hinausgehen, das europäische Ausland, die USA, die ganze Welt ist ein Spielfeld für IT-Beratung. Fehler beispielsweise hatte bisher auf eigenen Wunsch nicht ein einziges Projekt in Deutschland.
Ein Berater muss in Prozessen danken können und ein Händchen fürs Zwischenmenschliche haben
Aber zurück zum Chamäleon. Dieses ist nicht nur für seine Fähigkeit bekannt, sein Äußeres in unzähligen Farben leuchten zulassen – genau wie der IT-Consultant, der sich das Mäntelchen nahezu jeder Branche umschnallen kann, seinen Kern, die IT-Expertise, aber nie hinter sich lässt. Vielmehr wartet das Reptil noch mit einer weiteren herausragenden Eigenschaft auf: Mit seinen kegelförmigen Augen ist es in der Lage, seinen Blick äußert schnell scharf zu stellen, circa vier Mal so geschwind wie ein Mensch.
Auch als IT-Consultant sollte man die Fähigkeit mitbringen, schnell und präzise die Linse auf das Wesentliche zu fokussieren. In diesem Business braucht man ein hohes Prozessverständnis und oben auf noch eine große Portion Offenheit für neue Themen. Auch der selbstständige IT-Consultant Theo Gottwald merkt an, das Technik-Know-how allein – also das Handwerkszeug aus dem IT-Studium – bei Weitem nicht ausreicht, um ein guter Berater zu sein. Vielmehr gilt es, mit viel Verhandlungsgeschick und sozialer Kompetenz im Umgang mit dem Kunden ans Werk zu gehen. Von wegen nur Nullen und Einsen – auch im IT-Business, und gerade in der Beratung, spielen menschliche Befindlichkeiten eine große Rolle. Wer es beispielsweise im Gespräch mit Mitarbeitern der Auftraggeber nicht schafft, dem Gegenüber die Angst vor Veränderung zu nehmen, erhält nur die halbe Information und tut sich letztlich schwer.
Denn um eine funktionierende IT zu kreieren, müssen die Anforderungen an das System bekannt sein – Input, der von den Angestellten geliefert werden muss. Eine weitere wichtige Eigenschaft gilt es im Laufe der Zeit zu gewinnen: Erfahrung. Je öfter man das Spielfeld der zwischenmenschlichen Kommunikation betreten hat, je stärker man vertraut ist mit den versteckten Stolperfallen für Projektplanung und Prozessabläufe, desto besser ist man gewappnet, desto geschulter der Blick. Wer im IT-Studium oder als Absolvent also damit liebäugelt, sich auf die Pfade der spannenden Branche des IT-Consultings zu wagen, sollte nicht zögern und versuchen, das eigene Erfahrungskonto möglichst früh anzureichern – mit entsprechenden Praktika, Werkstudententätigkeiten oder der Abschlussarbeit in der Unternehmensberatung. Übung macht den Meister – auch das Chamäleon musste erstmal lernen, seinen scharfen Blick und die Präzision seiner Wurfzunge in Einklang zu bringen.