20 Jahre sind eine lange Zeit – vor 20 Jahren war Helmut Kohl Bundeskanzler, die Gesellschaft für deutsche Sprache hat das Wort ›Multimedia‹ zum Wort des Jahres erklärt, Windows 95 eroberte den Markt und wer modisch etwas auf sich hielt, trug bauchfrei.
1993: Am CERN wird das World Wide Web vorgestellt.
1995: Die objektorientierte Programmiersprache JAVA wird entwickelt.
1996: Das erste Smartphone, das Nokia Communicator 9000, kommt auf den Markt.
1998: Google wird gegründet. 2004: Facebook startet.
2006: Twitter-Gründer Jack Dorsey sendet den ersten Tweet
In den letzten 20 Jahren hat sich vieles verändert, nicht nur auf politischer oder gesellschaftlicher Ebene, gerade in der Wirtschaft hat sich viel getan. Nennt man nur das Stichwort ›Industrie 4.0‹ wird allen klar sein, wie viel. Treibende Kraft für diese Entwicklungen ist die Informationstechnologie. Eine Branche, in der sich laut Andreas Oberweis, Vizepräsident der Gesellschaft für Informatik (GI), dagegen auf den ersten Blick in den letzten 20 Jahren gar nicht so viel geändert hat. »Hauptherausforderung der IT-Anbieterseite bleibt es, dem Kunden zuverlässige IT-Systeme zu liefern, mit denen die kundenseitigen Anforderungen effizient und effektiv erfüllt werden können«, fügt der Experte hinzu. Es ist jedoch nicht alles beim Alten geblieben: Es sei eine zunehmende Vernetzung von Systemen, Geräten und sogar Personen festzustellen. Ein großer Wandel sei, dass Privatpersonen immer mehr als Anwender von IT auftreten, die IT werde so fester Bestandteil von Privathaushalten und dem Alltag. Die damit verbundene Vermischung von Privat- und Arbeitsleben stellt neue Herausforderungen an IT-Systeme – sie werden leistungsfähiger, an der Benutzeroberfläche komfortabler, mobiler, autonomer und kostengünstiger. Durch die Vernetzung mit ihrer Umgebung werden sie aber auch immer komplexer und angreifbarer. »Gerade im Kontext kritischer Infrastrukturen birgt der IT-Einsatz heute zunehmende Risiken, denen mit entsprechenden Maßnahmen begegnet werden muss«, ergänzt Oberweis.
Manches hat sich jedoch nicht verändert: Bereits vor 20 Jahren bangten einige Menschen um den Arbeitsplatz, könnten doch IT-Systeme negative Auwirkungen auf den Arbeitsmarkt haben. Außerdem entfachten auch damals schon Diskussionen um Datenschutzfragen bei IT-Anwendungen. Die Verbreitung der Social Media wäre vor 20 Jahren nicht vorstellbar gewesen, da die Sensibilität der Bevölkerung für Datenschutzfragen sehr viel höher war als heute. »Diese Technologie wäre damals vermutlich abgelehnt worden. Heute ist gegenüber Datenschutzfragen eher eine Gelassenheit festzustellen, die schon fast an Nachlässigkeit grenzt«, betont Oberweis. Soziale Medien sowie die ständige Verfügbarkeit von IT-Diensten wie dem World Wide Web sind es, die heute unmittelbaren Einfluss auf das gesellschaftliche Leben haben. Vor 20 Jahren war der Einfluss der IT auf den Arbeitsplatz im Unternehmen beschränkt, denn mobile Internetverbindungen waren die Ausnahme, sehr teuer und hatten nur eine niedrige Übertragungsbandbreite. Zehn Jahre später war man da schon etwas weiter: Vor etwa zehn Jahren begann der Siegeszug von mobilen Rechnern wie Notebooks und Tablets, mit neuen Benutzungsoberflächen, Stifteingabe und Touchscreens. Parallel zur mobilen IT-Nutzung entstand Android als neues Betriebssystem für mobile Geräte.
Doch nicht alle IT-Neuheiten der vergangenen Zeit konnten sich derart durchsetzen: »Von RFID-Chips hat man sich vor etwa zehn Jahren spektakuläre Anwendungen in Logistik, Handel und Produktion erwartet. Es zeigten sich aber bald technische Probleme, die bisher nur teilweise gelöst werden konnten«, fügt Oberweis hinzu. Viele IT-Visionen der Vergangenheit sind jedoch zwischenzeitlich Realität geworden. Zwar nicht unbedingt kurzfristig, aber mit einiger Verzögerung. Vor 20 Jahren träumte man von einer weitreichenden Automatisierung betrieblicher Abläufe. Dabei sollte die Technologie gleichzeitig Flexibilität ermöglichen, das heißt schnelle und einfache Anpassung an sich verändernde Bedingungen. »Heute setzen sich diese Visionen fort in umfassenden Konzepten wie Industrie 4.0«, ergänzt der Experte. Ein weiterer Wunsch – der sich mittlerweile nahezu erfüllt hat – war das Evernet, das heißt der Zugang zu Rechenleistung jederzeit und an jedem Ort.
Aus heutiger Sicht sei absehbar, dass viele Visionen und Träume der Vergangenheit in nächster Zeit praktisch umgesetzt werden können. Es sei nicht auszuschließen, dass auch einige Neuerungen dabei sein werden, deren Nutzen zunächst nicht da zu finden ist, wo man ihn vermutet. Immer wieder kommt es vor, dass sich der tatsächliche Nutzen erst viel später zeigt. Oftmals sind IT-Neuerungen jedoch Grundlage für nachfolgende Innovationen und insofern ein wichtiger Zwischenschritt in der technologischen Entwickung. »Es ist aber beobachtbar, dass alle wichtigen Neuerungen im IKT-Bereich auch immer neue zusätzliche Herausforderungen mit sich bringen. Teilweise haben jedoch auch Herausforderungen, vor die ITler schon vor zehn und 20 Jahren gestellt waren, heute noch Aktualität: Schon damals ging es um den effizienten Umgang mit den knappen Ressourcen Speicherplatz, Rechenleistung und Bandbreite von Rechennetzen. Außerdem wurde zunehmend die Komplexität ein Problem, etwa bei Verkehrs-, Energie-, Finanz- oder Kommunikationsnetzen.
Bedeuten gleiche Herausforderungen auch gleiche Anforderungen an die IT-Mitarbeiter? Fast: Vor zehn Jahren lag der Schwerpunkt eher noch auf den Kenntnissen und Fähigkeiten im technischen Bereich, verbunden mit allgemeiner Problemlösungskompetenz und Kreativität. Heute sollten IT-Absolventen darüber hinaus Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit und wirtschaftliches Denken mitbringen. Erstaunlicherweise hat sich die Branche, die sowohl unser soziales Leben als auch unser Arbeiten neu gestaltet hat, selbst gar nicht so sehr verändert.