Das Auto schaut hin, wenn der Fahrer einmal weg sieht. Dabei soll es ihn nicht bevormunden, sondern in schwierigen Situationen unterstützen. Fahrerassistenzsysteme – also teilautomatisiertes Fahren – wie Einparkhilfen und Spurhalteassistenten sind schon heute auf dem Markt verfügbar. »Im Mittelpunkt steht dabei nach wie vor der Fahrer«, erklärt Dr. Martin Randler, Leiter Aktive und Passive Sicherheit in der zentralen Vorentwicklung beim Automobilzulieferer ZF. Immer dann, wenn dieser unter- oder überfordert ist, soll er durch das automatisierte Fahren entlastet werden – etwa im Stau, bei komplexen Manövern oder auf monotonen Strecken. Bis wir fahrerlose also vollautomatisierte Fahrzeuge im Straßenverkehr in allen Verkehrssituationen sehen, werde es jedoch noch dauern, so der Experte.
Schritt für Schritt zum autonomen Fahren
Automobilzulieferer und -hersteller nähern sich in kleinen, aber bedeutenden Schritten dem Ziel. Katharina Kupferschmid ist eine der Beteiligten bei Mercedes Benz im Bereich Fahrerassistenzsysteme. Die Ingenieurin schätzt an ihrer Tätigkeit vor allem die Möglichkeit, die Mobilitätskonzepte der Zukunft mitzuentwickeln. »Dabei betrachte ich immer sowohl den Menschen als auch die Technik, um dann die bestmögliche Lösung für den Fahrer anzubieten«, betont Kupferschmid. Bei ihrer Arbeit in internationalen Teams sei es wichtig, auch mal über den Tellerrand zu schauen und gemeinsam Lösungen zu finden – Teamfähigkeit wird daher groß geschrieben.
»Es ist essenziell, dass ich immer wieder meinen Horizont erweitere und mich auf Neues einlasse, denn im Bereich der Fahrerassistenzsysteme werden in den nächsten Jahren viele technische Innovationen und Veränderungen auf uns zukommen«, prophezeit die Ingenieurin.
Dr. Martin Randler von ZF kann dies nur bestätigen: »Ingenieurabsolventen sollten Offenheit, Neugierde und vor allem keine Berührungsängste mit neuen Technologien mitbringen.« Die Entwicklung von Fahrerassistenzsystemen berge noch viele Unbekannte, da etablierte Prozesse der klassischen Automotive-Welt nicht mehr passen. Die große Chance hierbei: Der Ingenieurnachwuchs kann diese Prozesse selbst mitgestalten.
Ingenieure mit Faible für künstliche Intelligenz gesucht
Mitbringen sollten Absolventen hierfür erste praktische Erfahrung im Bereich Künstliche Intelligenz, Machine Learning oder Sensortechnologien sowie Kenntnisse in Softwareentwicklung. »Wichtig ist außerdem die Fähigkeit, die neue Welt der künstlichen Intelligenz mit der alten Welt des physikalischen Verständnisses in der Praxis kombinieren zu können«, ergänzt Randler. Der Masterstudiengang Fahrerassistenzsysteme an der Hochschule Kempten bildet Ingenieure aus, die eben diese Skills mitbringen. Der Studiengang wurde auf Wunsch von Unternehmen ins Leben gerufen und inhaltlich in Diskussionsrunden mit Industrievertretern erarbeitet. Das Programm vermittelt die von Arbeitgebern gewünschten interdisziplinären Kenntnisse aus den Bereichen Elektrotechnik und Elektronik, Informatik sowie Maschinenbau. Inhaltliche Schwerpunkte sind unter anderem optische Sensorsysteme, Kraftfahrzeugdynamik, Computer Vision, modellbasierte Reglerentwicklung und funktionale Sicherheit.
Wie sicher ist autonomes Fahren?
Gut ausgebildete Ingenieure werden auf dem Arbeitsmarkt dringend gebraucht, denn die Weiterentwicklung moderner Fahrerassistenzsysteme wird die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie maßgeblich mitbestimmen. Bei all der Euphorie darf jedoch ein wesentlicher Punkt nicht vernachlässigt werden: die Sicherheit.
»Der Sicherheitsaspekt stellt einen hohen Anspruch an die Systeme, da sicherheitsrelevante Funktionen betroffen sind und deshalb keine Fehler toleriert werden können«, betonen Anton Funk und Benedikt von Merveldt, Projektingenieure bei Telemotive.
Weitere Herausforderungen seien zudem die Kommunikation der Steuergeräte und Bauteile: zum Beispiel Kameras und Sensoren untereinander und die Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmern und der Infrastruktur – ein vielseitiger und dynamischer Prozess. »Zudem darf nicht vergessen werden, dass es noch eine Vielzahl an organisatorischen Herausforderungen zu bewältigen gibt, wie etwa Infrastrukturen und Rechtsfragen«, fügen die Projektingenieure hinzu. Laut Verband der Automobilindustrie (VDA) ist es erforderlich, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu überprüfen und anzupassen, da der aktuelle Rechtsrahmen immer von einem aktiv das Fahrzeug steuernden Fahrer ausgehe. Neben der technologischen Weiterentwicklung sei somit auch eine Entwicklung der gesetzlichen nationalen und internationalen Rahmenbedingungen notwendig.
Dem Auto Sinne verleihen
Der Weg zum autonomen Fahrzeug ist also noch lang und wird sicherlich nicht immer linear verlaufen – darauf sollten sich Ingenieure einstellen. Eine gewisse Portion Wissbegierde und Innovationsgeist sollten sie demnach mitbringen. Dann lockt die Aussicht, einem Auto Sinne zu verleihen und beizubringen, was es tun soll. »Das ist eine extrem faszinierende Aufgabe«, betont Dr. Martin Randler von ZF.