Car-IT: Potenziale und Gefahren

Weniger Unfälle und mehr Entertainment, so lautet das Versprechern der Car-IT. Wir haben nachgefragt und wollten wissen: Wird Car-IT unser Verständnis von Mobilität revolutionieren? Und: Birgt die zunehmende Automatisierung von Autos möglicherweise auch Gefahren?

Kleinkind sitzt auf Bobby-Car
Car-IT: Potenziale und Gefahren PublicDomainArchive / Quelle: pixabay.com unter CC0

Wem David Hasselhoff lediglich als lockenbekopfter Mann mit Hang zu alkoholischen Getränken, peinlichen Auftritten und der Überzeugung, dass sein Lied ›Looking for Freedom‹ maßgeblich für den Mauerfall verantwortlich war, bekannt ist, hat nun die Möglichkeit, dieses Bild durch ein anderes zu ersetzen. Denn früher war er mal ein richtig cooler Hund, mit einem Auto, das sprechen konnte und Befehle, die Hasselhoff aka Michael Knight in seine Armbanduhr genuschelt hat, ausgeführt hat. Meistens war K.I.T.T der Held der Serie. Er war eloquent, witzig und ziemlich clever. Manchmal fuhr er einfach los, um seinen besten Freund vor den Bösen, den Fieslingen zu retten. Was für ein Auto! Leider gibt es ›Knight Rider‹ nur noch zu ungünstigsten Zeiten auf Nischenkanälen zu sehen. Obwohl K.I.T.T doch Urvater dessen ist, was Mobilitätsexperten uns für die Zukunft vorhersagen: das autonome Auto!

Bis es allerdings soweit ist, dauert es noch ein Weilchen. Auch in den nächsten Jahren wird sich kein Auto wohlwollend über unser blendendes Aussehen auslassen, geschweige denn sich dem Supermarkteingang mit geöffnetem Kofferraumdeckel nähern, weil wir schier unter der Last der Einkäufe zusammenbrechen. Aber wer braucht das schon, wenn bereits heute viele Fahrzeuge dafür sorgen, dass wir sicherer auf den Straßen unterwegs sind, stets über die aktuelle Verkehrslage informiert sind und – je nach Modell – mit den aktuellen Facebook-Posts oder Anweisungen vom Chef konfrontiert werden?

Car-IT: Entertain- und Informationssysteme als Ablenkung für den Fahrer

Denn konnten Autobesitzer vor ein paar Jahren noch anerkennende Pfiffe für ihr Fahrzeug mit integriertem Navigationssystem einheimsen, wird dies heute als selbstverständlich angesehen. Mittlerweile spielen ›Car-2-Car-Kommunikation‹ und Fahrerassistenzsysteme wichtige Rollen im Bereich der vernetzten Autos, wenngleich diese Dienste nach Worten von Helmut Schmaler vom ADAC noch immer »in den Kinderschuhen« stecken. Schma­ler ist Diplom-Ingenieur und seit 30 Jahren beim größten Automobilclub Deutschlands im Bereich der Fahrzeugtechnik tätig. Er erklärt, dass die Automobilhersteller momentan mit sogenannten Concierge-Diensten punkten:

 

»Diese zeigen die nächste Raststätte, das beste Hotel in der Nähe oder verständigen bei einer Panne die Hotline des Herstellers.«

Was sich für den Fahrer per se durchaus als praktisch erweist, ist allerdings der allgemeinen Pannenstatistik nicht dienlich. Dies ist aber nur ein Grund, weswegen der 64-Jährige Car-IT-Systeme kritisch sieht. Er könne verstehen, dass die Fahrer aus verschiedenen Playlists auswählen und auch im Fahrzeug auf Onlinedienste zugreifen möchten, aber die Ablenkungsgefahr sei sehr groß. Aus diesem Grund spreche sich der ADAC auch dagegen aus. Inwieweit Entertain- und Informationssysteme die Fahrer tatsächlich ablenken, sollen Tests zeigen, die der Verein in naher Zukunft durchführen und veröffentlichen wird.

Eine weitere Gefahr lauert in dem blinden Vertrauen, das Autofahrer ihren Fahrzeugen beziehungsweise der Technik darin entgegenbringen. »Als sehr technikgläubig« bezeichnet Schmaler vor allem die Deutschen und verweist auf Beispiele, die mancher Tageszeitung durchaus eine Schlagzeile wert waren: Autos, die in Flüsse fuhren, weil das Navi eine Brücke angezeigt hat, oder ein Fahrzeug, das im Wald zwischen zwei Bäumen steckenblieb, weil dort angeblich eine Straße durchging.

»Manchmal wird der gesunde Menschenverstand leider an der Autotür abgegeben«, sagt Schmaler.

Keinesfalls möchte er allerdings verneinen, dass die neuen Systeme das Autofahren sicherer gemacht haben. Assistenzsysteme wie Spurverlassungs- oder der Abstandsassistent, die den Autofahrer davor warnen, wenn er ohne Blinker über die Linie fährt oder der Vordermann bremst, seien sehr hilfreich, aber sie unterstützen den Fahrer lediglich. Die Kontrolle übernehmen sie nicht. Viele Negativbeispiele zeigen, dass es nicht nur teuer und peinlich für den Autofahrer enden kann, sondern dass es auch gefährlich ist, mit dem Gedanken ›die Technik wird es schon richten‹ ins Auto zu steigen.

Cat-IT: Fahrzeuge werden zu rollenden Computer

Um bei der Technik zu bleiben: Leicht zu beheben sind Probleme mit dieser nicht mehr. Die Zeiten, in denen bei einem Neuwagen ein Blick unter die Motorhaube gereicht hat, um den Fehler zu finden, sind passé:

»Fahrzeuge sind mittlerweile rollende Computer mit zig Steuergeräten und entsprechend viel Software«, erklärt Professor Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) in Bergisch Gladbach.

Er fügt an, dass ähnlich wie bei dem einen oder anderen IT-Produkt nicht selten nach dem Kauf mittels umfangreicher Updates Fehler korrigiert werden müssten, die bei vorangegangenen Test nicht aufgefallen seien. Martin Pellkofer, Professor für Automobilinformatik an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Landshut (HAW) kann hier nur zustimmen:

»In der Vergangenheit wurde die Software oftmals von Elektrotechnik- und Maschinenbau-Ingenieuren geschrieben. Durch den stark wachsenden Funktionsumfang der Systeme und ihre zunehmende Vernetzung wächst die Komplexität der notwendigen Software überproportional an. Ohne fundierte Kenntnisse im Bereich Softwaretechnik ist diese Komplexität nicht mehr zu beherrschen.«

Er stimmt zwar zu, dass mit Komplexität der Systeme auch die Fehleranfälligkeit zunehme, jedoch werde in der Regel streng zwischen Komfortsystemen und sicherheitskritischen Systemen unterschieden. Bei Fehlern in Komfortsystemen können diese aber abgeschaltet werden, ohne die Einsatzfähigkeit und Sicherheit des Fahrzeugs zu beeinflussen.
Allgemein fehlt der Industrie laut Pellkofer noch die Einsicht, dass Automotive-Software ein eigenständiges Entwicklungsobjekt darstellt und nicht nur einen Teil eines elektrotechnischen oder mechatronischen Systems. Während die Industrie hier noch Nachholbedarf hat, sind die Studiengänge, die sich mit Car IT beschäftigen, sehr gut aufgestellt. Denn den Verantwortlichen ist bewusst, dass für die Entwicklung eingebetteter Systeme Wissen über Softwaretechnik alleine nicht ausreicht, sondern hierfür zwingend auch Wissen über den technischen Prozess beispielsweise aus den Bereichen Elektrotechnik oder Maschinenbau nötig ist.

Dabei macht es der rasant voranschreitende technische Fortschritt den Hochschulen nicht einfach, stets auf dem neuesten Stand zu sein. Jedoch garantiert eine zumeist enge Zusammenarbeit mit der Automobilindustrie, dass die Lehrinhalte aktuell sind. Denn auf dem Markt herrscht großer Konkurrenzdruck und kein Hersteller kann es sich leisten, bei wichtigen IT-Innovationen hinter den Wettbewerbern zurückzufallen. Je nach Preissegment geht es aber eher darum, die Innovationen für die Kundengruppe bezahlbar zu machen, wie Bratzel von der FHDW betont. Der Studiengangsleiter für den berufsbegleitenden Masterstudiengang ›Automotive Management‹ weist aber darauf hin, dass sich durch IT-Innovationen zwar neue Kundengruppen gewinnen lassen, aber es den Herstellern nicht immer gelinge, der Dynamik der IT-Branche zu folgen:

»Hier sind neue Ansätze gefragt, sonst könnte bald Google oder Apple auf die Idee kommen, selbst ein Auto zu bauen.«


Allgemein stellt sich die Frage, ob bei allen Innovationen der Kunde im Fokus steht und ob sich dieser ständige Wettlauf mit der Zeit und der Wettkampf mit den Mitbewerbern überhaupt lohnt. Denn es würde völlig ausreichen, wenn sich die Automobilhersteller und -zulieferer am Kundennutzen orientieren würden:

»Beide denken manchmal zu technisch und vernachlässigen bei der Innovationsentwicklung den Kunden. Sinnvoll ist schließlich nur eine Innovation, wenn ein ausreichender Mehrwert vorhanden ist, für den die Kunden auch bereit sind, mehr Geld auszugeben«, führt Bratzel weiter aus.

Allerdings seien Hersteller zuweilen in ihren Technologiepfaden gefangen und nähmen Kundenwünsche aus anderen Feldern und  von anderen Akteuren nicht wahr.

 

Hersteller von Car-IT haben immer mehr Einfluss auf den Käufer

Helmut Schmaler vom ADAC ist überzeugt, dass nicht die Käufer den Großteil der neuen Systeme fordern, sondern dass es die Hersteller sind, die den Kunden Glauben machen, sämtliche Raffinessen zu wollen. Selbstredend sei die Automobilbranche bestrebt, höhere Sicherheitsstandards zu entwickeln, das Innovationsbestreben im Bereich der Entertainmentsysteme bezeichnet der 64-Jährige allerdings als ›Hochrüsten‹. Inwieweit dem tatsächlich so ist, lässt sich kaum feststellen. Dass die Autokäufer mehr Wert auf Sicherheit beim Autokauf legen, ist unbestritten. Laut einer Studie von puls Marktforschung haben sich 2012 76 Prozent mehr Informationen über Staus und 67 Prozent eine schnelle Suche nach der preisgünstigsten Tankstelle gewünscht, während für fast zwei Drittel der Käufer der automatische Notruf bei Unfällen von großer Priorität war. Was hingegen Internetanwendungen in den Fahrzeugen betrifft, verdeutlicht eine Studie von McKinsey: Circa 70 Prozent der unter 40-Jährigen erwarten, dass es ihnen in zehn Jahren möglich ist, auch im Auto einen sicheren Zugang zu ihren persönlichen Daten und Netzwerken zu haben. Selbstredend, dass dabei nicht nur in die eingebetteten Systeme investiert werden muss – auch die Infrastruktur muss dem angepasst werden. Und dies nicht nur deutschlandweit. Zugleich mit der allumfassenden Vernetzung werden Fragen nach Datenschutz und Hackerattacken laut.

»Hier sind die Hersteller in der Pflicht«, sagt Schmaler vom ADAC und führt weiter aus, dass dieses Thema lange Zeit brachlag, weswegen nun ein großer Nachholbedarf bestehe. »Es kostet viel Geld und Entwicklungsarbeit, aber diesen Weg müssen wir gehen«, sagt der Diplom-Ingenieur. Schließlich hat sich in Tests gezeigt, dass eine virenverseuchte MP3-Datei ein Fahrzeug komplett lahmlegen kann. Horrorszenen à la Manipulation der Bremsen mittels Fernsteuerung winkt der ADAC-Experte hingegen ab: »Warum sollte jemand so etwas tun?« Eine berechtigte Frage, wenn auch Professor Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach dagegenhält, dass Hacker durchaus Unfälle verursachen können. Doch ist es auch hier nicht vorstellbar, dass dies rein aus Jux und Tollerei geschieht. Hier ließe sich ein weiteres Szenario heraufbeschwören, in denen beispielsweise Versicherungsbetrug eine Rolle spielen könnte. Letztendlich lassen sich solche Theorien erst widerlegen oder bestätigen, wenn der Präzedenzfall vorliegt. Es ist aber auch Aufgabe der Fahrzeugbesitzer, nicht zu lax mit Vorsichtsmaßnahmen zu verfahren.

Diese Verantwortung gilt auch für Unfälle in Verbindung mit vernetzten Autos. Bis die Unfallquote auf deutschen Straßen die magische Null erreicht, braucht es noch viel Forschungsarbeit, Zeit, Geduld und Geld. So lange es keine Gesetze gibt, wer wann in welchen Fällen Schuld an einem Unfall trägt, steht der Fahrer in der Verantwortung.

»Wenn das Fahrzeug einen Fehler macht, ist es schwierig, dafür einen Nachweis zu erbringen«, erklärt Schmaler.


»Allerdings sind allgemein Anpassungen bei gesetzlichen Regelungen notwendig. Nach der 1968 von fast allen Ländern geschlossenen ›Wiener Straßenverkehrskonvention‹ müssen Fahrer immer die Kontrolle über das Fahrzeug haben«, sagt Bratzel.

Damals war es schlicht nicht vorstellbar, Autos mittels Sensorik und Computer zu steuern. Mittlerweile ist es zu gewissen Teilen möglich, dennoch braucht eine flächendeckende Vernetzung nicht nur die passende Infrastruktur, sondern auch rechtliche Grundsätze. Außerdem werfen sich mit jeder Neuerung weitere Fragen auf: Inwieweit müssen beispielsweise ältere Automodelle umgerüstet werden oder müssen Oldtimer in vernetzten Zeiten zu Garagenautos verkommen. Auch hierfür müssen Lösungen her.

In der Zwischenzeit lernen unsere Autos, wie sie mit Ampeln kommunizieren, ihre Fahrer auf herannahende Motorradfahrer aufmerksam machen oder andere Autos vor Glatteis und Unfällen warnen können. Die gesetzliche Lage passt sich dem an: Ab 2015 müssen alle neuen Fahrzeuge über ›eCall‹, einem automatischen Notrufsystem, verfügen, damit bei einem Unfall automatisch eine Meldung an die in Europa einheitliche 112 geht. Während in Deutschland die nötige Infrastruktur hierfür bereits geschaffen ist und ›eCall‹ gut funktioniert, hinken Südosteuropa und Spanien bezüglich der Umsetzung noch hinterher.

Mag sich auch in den nächsten Jahren viel zugunsten unserer Mobilität, Sicherheit und Bequemlichkeit tun – bis unsere Autos an K.I.T.T 3000 heranreichen, wird noch sehr viel Zeit vergehen. K.I.T.Ts Nachfolger feuert zur Raketenabwehr nicht nur ›Ultramagnesium Charges‹ ab und versorgt seine Insassen unter Wasser mit Sauerstoff – er kann sich dank Nanotechnologie auch tarnen. Aber mal ehrlich: Wer braucht schon ein Auto, das tauchen kann?


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