Herr Hahn, Sie als Senior Technical Education Specialist stehen in stetigem Kontakt zu den Teams. Was macht für Sie die besondere Faszination der Formula Student Germany (FSG) aus?
Die Teams bekommen es hin, ein Fahrzeug innerhalb von einem Jahr zu erdenken, zu entwickeln, zu fertigen, zu testen und dann hier beeindruckend zu zeigen, was sie gemacht haben. Gerade die Driverless Runs – komplett ohne Fahrer und mit einem wahnsinnigen Speed – sind sehr beeindruckend.
Welche Fähigkeiten erlernen die Studenten, die an der FSG teilnehmen?
Es geht viel um weniger Technisches wie Projektmanagement, Teamorganisation und Ressourcenplanung. Da lernen sie sozusagen unerwartet am meisten. Technisch hängt es dann immer von den Spezialgebieten ab, zum Beispiel Fahrzeugmodellierung oder Reglerentwicklung.
Welche einmaligen Erfahrungen können sie hier sammeln?
Da gibt es zu viele. Wir haben immer wieder Topteams, die unsere Produkte nutzen und damit richtig abräumen – zum Beispiel Greenteam. Die haben letztes Jahr gewonnen. Das Jahr zuvor hatten wir mit ihnen eine Kooperation zum Thema Hardwareunterstützung. Dasselbe gab es zwei Jahre zuvor mit AMZ Racing. Das ist das Team, das den Beschleunigungsweltrekord von 0 auf 100 hält. Sie haben für uns auch auf einigen Konferenzen vorgetragen. Es nutzen im Prinzip alle Teams unsere Lösungen, aber es gibt eben einige, die besonders herausstechen.
Welche großartigen Geschichten haben Sie mit Ihren Teams in der Vergangenheit erleben dürfen?
Das muss man im Kleinen suchen. Es gibt immer die großen Erfolge, die durch die Presse gehen. Aber es gibt auch viele, die in der Industrie Karriere machen oder bei professionellen Rennteams landen. Davon gibt es Hunderte. Es greift eigentlich zu kurz, immer diese einzelnen, großartigen Geschichten herauszupicken, denn es gibt viele kleine und trotzdem großartige Erlebnisse. Zum Beispiel die ganzen Freiwilligen, die hier arbeiten. Es ist wahnsinnig beeindruckend, dass dieses Event von ihnen organisiert wird. Man trifft auch viele alte Kollegen, die mal Teammitglieder waren und jetzt in der Industrie sind. Es ist außerdem schön, jedes Jahr zu sehen, wenn unsere Unterstützung zum Erfolg des Teams beiträgt. Das macht extrem zufrieden.
Sie sind selbst in der modellbasierten Entwicklung tätig. Wie kann man als Teilnehmer der FSG von Ihren Kenntnissen profitieren?
Gerade bei modellbasierter Entwicklung lernen die Teams sehr viel. Unser Support ist so gestrickt, dass er sofort verwendbar ist. Wir versuchen, die Softwareverfügbarkeit so einfach wie möglich zu machen. Die Teams laden unsere Software herunter und können sie sofort benutzen. Einschränkungen gibt es quasi keine, den Studenten stehen alle relevanten Tools zur Verfügung. Alles ist so einfach, wie es nur sein kann. Ab dann können die Teams mit unserem Support durchstarten. Wir bieten Videopodcasts, Onlinetrainings und Blogs mit relevanten Themen an, in denen alle dazu entwickelten Modelle verlinkt sind. Auch diese können die Studenten einfach herunterladen. Die Verwendung aller Programme und Modelle ist natürlich zweckgebunden für die Formula Student, dafür aber uneingeschränkt. Wir haben viele Gespräche mit den Teams und fragen nach Problemen. In diese Richtung entwickeln wir dann unser Material. Aktuell ist Driverless ein großer Fokus. Die Teams müssen sich zusätzlich zum Rennwagen im klassischen Sinn mit Themen wie Sensordatenverarbeitung und Objekterkennung auseinandersetzen.
Arbeiten im Support von Mathworks ehemalige Formula-Student-Teilnehmer?
Der Teamspirit in der Formula Student Community ist so gut, dass manchmal Alumni sozusagen unseren Job übernehmen, die aktuellen Teilnehmern erläutern, wie sie dieses Problem bei ihrer Teilnahme mit MATLAB gelöst haben. Ein häufiges Problem ist beispielweise das Sammeln der Reifendaten, denn das Testen ist sehr aufwändig.
Ein Student von Monash Motorsport aus Melbourne hat uns dazu seine Skripte zur Verfügung gestellt. Außerdem haben wir ein gemeinsames Video aufgenommen und einen Blogpost geschrieben – die Algorithmen sind jetzt verfügbar. Das ist so ein Beispiel, bei dem erfolgreiche Studenten eigentlich unsere Arbeit übernehmen. Wir bieten die Plattform, laden die Inhalte auf File Exchange und alles ist sofort verfügbar. Die Community fängt an, sich selbst zu unterstützen.
Die FSG ist ein fixer Termin in Ihrem Messekalender. Was hat sich aus Ihrer Sicht in den letzten Jahren getan?
Ich bin seit fünf Jahren dabei. Damals hatte sich schon die Driverless Competition angedeutet. Ich muss zugeben, da war ich anfangs skeptisch, wie schnell sich das entwickeln wird und die Fahrzeuge hier tatsächlich fahren können. Und jetzt bin ich einfach beeindruckt, dass innerhalb von drei Jahren so viel erreicht wurde. Blicke ich jetzt drei Jahre in die Zukunft, ist praktisch alles möglich.
Die Entwicklung hier ist extrem dynamisch und Formula Student Germany ist selbst sehr professionell, was so eine schnelle Entwicklung wie bei Driverless möglich macht. Alles ist hervorragend organisiert – auch was die Sicherheit betrifft. Um die technischen Inspektionen zu bestehen, müssen die Teams extrem gut vorbereitet sein. Diese Professionalität setzt sich in jedem Bereich durch, sogar beim Catering. Wenn die Rahmenbedingungen so gut sind, können sich auch Entwicklungen schnell durchsetzen.
Mit welchen Problemen kommen die Teams zu euch?
Vor allem viele technische Fragen – oftmals solche, bei denen auch wir nachfragen müssen. Die Studenten kommen mit Ideen, von denen ich häufig beeindruckt bin, und wollen dazu eine Einschätzung, ob das überhaupt in einem Jahr umzusetzen ist. Da wird MathWorks zum Consultingpartner und wir beraten die Teams zur Idee und ihrer Umsetzung. Manchmal raten wir aber auch, die Ressourcen woanders und damit effektiver einzusetzen. Ich bin nebenbei als Judge tätig, deshalb müssen die Teams alles erzählen. Sie wollen Punkte erreichen und sind sehr offen – offener als sie hier am Stand sein würden. Denn man will ja nicht die eigene Unwissenheit preisgeben. Beim Engineering Design waren wir dieses Jahr sechs Judges. Wir hören uns auch genau an, was die Teams zu sagen haben, und welches Problem häufiger auftritt. Nicht selten sitzen wir dann abends zusammen und überlegen uns Lösungen. Durch diesen engen Kontakt zu den Teams sind wir in der Lage, hilfreiche Materialien zu erzeugen.
Was ist ausschlaggebend für den Gewinn des Engineering Design Awards?
Claude Rouelle, seit 20 Jahren Judge bei der FSG, formuliert das so: »Es geht weniger darum, was zwischen den Rädern ist, sondern darum, was zwischen den Ohren ist.« Es kann gut sein, dass Teams mit einem Low-Tech-Auto kommen, weil vielleicht in dem Land, aus dem sie kommen, die Ressourcen beschränkt sind. Spricht man dann aber mit ihnen, merkt man, dass sie alles verstanden haben und genau wissen, welche Entscheidungen sie getroffen haben. Genauso wissen sie, dass sie mit Einschränkungen leben müssen, weil die Technologie in ihrem Land nicht verfügbar ist. Aber man weiß, wenn sie die Technologie zur Verfügung hätten, würden sie sie nutzen und wären damit erfolgreich. Diese Teams bekommen viele Punkte. Andererseits gibt es auch Teams, deren Kollegen vor zwei oder drei Jahren total erfolgreich waren – da rollt also wirklich ein sehr professionelles Fahrzeug herein. Oft verstehen die Studenten aber nicht, was die Kollegen gemacht haben, und haben weniger Ahnung. Das Fahrzeug ist also nicht das Entscheidende. Es geht um’s Engineering Know-how. Eine einfache Lösung kann eine bessere sein, weil die Studenten sie verstanden haben und mit den Ressourcen, die ihnen zur Verfügung stehen, schlau umzugehen wissen. Die einfacheren Modelle schneiden oft auf der Strecke nicht so gut ab, aber wenn es um die Ingenieursleistung geht, zählt das Wissen.
Wer mehr über MathWorks erfahren will findet die Informationen hier: https://www.mathworks.com/company/jobs/opportunities/