Die Zukunft der Automobilbranche

Elektromobilität, Leichtbau, CarIT – Nach 120 Jahren Erfolgsgeschichte erfindet die Industrie das Auto neu

»Es sieht so aus, als würden wir den größten Wandel erleben, den das Auto in seiner über 120-jährigen Geschichte gesehen hat«, sagt einer, der es wissen muss:

Professor Ferdinand Dudenhöffer ist Leiter des Center Automotive Research an der Uni Duisburg-Essen. Von den Medien wird der 61-Jährige ehrerbietig ›Autopapst‹ genannt und immer wieder gerne bei Fragen zu Trends und Entwicklungen in der Automobilindustrie konsultiert.

Für die Zukunft prognostiziert Dudenhöffer gravierende Umwälzungen in der Branche. Tatsächlich könnte sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten unser Begriff von Mobilität grundlegend verändern – und mit ihm auch das Auto selbst. Die Schlagworte im Kontext des Wandels lauten vor allem Elektromobilität, Leichtbau und CarIT.

Industrie tüftelt an der Industrie von morgen

Schon jetzt wird in der Industrie an der Mobilität von morgen getüftelt. »Die Herausforderungen sind vielfältig«, sagt Jochen Frey, Pressesprecher bei BMW. Eine der großen Aufgaben der Branche besteht darin, angemessen auf das sich wandelnde Mobilitätsverhalten der Bevölkerung zu reagieren. Aktuelle Studien zeigen, dass vor allem junge Menschen oft bewusst auf ein eigenes Auto verzichten und stattdessen auf verschiedene Arten von frei kombinierbaren Mobilitätsformen zurückgreifen.

Je nach zurückzulegendem Weg, Preis und Komfort fällt die Entscheidung dann beispielsweise für öffentliche Verkehrsmittel, das Fahrrad oder auch Carsharing-Angebote. Dies hängt einerseits mit der Tatsache zusammen, dass das Auto stückweise seine Bedeutung als Statussymbol verliert, andererseits aber auch mit den hohen Kosten für Anschaffung und Unterhalt sowie mit dem steigenden Umweltbewusstsein.


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Automobilbranche im Wandel

Trends, auf die die Autobauer reagieren müssen:

»Mittelfristig werden wir uns von einem klassischen Automobilhersteller hin zu einem Anbieter von Mobilitätsprodukten und -dienstleistungen entwickeln«, berichtet Jochen Frey. »Auf diese Weise möchten wir auch den Markt der Menschen bedienen, die sich nicht unbedingt ein eigenes Auto kaufen können oder wollen.«

Um den Anschluss an die aktuellen Entwicklungen nicht zu verlieren, sei der bayerische Automobilriese mittlerweile bereits in Carsharing-Angebote eingestiegen. »Die Idee geht dahin, dass der Kunde langfristig vielleicht nur noch Mobilität kauft und diese dann eben so bekommt, wie er sie gerade braucht.« 

Im Kontext des sich wandelnden Mobilitätsverhaltens ist auch eine weitere Herausforderung zu sehen, auf welche die Automobilbranche den Fokus aktuell besonders legt. Prinzipiell sei, so Frey, in der gesamten Branche der Trend zur Entwicklung unterschiedlicher, auf bestimmte Anwendungsgebiete abgestimmter Antriebstechnologien zu beobachten. Wesentlicher Bestandteil dieses Konzepts ist dabei die sogenannte E-Mobility, die Nutzung von Elektroautos oder Hybridfahrzeugen. Darüber hinaus wird aber auch weiterhin mit Hochdruck daran gearbeitet, die bestehenden Verbrennungsmotoren sparsamer und sauberer zu gestalten.

»Es wird nicht so sein, dass Elektrofahrzeuge einfach die Verbrennungsmotoren ablösen«, prophezeit Frey. »Vielmehr wird die Zukunft darin bestehen, dass man unterschiedliche Antriebsformen nutzen wird, je nach Anwendungsgebiet.«

Während für Langstrecken wohl weiterhin eher auf saubere Verbrennungsmotoren zurückgegriffen werde, setze man vor allem im urbanen Umfeld in Zukunft vermehrt auf Elektroautos, so die Prognose Freys.

Eine Million Elektroautos bis 2020?

Ob die gewagte Zielvorgabe der deutschen Bundesregierung, bis zum Jahr 2020 eine Million Elektroautos auf die Straßen zu bringen, wirklich eingehalten werden kann, ist zwar nach wie vor fraglich. Der Trend hin zum Elektroauto ist jedoch unverkennbar vorhanden. Bis es jedoch soweit ist, dass die emissions- und geräuscharmen E-Cars in größeren Zahlen die Straßen erobern, gilt es für Autobauer, Zulieferer und  IT-Unternehmen noch einige Schwierigkeiten auszuräumen. Bislang leiden die meisten erhältlichen Modelle noch an Kinderkrankheiten wie mangelnden Reichweiten von nur etwa 100 bis 300 Kilometern, zu hohen Preisen und zu geringem Raumangebot. 

Eine der Schlüsseltechnologien in diesem Zusammenhang ist der Leichtbau, der auch bei klassischen Pkw eine wichige Rolle spielt, im Bereich der E-Cars aber sogar noch an Bedeutung gewinnt. Da die Infrastruktur der Lademöglichkeiten für Elektroautos noch relativ wenig ausgebaut ist, ist es notwendig, das Gewicht der Fahrzeuge so weit wie möglich zu verringern, um größere Reichweiten zu erzielen. Auch BMW wird bei seinem für 2013 geplanten Serien-Elektroauto, dem i3, auf den Leichtbau setzen.

»Der i3 wird nicht aus Stahl, sondern aus kohlefaserverstärktem Kunststoff gebaut«, sagt Jochen Frey. »Diese Bauweise erfordert natürlich ganz andere Technologien und Kompetenzen, weil hier Kohlefasern gewoben und anschließend mit Kunststoff verpresst werden. Das ist eine ganz andere Vorgehensweise als klasssischerweise bei Stahl oder Aluminium.«

E-Mobility: Kampf um jedes Gramm Gewicht

Nicht nur die Autohersteller selbst, sondern auch die Zulieferindustrie kämpft beim Thema E-Mobility um jedes Gramm. Die Anforderungen an das Gewicht der Motoren seien deutlich gestiegen, berichtet Beate Wirtky, Assistentin der Geschäftsführung im Bereich Motoren des Automobilzulieferers Brose. Zudem werde aber auch an der Leistung sowie dem Geräuschverhalten gearbeitet.

»Ein Beispiel sind Kühlerlüftermodule, die bislang nur für Verbrennungsmotoren eingesetzt wurden. Jetzt haben wir Anfragen für den Einsatz zur Kühlung der Batterie während des Ladevorgangs«, erzählt die 28-Jährige.

Die adäquaten Lösungen für derartige Anfragen zu finden, zählt in den Aufgabenbereich der Zuliefererindustrie. Bereits heute, erzählt Wirtky, kämen 70 Prozent aller Innovationen innerhalb der Automobilbranche von den Zulieferern.Speziell auf dem Gebiet der Motoren könnte der Trend hin zur Elektromobilität aber auch ein Risiko für einige Zulieferer darstellen, die sich auf die Herstellung von Elementen klassischer Verbrennungsmotoren spezialisiert haben, befürchtet Michael Frommberger, Business Unit Leiter Electromobility bei der Leoni AG, einem in Nürnberg ansässigen Hersteller von Kabeln und Bordnetz-Systemen.

»Schaut man sich ein Elektroauto genauer an, fällt auf, dass der herkömmliche Benzin- oder Dieselmotor durch einen elektrischen Antriebsstrang ersetzt wird. Der Tank verschwindet, das Klimaaggregat sieht anders aus, das ganze Getriebe fällt weg. Alles, was direkt an Verbrennungsvorgangskomponenten gebraucht wurde, verschwindet. Das trifft vor allem die Motorenhersteller.«

Doch obwohl viele der klassischen Bauteile hierdurch massiv an Bedeutung verlieren werden, bieten die Umstrukturierungen der Branche im Zuge des Elektromobilitätstrends auch Chancen für die Zulieferindustrie. Wer rechtzeitig reagiert und sich auf die veränderten Herausforderungen einstellt, hat die Möglichkeit, sich in den neu erschlossenen Sektoren ein Standbein zu schaffen. Studien der Beratungsfirma McKinsey zufolge soll der Markt für Elektromotoren-Bauteile bis zum Jahr 2030 sogar doppelt so groß sein wie der Markt für Komponenten klassischer Verbrennungsmotoren. 

Automobil: IT-Branche in Lauerstellung

Angesichts der Möglichkeiten, die sich im Rahmen der Elektromobilität und vor allem des Trends hin zur Vernetzung des Autos ergeben, steht mittlerweile auch die IT-Branche in Lauerstellung. So sind beispielsweise in Hinblick auf die geringen Reichweiten von Elektroautos, die mangelhaft ausgebauten Ladeinfrastrukturen und die langen Ladevorgänge eine stetige Statusüberwachung sowie Hilfen bei der Suche nach Ladestationen unerlässlich. Nur eine von vielen Aufgaben, an denen Ingenenieure und Informatiker in der Car? ­­IT arbeiten.

»Ich denke, der Bereich der CarIT ist ein Markt, der sich in den nächsten Jahren extrem entwickeln wird«, prognostiziert Kerstin Thinnes, HR Senior Consultant beim IT-Dienstleister NTT Data. »Wir arbeiten schon einige Jahre in diesem Umfeld und ich denke, dass das Ganze eine hohe Dynamik annehmen und sich immer weiter ausbauen wird.«

Besondere Chancen im Zusammenhang mit der CarIT wittert die Informatikbranche außerdem in den Sparten Fahrerassistenz, Telematik und Infotainment.

»Das Fahrzeug wird zukünftig aus Sicht des Internets ein fahrendes Device sein, das ich – wie heute Smartphones – als solches nutzen kann«, sagt Hanno Schellenberg, Experte für CarIT und bei NTT Data Head of i-Mobility.

Zentral ist hierbei der Einzug des Internets ins Auto sowie die Vernetzung nach innen und nach außen. Das Auto der Zukunft soll mit Hilfe von Telematik-Systemen unter anderem in der Lage sein, mit anderen PKW sowie der Umwelt zu kommunizieren. Ziel ist es, dem Fahrer stets die optimale Strecke für seine Reise mitzuteilen, wodurch der Verkehr insgesamt effizienter gestaltet und Staus vermieden werden sollen. Zudem kann die Kommunikation des Fahrzeugs mit seiner Umgebung ein höheres Maß an Sicherheit im Straßenverkehr gewährleisten. Fahrerassistenzsysteme wie Abstandsregler oder Spurhaltehilfen sollen dabei aber erst der Anfang sein. Mit dem zunehmenden Fortschritt auf den relevanten Technologiebereichen der Sensorik und Datenverarbeitung rückt sogar der Traum vom völlig autonomen Fahren in greifbare Nähe.

Alles nur Zukunftsmusik?

Mitnichten, meint Hanno Schellenberg. Dass ein Fahrzeug uns ohne unser Zutun zu unserem Zielort bringt, sei auch in der Praxis mittlerweile möglich, umstritten seien aber vor allem die juristischen Aspekte:

»Die Fragen, die jetzt im Raum stehen, sind: Wie zuverlässig sind diese Lösungen, welcher rechtliche Rahmen gilt hier und wer trägt am Ende die Verantwortung, wenn mein Fahrzeug mich automatisch an der Haustür abholt, in die Arbeit fährt und sich wieder einen Parkplatz sucht?«

Bis diese Fragen geklärt seien, sei das Thema zwar zunächst vom Tisch, ergänzt der 47-Jährige, doch arbeite die Branche sich weiterhin auch in diesen Bereich intensiv ein. Sollte es für die rechtlichen Probleme, die sich aus dem autonomen Fahren ergeben, irgendwann doch die notwendigen Lösungsansätze geben, sehen sich die Autohersteller aber noch mit einem weiteren Problem konfrontiert: Die neue Technologie muss zunächst um gesellschaftliche Akzeptanz ringen. Einer Umfrage zufolge, die die Gesellschaft für Konsumforschung im Auftrag des Online-Automarkts AutoScout24 durchgeführt hat, lehnt die Mehrheit der Deutschen pilotiertes Fahren ab. Lediglich 17 Prozent der Befragten würden die neue Technologie ohne Einschränkungen befürworten. Knapp 30 Prozent möchten zumindest situationsabhängig die Option haben, selbst aktiv ins Verkehrsgeschehen einzugreifen.

Etwa ein Viertel der Befragten steht einem möglichen Autopiloten durchweg skeptisch gegenüber, ein weiteres Viertel möchte schlicht nicht auf den Fahrspaß verzichten. Hanno Schellenberg glaubt dennoch an die Chance, dass sich das autonome Fahren peu à peu durchsetzen könnte: »Mittlerweile hat man auch schon viele kleine Helferlein im Auto, die vor 30 Jahren noch niemand hätte haben wollen, und heute kann man es sich nicht mehr anders vorstellen. Ich denke, das wird so eine ähnliche Evolution sein beim Thema autonomes Fahren.«

Die Bereiche verschwimmen

Solange der Fahrer aber noch selbst für das Steuer seines Wagens verantwortlich ist, steht vor allem die Frage im Raum, wie viel Ablenkung durch technische Neuerungen möglich ist, ohne dass die Unfallgefahr steigt.

»Sicherheit geht immer vor. Die Grenzen verschwimmen jedoch immer mehr. Im Auto zum Handy zu greifen ist verboten, eine neue Adresse ins Navi einzutippen ist noch erlaubt«, fasst Hanno Schellenberg zusammen.

Wie passen angesichts dieser Regelungen aber die neuen Infotainment-Systeme ins Konzept, die dem Fahrer die Möglichkeit geben sollen, auch im Auto noch Apps herunterzuladen und anzuwenden, Google zu nutzen oder E-Mails abzurufen? Sind hier die Ablenkungen vom eigentlichen Verkehrsgeschehen nicht zu groß? Prinzipiell, meint Hanno Schellenberg, könnten die entsprechenden Innovationen aus dem Bereich der Fahrerassistenzsysteme helfen, diese verlorene Sicherheit wieder aufzufangen. Da die entsprechenden Systeme aber noch nicht in allen Fahrzeugen zur Basis? ausstattung gehören und natürlich auch hier wieder rechtliche Aspekte mit hineinspielen, arbeitet die Industrie daran, Internetdienste so fahrerfreundlich und sicher wie möglich ins Auto zu integrieren, beispielsweise über die Möglichkeit einer Sprachsteuerung oder über Bedienelemente am Lenkrad. 

Automobilbranche: Autofahrer sind kritisch

Trotz des Mehr an Komfort, das mit dem Einzug des Internets in das Auto erzielt werden soll, steht das Gros der Autofahrer Infotainment-Systemen generell kritisch gegenüber – in erster Linie auch hier aufgrund von Befürchtungen hinsichtlich der Fahrsicherheit. Eine Umfrage des Nürnberger Marktforschungsunternehmens puls aus dem Jahr 2011 ergab, dass die verschiedenen Infotainment-Anwendungen wie das Abrufen von Mails während der Fahrt oder das Surfen im Internet nur bei etwa 25 bis 30 Prozent der Autokäufer auf Interesse stoßen.


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Wesentlich gefragter sind sicherheitsrelevante Funktionen wie beispielsweise das automatische Absetzen eines Notrufs im Falle eines Unfalls. Zahlen wie diese dürften vor allem Torben Olbrich interessieren. Der 27-Jährige arbeitet bei NTT Data als Consultant im Bereich Manufacturing. Zu seinen Aufgaben gehört unter anderem zu berechnen, ob es sich lohnt, verschiedene Infotainment-Systeme zu verbauen und inwiefern potenzielle Kunden bereit sind, dafür zu zahlen. Olbrich selbst bricht jedenfalls eine Lanze für Infotainment im Auto:

»Wenn solche Systeme verbaut sind, macht das die Fahrzeuge noch viel aufregender. Man kann so viel mehr damit machen als noch vor 20 Jahren.«

Die Integration von Infotainment-Systemen ins Auto bleibt allerdings nicht ohne Auswirkungen auf die konzeptionelle Gestaltung des Fahrzeuginnenraums. Über kurz oder lang könnten beispielsweise Tasten, Schalter und Anzeigen im Auto ersetzt werden durch einklickbare Tablet-PCs oder Smartphones – in letzter Instanz könnte so möglicherweise sogar das Lenkrad verschwinden und der Pkw rein über die Neigungssensorik eines Bedienpanels gesteuert werden.

»Für den Endkunden wird sich der Innenraum des Fahrzeugs massiv verändern«, meint Michael Frommberger. Auch diese Veränderung reiht sich letztlich jedoch nahtlos in die Zukunftsagenda der Automobilbranche ein. Und so utopisch deren einzelne Bestandteile auch vor einigen Jahren noch geklungen hätten – sei es die Vernetzung von Fahrzeugen, Elektromobilität oder schlussendlich sogar doch die Möglichkeit, ohne eigenes Zutun vom Auto von A nach B transportiert zu werden – all diese Dinge sind auf dem besten Weg, Realität zu werden. 

Um den Herausforderungen, die mit diesen Veränderungen einhergehen, gerecht zu werden, den Fortschritt weiter voranzutreiben und die Kinderkrankheiten der neuen Technologien auszumerzen, bedarf es jedoch interdisziplinärer Zusammenarbeit und insbesondere der intensiven Verzahnung von Ingenieur-Know-how und IT-Fachwissen. Entsprechend begehrt sind bei den Automobilherstellern, der Zulieferer-Branche sowie den IT-Unternehmen Absolventen der jeweiligen Studiengänge. Absolventen wie Florian Birnthaler, der an der TU München Informatik und Elektrotechnik studierte und seit 2011 bei BMW als Softwareentwickler beschäftigt ist. In dieser Funktion feilt der 28-Jährige an Problemlösungen im Zusammenhang mit der Aufladung von Elektroautos und möglichen Netzüberlastungen. Um bei derartigen Projekten erfolgreich zu sein, bestätigt Birnthaler, sei die Zusammenarbeit verschiedenster Fachbereiche notwendig: »Gerade bei unserem Projekt zum gesteuerten Laden sind viele verschiedene Abteilungen beteiligt. Wirtschaftswissenschaftler, Informatikabteilungen, Maschinenbauer, Elektrotechniker – alle sitzen miteinander an diesem Projekt und arbeiten zusammen.« 

Eine bedeutende Rolle spielen dabei vor allem Letztere: Die zunehmende Fokussierung auf die Thematik der Elektromobilität sorge dafür, dass Elektrotechnik-Ingenieure auf dem Arbeitsmarkt derzeit besonders gesucht und gefragt sind, berichtet Autoexperte Dudenhöffer. Leider, ergänzt er, sei der Fachkräftemangel im Bereich der Ingenieure nach wie vor erheblich. »Ingenieure haben um den Faktor drei bis vier bessere Chancen in der Automobilindustrie unterzukommen als Ökonomen.« 

Automobilbranche: Fachkräftemangel spürbar

Recruiting-Spezialistin Katrin Schröder vom Münchener Automobilkonzern BMW bestätigt das Problem des Fachkräftemangels. BMW beschäftige grundsätzlich auf allen Gebieten Ingenieure, aufgrund der neu aufkommenden und sich rasch verändernden Technologien in den Bereichen Antrieb, Fahrerassistenz und Karosserie-Leichtbau würden Fachkräfte aber aktuell besonders im Sektor Forschung und Entwicklung gesucht. »Für uns ist es schwer, die richtigen Qualifikationen zu finden, gerade im Bereich der Professionals, also der Berufserfahrenen, weil es die ganzen neuen Technologien noch nicht lange gibt. Da ist es schwierig, Leute zu finden, die schon die notwendige Erfahrung mitbringen«, so die 41-Jährige.

»Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, entwickeln wir gezielte Marketing-Maßnahmen. Zudem weiten wir unser Recruiting auf die internationalen Märkte aus.«

Insgesamt wird der Bedarf der Industrie an qualifizierten Ingenieuren jedenfalls nicht zurückgehen, auch nicht in den Bereichen, in denen aufgrund der Neuerungen ein Rückgang zu befürchten wäre, bekräftigt Jochen Frey: »Langfristig wird es natürlich eine kleine Verschiebung geben. Nicht unbedingt was die Fachrichtungen unserer Ingenieure anbelangt, aber was die Kompetenzen betrifft. Aber die werden natürlich auch im Laufe des Berufslebens erweitert. Man kann immer dazulernen. Es ist definitiv nicht so, dass wir Maschinenbauer für Verbrennungsmotoren irgendwann entlassen werden, weil wir nur noch Elektrotechniker brauchen«. Ferdinand Dudenhöffer bestätigt dies: »Es ist ja nicht so, dass jemand beispielsweise nur Getriebe eines bestimmten Typs entwickelt, sondern dass man sein Know-how mit der Weiterentwicklung der Produkte vergrößert. Es gibt keinen Bereich, in dem man sagen könnte, da braucht man die Ingenieure morgen nicht mehr.«

Eher, ergänzt der Autoexperte, sei sogar das Gegenteil der Fall: »Man kann festhalten, dass es nichts an Ingenieursthemen gibt, das nicht für die Autobauer interessant ist.« Selbiges gilt auch für die Zulieferer, die ebenfalls den Fachkräftemangel im Bereich der Ingenieure zu spüren bekommen. »Es war noch nie leicht, gute Mitarbeiter zu finden. Weder jetzt, noch vor 20 Jahren. Im Moment haben wir einfach eine Phase, in der die Wirtschaft gut ausgelastet ist, da werden die Kapazitäten immer knapper. Zur Zeit ist es nicht einfach«, meint Michael Brych, Personalleiter in der Division Wiring Systems beim Kabelproduzenten Leoni. Leoni sei gleichermaßen auf der Suche nach Ingenieuren aus den Bereichen Mechatronik-, Fahrzeug- und Elektrotechnik sowie Wirtschaftsingenieurwesen – und das werde sich in absehbarer Zeit auch nicht ändern, trotz der Umstrukturierungen, die auch auf die Zulieferindustrie zukommen. »Ich würde sagen, dass es in allen Fachbereichen in Zukunft eher noch höheren Bedarf auf Unternehmensseite geben wird«, meint der 41-Jährige. Besonders gute Chancen hätten dabei Bewerber, die im Vorfeld im Rahmen eines Praktikums bereits berufliche Erfahrungen sammeln konnten und das nötige Maß an Teamfähigkeit mitbringen, ergänzt Florian Müller, der in Mannheim sein Studium der Elektrotechnik absolviert hat und seit 2012 als Bordnetzentwickler bei Leoni beschäftigt ist.

Elektro- und Hybridautos als Jobmotoren

Wer sich für eine berufliche Laufbahn bei einem der Automobilzulieferer entscheide, führt der 26-Jährige weiter aus, den erwarte ein dynamisches Umfeld, das täglich neue Herausforderungen biete, vor allem in Bereichen, die mit Elektro- oder Hybridautos zusammenhängen. Wie die Zukunft am Ende dann aussehen wird, welche der neuen Innovationen und Technologien langfristig bestehen können und welche auf Dauer wieder in der Versenkung verschwinden werden, kann noch keiner sagen, doch ein bekanntes Zitat lautet: »Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu gestalten.« Qualifizierten Ingenieuren und Informatikern bietet sich diese Chance derzeit in der Autobranche, wo die Zukunft der Mobilität bereits im Entstehen begriffen ist. »Alles, was wir bisher gesagt haben, spielt sich schon im Jetzt ab«, sagt Ferdinand Dudenhöffer. »Die Intensität verändert sich. Die Problemstruktur entwickelt sich weiter.« Wer sich den Herausforderungen dieses Wandels stellen möchte, hat die Möglichkeit, an der Revolutionierung unserer Fahr- und Mobilitätsgewohnheiten mitzuwirken – und das Automobil vielleicht noch einmal neu zu erfinden.