Mann im Anzug, nur Oberkörper
Ansgar Hinz, Vorstandsvorsitzender des Verband der Elektrotechnik Elektronik und Informationstechnik, VDE privat

Die Zukunft der Elektrotechnik: Vorstandsvorsitzender des Verband der Elektrotechnik Elektronik und Informationstechnik Ansgar Hinz im Gespräch

Was in der Elektrotechnikbrache gerade passiert und worauf sich zukünftige E-Technik-ingenieure einstellen können, erklärt Ansgar Hinz, Vorstandsvorsitzender des VDE

Herr Hinz, wie geht es der deutschen Elektrotechnikbranche?

Ausgezeichnet. Der Elektro- und IT-Anteil wächst an der Wertschöpfung in fast allen Branchen und die Elektroindustrie hat einen großen Anteil daran, dass Deutschland 2016 wieder Exportweltmeister geworden ist. Die Ausfuhren der Elektrobranche haben zwischen Januar und November 2016 gegenüber dem Vorjahr um vier Prozent auf 166,5 Milliarden Euro zugelegt. Das ist ein Siebtel aller deutschen Ausfuhren. 2017 könnte sogar der Branchenumsatz-Rekord von 182 Milliarden Euro aus dem Jahr 2008 geknackt werden. Der einzige Unsicherheitsfaktor ist zurzeit, ob die internationale Handelspolitik künftig stärker in Richtung Protektionismus oder Freihandel tendiert.

Welche Trendthemen bewegen die Branche aktuell?

Alle. Ingenieure der Elektro- und Informationstechnik sind längst die Trendsetter, nicht nur der deutschen Wirtschaft. Sie treiben den digitalen Wandel voran und damit auch die Trendthemen der Zukunft: Energiewende, Elektromobilität und autonomes Fahren, Industrie 4.0, E-Health, Smart Living und viele andere mehr.

Das klingt so, als müsste man sich als E-Techniker vorerst keine Sorgen machen?

Unsere Welt wird immer vernetzter, elektrischer und digitaler. Damit steigt auch die Nachfrage nach Ingenieuren der Elektro- und Informationstechnik. 92 Prozent unserer 1.300 Mitgliedsunternehmen und Hochschulen sind von den exzellenten Karriereperspektiven von Elektroingenieuren überzeugt. Etwa die Hälfte der Unternehmen rechnet damit, dass sie in den nächsten Jahren offene Stellen für Elektroingenieure und IT-Experten nicht besetzen können. Die VDE-Arbeitsmarktstudie 2016 bestätigt dieses Stimmungsbild. Unsere Experten haben ausgerechnet, dass in den nächsten zehn Jahren in Deutschland rund 100.000 Ingenieure der Elektro- und Informationstechnik mehr benötigt werden, als hierzulande ausgebildet werden. Wenn die Anzahl der Studienanfänger nicht gravierend steigt, hilft nur noch das Werben um Elektroingenieure aus dem Ausland.

Wo und wie können diese Nachwuchskräfte künftig einsteigen?

Elektroingenieuren steht die ganze Welt offen. Hier spreche ich aus persönlicher Erfahrung. Neben der Elektrobranche suchen der Maschinen- und Automobilbau, die Luft- und Raumfahrtbranche sowie die Chemiebranche. Auch Unternehmensberatungen, die zunehmend die digitale Welt für sich entdecken, konkurrieren um Absolventen der Elektro- und Informationstechnik. Wir haben unsere 6.000 Young Professionals im VDE gefragt, wie viele Bewerbungen sie versenden mussten, bis sie den ersten Vertrag in der Tasche hatten: Die Hälfte der Hochschulabsolventen verschickte bis zum Berufsstart weniger als fünf Bewerbungen und hatte spätestens nach drei Vorstellungsgesprächen den ersten Arbeitsvertrag in der Tasche. Unsere Mitgliedsunternehmen suchen aktuell insbesondere für die Bereiche Forschung und Entwicklung, Planung, Projektierung, Engineering und IT und Software. Aber auch in den Bereichen Produktion, Data Science und Analytics, Beratung und Dienstleistung, Marketing und Vertrieb sowie Qualitätsmanagement. Und nicht zu vergessen: Auch an Hochschulen fehlt es an wissenschaftlichem Nachwuchs.

Im Zeitgeist des Wandels: Welche Qualifikationen bringt der ideale Elektrotechnikingenieur heute mit?

Absolut notwendig ist die Fachkompetenz, das heißt: fundierte Kenntnisse der Elektrotechnik und die Fähigkeit, Hochschulwissen auf praktische Aufgabenstellungen zu übertragen und sich die fehlenden Kenntnisse selbstständig oder durch Weiterbildung zu erarbeiten. Befragt man Unternehmen allgemeiner nach ihren Wunschvorstellungen für Ingenieure, dann steht die Persönlichkeit der Kandidaten ganz oben auf der Liste.

Zu welchem Bildungsabschluss raten Sie Studierenden?

Die Frage ist nicht pauschal zu beantworten. Es gibt Positionen, beispielsweise in der Produktion oder im Vertrieb, in der ein Bachelor ausreichend ist. Bei anderen Positionen wird ein Masterabschluss vorausgesetzt. Das gilt gerade in der Forschung und Entwicklung, wo ein hohes theoretisches Wissen erwartet wird. Grundsätzlich ist es nicht falsch, ein Masterstudium zu absolvieren, es garantiert aber keine Karriere! Die Sporen müssen sich Ingenieure in der beruflichen Praxis verdienen.

Und wie sieht es in Sachen Promotion aus?

Die Promotion ist der Nachweis, dass die Person auf hohem Niveau wissenschaftlich arbeiten kann und dass sie über ausgeprägte Abstraktions- und Analysefähigkeiten verfügt. Dies sind exzellente Voraussetzungen für eine akademische Laufbahn oder eine sehr anspruchsvolle Tätigkeit in der Wirtschaft. So sieht die Mehrheit der frisch gebackenen Dr.-Ing. die Promotion als Sprungbrett für eine erfolgreiche Karriere in einem Unternehmen. Gegen eine Promotion spricht, dass sie zunächst einmal Zeit und Geld kostet und für die individuelle Karriere vielleicht gar nicht notwendig ist – wenn zum Beispiel die angestrebte Stelle einen starken Praxisbezug hat, wie etwa in den Bereichen Marketing, Vertrieb oder Fertigung.

Ihr Rat an die E-Ingenieure der Zukunft:

Von Vorteil sind sicherlich aussagekräftige praktische Erfahrungen wie Praktika, Werkstudententätigkeit oder die Abschlussarbeit im Unternehmen. Für viele ergibt sich daraus ein Arbeitsvertrag noch vor der letzten Prüfung. Was den größten nicht-fachlichen Wunsch von Unternehmen betrifft: Ein Mitarbeiter, der zeigt, dass er über den Tellerrand schauen kann. Unternehmen registrieren beispielsweise sehr positiv, wenn ein Absolvent während des Studiums ein Auslandssemester oder ein Auslandspraktikum absolviert hat. Auch, ob er sich neben dem Studium, beispielsweise beim VDE, ehrenamtlich engagiert und vernetzt hat. Das alles sind Pluspunkte, die ein Absolvent während des Studiums sammeln kann und die ihm das gewisse Etwas geben.


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