Status Quo
Der Stromnetzausbau in Deutschland stellt für alle Beteiligten ein Mammutprojekt dar und bedingt viel Abstimmung. Denn am Ende muss die Bundesnetzagentur Wege für die Leitungen genehmigen, die möglichst wenig Einwirkungen auf Mensch und Umwelt mit sich bringen.
»Für die Genehmigungsverfahren stehen die Raum- und Umweltverträglichkeit im Mittelpunkt. Hierbei sind zum Beispiel Siedlungsbereiche, Schutzgebiete und Ziele der Raumordnung der einzelnen Länder zu beachten«,
betont Olaf Peter Eul, Pressesprecher für die Bereiche Energie, Netzausbau und Post bei der Bundesnetzagentur.
Aber auch juristische Aspekte wie die Abstände von elektrischen und magnetischen Feldern zu Wohnbereichen seien sicherzustellen und der Einfluss auf Landschaft und Boden zu bewerten. Zudem spiele der Artenschutz eine zentrale Rolle.
Es gibt noch viel zu tun
Für die Bedarfsermittlung sind außerdem aufwendige elektrotechnische und strategische Umweltprüfungen zu den Vorschlägen der Übertragungsnetzbetreiber notwendig. Diese Maßnahmen sind zeitaufwendig und werden Deutschland weiterhin auf Trapp halten:
»Im Übertragungsnetz Deutschlands sind insgesamt etwa 7.700 Kilometer als vorrangig angesehene Hochspannungsleitungen neu zu bauen beziehungsweise zu verstärken. Davon sind bislang etwa 850 Kilometer realisiert. Wir stehen als Bundesnetzagentur jetzt am Anfang der Genehmigungsverfahren vieler wichtiger Vorhaben, darunter auch der großen Nord-Süd-Gleichstromverbindungen. Sie sind zum Gelingen der Energiewende unverzichtbar«,
erklärt Eul.
To Do
Für die Umsetzung des erforderlichen Netzausbaus sind Spezialisten vieler verschiedener Fachrichtungen von Ingenieuren über Juristen bis hin zu Landschaftsplanern und Betriebswirten notwendig. Netzbetreiber wie TransnetBW oder Amprion suchen beispielsweise Absolventen der Elektrotechnik mit den Schwerpunkten Hoch- und Höchstspannungstechnik oder Gebäudeausstattungen, Bau-, Umwelt, Vermessungs- und Nachrichtentechnik.
Was Ingenieure mitbringen sollten
»Ingenieure sind beispielsweise bei der Prüfung des energiewirtschaftlichen Bedarfs unverzichtbar«,
betont Olaf Peter Eul, Pressesprecher der Bundesnetzangentur.
Weitere Aufgaben können zum Beispiel die Netzplanung oder Netzberechnung sein. Yvonne Surmann, Ingenieurin Netzberechnung, hat bei Amprion beides schon gemacht. Allen Interessierten für diese Tätigkeit rät sie, Spaß an der Programmierung mitzubringen.
»Außerdem sollten sie kreativ in der Problemlösung sein sowie strukturiert und selbstständig arbeiten können. Zudem kann Geduld nicht schaden, da insbesondere Entscheidungen und Umsetzungen auf europäischer Ebene lange dauern können«,
fügt die Ingenieurin hinzu.
Norman Weber, Projektleiter bei TransnetBW, betont außerdem Flexibilität, Einfallsreichtum und Teamarbeit als wichtige Aspekte.
Inside
»Der Bereich, in dem ich arbeite ist unter anderem dafür zuständig, dass die Systeme zur (Echtzeit-)Überwachung des Übertragungsnetzes funktionieren. Außerdem kümmern wir uns um die Softwaretools, die für Netzanalysen benutzt werden. Im Zusammenhang mit der Energiewende, der sich ändernden Belastung des Stromnetzes sowie dem dadurch notwendigen, immer enger werdenden Austausch mit unseren Nachbarländern müssen die Systeme kontinuierlich angepasst und erweitert werden. Zum Beispiel wurde vor einiger Zeit auf europäischer Ebene ein neuer Standard zum Austausch von Netzdaten beschlossen. Um die Daten in diesem neuen Format verarbeiten zu können, müssen unsere Netzberechnungsprogramme angepasst werden. An diesen Anpassungen bin ich beteiligt.«
Yvonne Surmann, Ingenieurin Netzberechnung im Betrieb Leitsysteme und Netzanalysefunktionen bei Amprion
»Ich steuere die Planung und operative Umsetzung aller Baumaßnahmen. Zudem koordiniere ich vom ersten Spatenstich bis zum Projektabschluss sämtliche Arbeiten für den Leitungsbau, den Bau der Umrichterstation sowie die zugehörige 380-kV-Schaltanlage. Dazu zählen Machbarkeitsuntersuchungen für mögliche Konverterstandorte, die Beauftragung von Umweltgutachten, Kostenschätzungen, Personalplanung und die Koordination der internen und externen Mitarbeiter. Im Rahmen der Bauabwicklung bin ich zusätzlich mit Themen wie Arbeits- und Umweltschutz, termin- und kostengerechter Abwicklung sowie Qualitätssicherung und Abnahme befasst.«
Norman Weber, Teilprojektleiter Design & Bau für das Gleichstromprojekt Ultranet bei TransnetBW
Herausforderungen
Die eigentliche Herausforderung bestehe darin, den Windstrom aus dem Norden in den verbrauchsstarken Süden Deutschlands zu transportieren, so Olaf Peter Eul, Pressesprecher der Bundesnetzagentur. Dies geschieht mit der Gleichstromtechnik, die einen verlustarmen Transport großer Mengen Strom über weite Strecken ermöglicht.
»Für die beiden großen Vorhaben SuedLink und SuedOstLink haben wir die Genehmigungsverfahren mit einer umfassenden Öffentlichkeitsbeteiligung entlang der vorgeschlagenen Wege der Übertragungsnetzbetreiber gestartet«,
sagt Eul.
Solch große Infrastrukturprojekte gehen nur in Einklang mit der Öffentlichkeit. Manchmal sei es anspruchsvoll, die Akzeptanz hierfür in der Gesellschaft zu schaffen. Ziel ist es aber immer, eine Netzbaumaßnahme so verträglich wie möglich für Mensch und Umwelt zu realisieren. Daher geht etwa TransnetBW schon frühzeitig – schon vor den offiziellen Genehmigungsverfahren – auf die Menschen zu und führt einen intensiven Dialog. Hierbei sei es besonders wichtig, technisch komplexe Themen allgemeinverständlich darzustellen, so Weber. Wenn es nicht gelingt, die Bürger mitzunehmen und in Folge langwierige Blockaden entstehen, wird es für alle Stromkunden teuer, da kostenintensive Ersatzmaßnahmen ergriffen werden müssten, um den Betrieb des Übertragungsnetzes zu gewährleisten, erklärt Yvonne Surmann von Amprion.
Die Dauer der Projekte als Herausforderung
Die zweite große Herausforderung sei die Dauer der Projekte von der Vorplanung bis hin zur Realisierung, so Norman Weber von Transnet BW.
»Je länger sich ein Projekt in der Umsetzung befindet, umso mehr Maßnahmen müssen unsere Kollegen in der Netzsteuerung entwickeln, um den fehlenden Ausbau zu kompensieren«,
fügt der Ingenieur hinzu.
»Das bedeutet, die beteiligten Mitarbeiter tun alles dafür, ein Netzprojekt gründlich, detailliert und qualitativ hochwertig zu planen, sodass es zügig umgesetzt werden kann. Denn zunächst müssen die Genehmigungsbehörden vom Vorgehen überzeugt werden«,
erklärt Weber.
Hierbei sei vor allem fachliche Expertise, Verhandlungsfähigkeit und diplomatisches Geschick gefragt.
»Generell gilt immer, für die vielen verschiedenen Interessen von Mensch, Natur und Umwelt die verträglichste Lösung zu entwickeln und für die Genehmigungsverfahren nachvollziehbar darzustellen«,
fasst Weber zusammen.
Skill-Check
Solarenergie
Die Solarenergiebranche kann zwar nicht mehr denselben Zuwachs vermelden wie noch vor einigen Jahren, wird aber fester Bestandteil der regenerativen Energieversorgung bleiben. Innovative Köpfe sind gefragt: Zum Beispiel um das Thema Organisches Photovoltaik weiter voranzutreiben. Dies sei die Solartechnologie der Zukunft – die Module sind leicht, biegsam, transparent und leistungsstark. Wichtig sind hierfür Kenntnisse in der Verbindungstechnik und im Anlagenbau sowie keine Scheu vor interdisziplinärer Zusammenarbeit zu haben.
Wasserkraft
Für die Entwicklung von Maschinenkonzepten und Instandhaltungsstrategien sowie die Budgetierung der nötigen Maßnahmen werden ein Abschluss in Maschinenbau oder Elektrotechnik sowie Kenntnisse in der Steuerungs- und Turbinentechnik gern gesehen. Bei klassischen Wasserkraftwerken ist die Technologie bereits sehr ausgereift, mehr Pioniergeist ist bei Gezeiten- und Wellenkraftwerken gefragt, die die Energie des Meeres nutzen. Besondere Herausforderungen sind hierbei die hohen Investitionskosten und Verschleißerscheinungen an den Bauteilen durch aggressives Salzwasser.
Fossile Brennstoffe
Gas- und Kohlekraftwerke werden zwar durch die Energiewende immer mehr in den Hintergrund geraten, ganz auf sie verzichten können wir jedoch in den nächsten Jahren nicht. Arbeitsplätze wird es besonders in Entwicklung und Instandhaltung von Kraftwerken geben. Gesucht werden Maschinenbauer, Verfahrens- und Umwelttechniker mit Freude an komplexen technischen Projekten.
Kernenergie
Von Strahlungsmesstechniker über Projektingenieure für die Rückbauplanung und Endlagerung bis hin zu Verfahrenstechnikern – der Kernkraftsektor ist weiterhin massiv auf der Suche nach Nachwuchskräften. Allen Anforderungsprofilen gemeinsam ist eine gewisse Belastbarkeit und Verantwortungsbewusstsein.
Bioenergie
Versorgungs- oder Umwelttechniker sind gefragt, gerne auch mit praktischer Erfahrung in Landwirtschaft und Ackerbau, schließlich geht es bei der Biomasse etwa um Altholz, Grünschnitt, Ernterückstände oder tierische Exkremente. Außerdem kann erste Erfahrung in der technischen Anlagenplanung von Vorteil sein. Gewünschte Soft Skills: service- und problemlösungsorientiertes Denken und Handeln.