Wenn sich der Joghurtbecher sanft öffnen lässt, die Kekse in der Packung knusprig frisch bleiben, der Schokoriegel perfekt in den Karton passt und das vegetarische Schnitzel richtig lecker aussieht, dann haben Ingenieure einen guten Job gemacht. Die Lebensmittelindustrie ist der drittgrößte Industriezweig in Deutschland, hier arbeiten rund 570.000 Menschen daran, dass ganz Deutschland satt wird und köstliche Waren in den Supermarktregalen stehen. Eine spannende Branche für Ingenieure.
Den Joghurt mit der Ecke weiterentwickeln
Eine davon ist Felicia Hammann, seit September 2015 Trainee für die Verpackungsentwicklung bei der Unternehmensgruppe Theo Müller. Dank ihr und ihrem Team bekommt der Joghurt mit der Ecke ein Holzbecher-Design verpasst oder landen neue Becherdeckel mit integriertem Löffel im Kühlregal. »Der On-the-Go-Trend ist riesig«, erklärt die studierte Lebensmitteltechnologin, die sich schon im Studium auf Verpackungen spezialisiert hat. »Ich darf im Innovationsteam an Neuentwicklungen von Verpackungen mitarbeiten. Gemeinsam mit den Kollegen aus dem Marketing schauen wir dann, was der Kunde gerne hätte und wie wir das umsetzen können.« Mehrmals täglich schaut sie in den Produktionshallen vorbei, wo die Milchprodukte verarbeitet werden, prüft das Aufreißverhalten der Becher, ob die Anlagen laufen, wo es noch hakt.
Einstieg klappt auch ohne Studium der Lebensmitteltechnolgie
Man muss nicht Lebensmitteltechnologie studiert haben, um in der Lebensmittelbranche als Ingenieur zu arbeiten. Bei der Müllergroup arbeiten auch Wirtschaftsingenieure, Biotechnologen, Lebensmittelwissenschaftler oder Absolventen der Life Science Technology. Bei Mars Chocolate Deutschland werden Ingenieure beispielsweise in der Produktion, der technischen Instandhaltung sowie als Projektingenieure eingesetzt, um Schokoriegel wie Snickers und Twix zu produzieren. Wer sich gut anstellt, kann Produktions- oder Fabrikleiter werden oder in einem ganz anderen Bereich landen, etwa im Vertrieb oder der Personalabteilung.
Vielfältige Perspektiven in der Lebensmittelindustrie
»Die Perspektiven für Ingenieure in der Lebensmittelindustrie sind wirklich vielfältig«, bestätigt auch Dr.-Ing. Regina Schreiber, Professorin an der Fakultät Maschinenbau für Lebensmittel- und Verpackungstechnologie an der Hochschule in Kempten. Vor allem in Forschung und Entwicklung sind Ingenieure gefragt, erklärt sie, aber auch in der Herstellung, im Anlagenbau oder im Einkauf. »Vom Geschmack, über Ingredienzien, den Herstellungsprozess bis zur Verpackung gestalten wir Ingenieure die gesamte Wertschöpfungskette mit«, so Schreiber.
Ein Produkt, viele Schnittstellen
Das macht auch Hannes Timmermann, er ist Produktentwickler beim Wursthersteller Rügenwalder Mühle in der Abteilung Forschung und Entwicklung.
»Unsere Aufgabe ist es, Rezepturen und Herstellungsprozesse für neue Produkte zu entwickeln. Es geht darum, die geeigneten Zutaten zu finden, die die gewünschten Eigenschaften haben und um deren Verarbeitung«,
erklärt er. Dazu wird der Herstellungsprozess zuvor in einer Kleinversion durchgespielt, um zu testen, ob die Produktion auch im großen Maßstab funktioniert, etwa wenn eine neue vegetarische Wurst in Produktion gehen soll. Bei der Entwicklung neuer Produkte gibt es viele Schnittstellen mit anderen Abteilungen: »Bei der Suche nach geeigneten Zutaten tauscht man sich mit dem Einkauf aus, der neue Rohstoffe beschafft, aber auch mit dem Qualitätsmanagement. Denn wir möchten ja nicht nur leckere, sondern auch sichere Produkte herstellen und es gibt lebensmittelrechtliche Vorschriften zu beachten«, erläutert Timmermann. »Ich bin sozusagen von Anfang bis Ende für ein Produkt verantwortlich. Und wenn ich dann ›mein‹ Produkt im Supermarkt im Regal sehe – das ist einfach ein unglaublich tolles Gefühl.«
Für neue Technologien braucht es gut ausgebildete Ingenieure
Bevor es aber soweit ist, sind die Ingenieure gefragt. Sie müssen Maschinen zum Laufen bringen, Abläufe optimieren und viel produzieren, bei möglichst geringen Kosten und wenig Ausschussware. »Die Unternehmen müssen und wollen nachhaltiger, energiesparender und umweltverträglicher produzieren«, erklärt Ulrich Kulozik, Professor am Lehrstuhl für Lebensmittelverfahrenstechnik und Molkereitechnologie der TU München. »Molke aus der Käseherstellung oder das Fruchtwasser aus der Kartoffelstärkegewinnung werden heute mit neuen Technologien ebenfalls genutzt. Außerdem sind alle landwirtschaftlichen Produkte leicht verderblich, da braucht es immer neue Methoden, wie die Ultrahochdrucktechnologie oder pulsierende elektrische Felder, um sie länger haltbar zu machen. Für solche Innovationen braucht es gut ausgebildete Ingenieure«, erklärt Kulozik.
Sicher, lange haltbar und lecker soll es sein
Eine der großen Herausforderungen für Ingenieure: Hygienic Design, also die reinigungsgerechte Gestaltung von Bauteilen und Produktionsanlagen, die Lebensmittel sicher produzieren. Gleichzeitig sollen Joghurt, Wurst und Co. zwar möglichst lange haltbar sein, aber nicht an Geschmack, Nährstoffen oder Farbe verlieren. Dafür tüfteln Ingenieure an entsprechenden Herstellungsverfahren, prüfen Rohstoffe und Temperatureinstellungen, von der Verarbeitung bis zum fertigen Produkt.
Spannende Aufgaben für Lebensmittelingenieure
Die Lebensmittelbranche ist eine High-Tech-Industrie. Aber der Verbraucher will natürliche, leckere Lebensmittel, die nett verpackt, möglichst lange haltbar und für wenig Geld zu haben sind. Gleichzeitig wächst der Markt von Convenience Food und der Online-Handel mit Lebensmitteln. Hier entstehen neue Felder für Ingenieure, wenn es darum geht, verderbliche Ware möglichst schnell an den Kunden auszuliefern. Unternehmen, wie Gebäckhersteller Bahlsen, suchen daher vor allem Bewerber mit Eigeninitiative und Veränderungsbereitschaft. »Dafür bekommen die Mitarbeiter spannende Aufgaben, viele Gestaltungsfreiräume, flache Hierarchien und kurze Abstimmungswege«, erklärt Bahlsen-Personaldirektor Arthur Starnofsky.
Lust am Genuss
Für Felicia Hammann geht das Traineeprogramm bei der Unternehmensgruppe Müller dieses Jahr zu Ende. »Ich würde die Branche jedem empfehlen«, sagt sie, »ein Ingenieur-Studiengang gibt einem eine schöne Grundlage, auf der man dann je nach Einsatzbereich prima aufbauen kann«. Und ja, ergänzt sie, ein wenig Lust am Essen und am Genuss sollten Einstieger auch mitbringen.