Kosmetik ist was für Mädchen, Babynahrung für Mütter und Waschmittel für Hausfrauen. Autos und Raketen dagegen lassen Ingenieursherzen höher schlagen. Maren Blankenstein hat nach ihrem Wirtschaftsingenieurstudium ebenfalls zunächst an eine Karriere in der Automobilbranche oder der Luft- und Raumfahrt gedacht – wie so viele andere Ingenieurabsolventen auch. Dann trat jedoch der Konsumgüterkonzern Procter & Gamble (P&G) auf die Bildfläche und überzeugte die Absolventin. »Ich wollte gerne Produktionsprozesse verbessern und langfristig eine Produktion leiten. Jetzt ist es Waschmittel und keine Autos – mindestens genauso herausfordernd und spannend«, sagt Blankenstein.
Ziel: Prozesse optimieren
Als Prozessingenieurin bildet sie gemeinsam mit dem Abteilungsleiter und dem Schichtleiter das Führungsteam der Abteilung ›Agglomerate‹. Dort werden Bestandteile von Waschmitteln produziert, wie etwa Parfum-Mikro-Kapseln für ein Premiumwaschmittel. Das Augenmerk der 28-Jährigen liegt vor allem darauf, Prozesse zu verbessern und Abweichungen im Produktionsprozess zu beheben. Dabei kann es sich um technische Probleme handeln, aber auch um die Anpassung von Abläufen, Sicherheits- oder Qualitätsthemen. »Für diese Aufgabe arbeite ich nicht nur eng mit den Schichtmitarbeitern und Technikern in unserer Abteilung zusammen, sondern auch mit anderen Funktionsbereichen wie Qualität, Sicherheit und Logistik«, erklärt Blankenstein. Die allerwichtigste Voraussetzung ist hierbei ein gutes Fingerspitzengefühl für die Kollegen und Mitarbeiter sowie ein gutes Verständnis für deren Bedürfnisse und Anforderungen. Dazu gehört auch eine klare Kommunikation sowie die Fähigkeit, Feedback zu geben und anzunehmen. »Die sehr offene Kultur und die flachen Hierarchien bei P&G bedingen auch eine sehr offene Feedback-Kultur – das ist nicht für alle immer leicht«, sagt Blankenstein.
Dynamik der Konsumgüterindustrie
Die enge Zusammenarbeit in internationalen Teams und über Funktionsgrenzen hinweg bringt zudem eine gewisse Dynamik in die Projekte. »Hier gilt es, immer agil zu bleiben und zu erkennen, welche der Impulse und tollen Ideen ein Projekt vielleicht entscheidend voranbringen können«, ergänzt die Prozessingenieurin. Dabei müsse sie immer wieder überlegen, was machbar ist, um eine Fragestellung möglichst effizient zu lösen – nicht nur, was ideal wäre – und dementsprechend entscheiden. Eine gewisse Entscheidungsfreude muss auch Hannes Bessinger für seinen Beruf mitbringen. Der Projektingenieur in der Produktion von L´Oréal muss häufig schnell auf Veränderungen in der dynamischen Kosmetikbranche reagieren. Das ist manchmal sehr herausfordernd, macht aber auch den Reiz der Tätigkeit aus. Die Konsumgüterbranche ist von vielen Faktoren abhängig: So haben nicht nur das Kaufverhalten der Konsumenten, sondern auch der technische Fortschritt, soziodemografische Verschiebungen und gesetzliche Anforderungen Einfluss auf den Markt. Außerdem stehen die Hersteller untereinander stark im Wettbewerb und somit steigt der Kostendruck. Um Kosten zu senken, steht für die Konsumgüterhersteller regelmäßig die gesamte Wertschöpfungskette auf dem Prüfstand. Schwerpunkte sind dabei Prozesse in Vertrieb, Controlling oder Produktion und die Bereiche Einkauf, Qualitäts- und Projektmanagement. Maren Blankenstein kümmert sich bei Procter & Gamble beispielsweise auch noch um die sogenannte Rüstzeitoptimierung: »Wenn wir in der Produktion von einem Produkt auf das andere wechseln, brauchen wir immer eine bestimmte Zeit, die Maschinen umzustellen. Meine Aufgabe ist es, durch Optimierung der Abläufe, der Werkzeuge und der Ressourcen, die Rüstzeit zu halbieren – das mag viel klingen, aber hochgesteckte Ziele motivieren mich ungemein«, erklärt die Wirtschaftsingenieurin.
Verantwortungsvolle Aufgaben
Auch Bessinger von L´Oréal kümmert sich um die kontinuierliche Optimierung der bestehenden Anlagen. Denn seine Arbeit hat direkten Einfluss auf die Produktion, das heißt, durch eine Fehlfunktion kann es zum Produktionsstopp kommen, was bedeutet, dass Kunden nicht fristgerecht beliefert werden. Große Verantwortung, die er dabei trägt – daran müsse man sich erst einmal gewöhnen. Im Zuge der Optimierung geht es aber auch um die Erreichung der internen Umweltziele: »Beispielsweise haben wir durch effizientere Pumpen und Sprühdüsen eine verbesserte Reinigungswirkung in den Behältern und gleichzeitig einen geringeren Wasserverbrauch erreicht«, fügt der 29-Jährige hinzu.
Die Konsumgüterindustrie bietet vielseitige Einsatzmöglichkeiten
Derzeit steckt Bessinger in der Planungsphase für die Installation von zwei Misch-/Emulgieranlagen mit Lagertanks und direkter Anbindung an die Abfüllanlagen. Dabei entstehen ständig neue Herausforderungen, sei es in Bezug auf die Zeitplanung, das Budget, aber auch die Sicherheit, Ergonomie und den Herstellungsprozess der Produkte. Hierbei müssen viele Vorgaben eingehalten werden, etwa interne Sicherheitsregeln, Qualitätsvorschriften und gesetzliche Vorgaben. »Damit wir die vorgegebenen Ziele erreichen, ist ein intensiver Austausch wichtig, ob mit dem Lieferanten der Anlage oder mit internen Abteilungen«, erzählt der Ingenieur. Andere seiner Ingenieurskollegen arbeiten zum Beispiel im Packaging-Bereich, der Endabfüllung, dort optimieren sie den Wirkungsgrad der Abfüllanlagen, um die Effizienz und damit die produzierte Stückzahl zu erhöhen oder planen neue Maschinen und komplette Abfülllinien. Aber auch in der Qualitätssicherung, der Sicherheits- und Umweltabteilung oder der Logistik werden gut ausgebildete Ingenieure gesucht. Bei Procter & Gamble starten alle Ingenieure erst einmal in einer technischen Funktion, können dann jedoch entweder einen technischen Karriereweg anstreben und sich so immer komplexeren technischen Herausforderungen in verschiedenen Funktionen und Geschäftsbereichen stellen oder Verantwortung übernehmen – etwa im Personalwesen oder dem Projektmanagement.
Die Verpackung muss stimmen
Ein Bereich, der bisher noch nicht genannt wurde, aber in der Konsumgüterindustrie im Allgemeinen und in der Nahrungsmittelherstellung im Speziellen einen wichtigen Faktor einnimmt, ist die Verpackungstechnik. »Die volkswirtschaftliche Bedeutung, ja Unverzichtbarkeit der Verpackung ist öffentlich leider zu wenig bekannt. Die positive Seite der Verpackung zu erklären und zu vertreten ist und bleibt wohl eine stetige Herausforderung an Verpackungsentwickler«, betont Josef Klein, Leiter der Abteilung Verpackungstechnik bei Hipp. Die Abteilung des Ingenieurs ist für die Verpackungsentwicklung und Verpackungsprozesse aller Hipp-Produkte verantwortlich. Besondere Herausforderung besteht für den Abteilungsleiter darin, gleichzeitig Projekte und Fragestellungen aus unterschiedlichen Themenkreisen zu bearbeiten. Um diese Aufgaben zu meistern, greift er gerne auf erlernte Fähigkeiten aus seinem Verfahrenstechnikstudium zurück, nämlich neue Problemstellungen zu analysieren und fachgerechte Lösungsansätze zu erarbeiten.
Strukturieren, koordinieren und priorisieren
Auch Hannes Bessinger kann auf eine breite Platte an Werkzeugen aus seinem Studium des Chemieingenieurwesens zurückgreifen. Durch Hiwi-Stellen und Studienarbeiten konnte er unter anderem sehr viel Erfahrung in den Bereichen Strömungslehre und Emulgiertechnik sammeln:
»Ich habe beispielsweise als Betreuer von Schülerversuchen am Institut für Lebensmittelverfahrenstechnik Sonnencreme hergestellt. Heute wird diese an von mir betreuten Anlagen in Mengen von bis zu 20 Tonnen produziert.«
Maren Blankenstein von Procter & Gamble wendet weniger konkretes Grundlagenwissen aus ihrem Studium an, »vielmehr hilft mir das Wissen aus dem technischen Studium für das Prozessverständnis und das schnelle Auffassen von technischen Problemen«, sagt die Wirtschaftsingenieurin. Insbesondere in Gesprächen mit Fachleuten sollen diese sehen, dass sie die Technik, mit der sie arbeitet, wirklich von Grund auf verstehe. »Vor allem ist es aber die Fähigkeit strukturiert zu arbeiten, zu koordinieren und zu priorisieren, die mir im Beruf Tag für Tag hilft«, fügt Blankenstein hinzu.