Carsten Gudehus

audimax im Interview mit Carsten Gudehus, ESG, auf der ILA 2014

Carsten Gudehus hat an der Universität der Bundeswehr in Neubiberg von 1990 bis 1994 Luft- und Raumfahrttechnik studiert und war insgesamt 20 Jahre bei der Bundeswehr tätig. Anschließend ging er zur ESG Elektroniksystem- und Logistik-GmbH, einem der führenden System- und Softwarehäuser Deutschlands für Entwicklungs- und Serviceprozesse softwareintensiver, komplexer, technologisch hochwertiger und sicherheitsrelevanter Produkte. Dort war Gudehus zunächst als Abteilungsleiter für Entwicklungs-Dienstleistungen der ESG für das fliegende System Tornado verantwortlich. Mittlerweile ist er bei der ESG Leiter der Hauptabteilung Hubschraubersysteme. audimax hat ihn auf der ILA 2014 zum Interview getroffen.

Herr Gudehus, wenn man an Luft- und Raumfahrt denkt, denkt man an Unternehmen wie Airbus, DLR und viele andere, an die ESG nicht sofort. Was verbindet die ESG mit dieser Branche?

Die ESG ist seit Ihrer Gründung vor 50 Jahren eng mit der Luftfahrt verbunden. Damals ging es um die Bündelung von Kompetenzen zur Entwicklung, Integration und Betreuung von komplexer werdenden Avioniksystemen in einem Unternehmen als nationaler Technologie- und Innovationspartner für den öffentlichen Auftraggeber (Bundeswehr). Die ESG hat sich seitdem zu einem herstellerunabhängigen und hardwareneutralen Technologie- und Prozessberater für Studien, Konzepte und Systemvergleiche sowie zu einer Spezialsystemfirma für Missionsavionik, Missionsausrüstung und -ausstattung, Simulation und Training sowie spezielle Sondereinsatzsysteme weiterentwickelt. Die ESG ist zugelassener Luftfahrtbetrieb für Luftfahrtgerät der Bundeswehr sowie luftfahrttechnischer Betrieb nach EASA Part 21 G/J und Part 145. Zusammengefasst: Die ESG ist kein Produkthaus im eigentlichen Sinn, stellt also keine Flugzeuge her. Aber, und das ist für meine Kolleginnen und Kollegen und mich besonders spannend, wir bringen Spitzentechnologie in das Luftfahrzeug und sorgen mit unseren maßgeschneiderten Lösungen dafür, dass man damit "nicht nur fliegen kann". Dies ist vielleicht ein Grund dafür, dass die ESG nicht immer sofort sichtbar wird.

Welchen Kundenstamm haben Sie?

Zu den Kunden unserer Aerosystems Division zählen der öffentliche Auftraggeber (Bundeswehr, Polizeien, sowie Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben) und viele namhafte Unternehmen der Luftfahrtindustrie.

Aber Sie haben ja auch noch andere Sparten?

Das ist richtig: Vor dem Hintergrund des in 50 Jahren gewachsenen Know-hows und den damit verbundenen Kernfähigkeiten Elektronik, IT und Product Support bieten wir in unseren beiden weiteren Divisionen "Missionssysteme Land/See" und "Automotive" vielfältige Dienstleistungen und Lösungen auch für andere Branchen und Kunden an. Dazu zählen unter anderen Führungsinformationssysteme, Geodatenmanagement, logistische Informationssysteme oder Einsatzsysteme in der Division „Missionssystem Land/See“. Bei der Automotive Division, die seit rund 30 Jahren Engineering-Partner der großen Automobilhersteller ist, stehen Zukunftsthemen wie Advanced Driver Assistance Systems, Connected Car, eMobility oder HMI & Infotainment im Mittelpunkt des Leistungsportfolios. Sie sehen wie vielfältig unser Leistungsangebot heute ist – und dabei haben alle eines gemein: Es geht darum mittels Spitzentechnologie Lösungen zu finden, die Antworten auf Fragen unserer Kunden geben.

Wir sind jetzt hier am 5. Tag der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung 2014 (ILA), die an den ersten drei Tagen nur für Fachpublikum geöffnet war. Mittlerweile strömen Menschenmassen über das Gelände. Worin unterscheiden sich diese beiden Messeabschnitte für Sie?

Natürlich ist der erste Part der ILA für uns von besonderer Bedeutung: In dieser Zeit können wir den engen Dialog mit unseren Kunden und Partnern intensivieren und unsere Innovationen dem internationalen Fachpublikum präsentieren. Denken Sie auch an die messebegleitenden Konferenzen, wo über Technologien der Zukunft diskutiert wird und neue Kontakte für wichtige Themen im Bereich Forschung und Entwicklung hergestellt werden. Aber auch der zweite Teil der Messe ist wichtig. Einerseits bleibt hier etwas mehr Zeit sich über die Trends und Angebote des Wettbewerbs zu informieren. Andererseits können wir die ESG als Unternehmen, unsere Faszination für die Spitzentechnologie im Luftfahrtbereich, einem breiten Publikum näher bringen und gerade auch viele junge Menschen für diese Themen begeistern.

Wie zufrieden sind Sie mit der ILA 2014?

Wir sind insgesamt sehr zufrieden. An den Fachpublikumstagen hatten wir hochkarätiges Publikum an unserem Stand: Von der Leitungsebene verschiedener Ministerien über die Entscheider der Beschaffungsbehörden von Bundeswehr und Polizeien, bis hin zu internationalen Delegationen aus Wirtschaft und Industrie. Aber auch an den übrigen Tagen konnten wir interessante Gespräche führen und haben wichtige Impulse für uns als Unternehmen erhalten.

Was spricht denn aus Ihrer Sicht dafür, dass sich ein Student bei einem vergleichsweise eher unbekannteren Unternehmen wie dem Ihren bewirbt und nicht bei zum Beispiel Airbus?

Da möchte ich mehrere Aspekte anführen. Einer ist der Wohlfühl-Charakter. Wir sind im Vergleich zu den von Ihnen angesprochenen Konzernen mit ungefähr 1.600 Mitarbeitern eine relativ kleine Firma. Dies hat den Riesenvorteil, dass man sich untereinander kennt, dass die einzelnen Abteilungen einer Division alle in der Nähe sind und es viele direkte Kontaktmöglichkeiten gibt. Dadurch können wir uns gegenseitig in der Projektarbeit "unbürokratisch" und schnell unterstützen. Ein anderer Aspekt ist unser Ansatz des branchenübergreifenden Technologietransfers - eine Besonderheit. Dazu gehört, dass wir gleichsam institutionalisiert voneinander lernen wollen und uns auch über Abteilungs- und Divisionsgrenzen hinweg unterstützen. Bei uns ist es beispielsweise durchaus üblich, eine Zeit im Automobilbereich zu arbeiten, um anschließend Aufgaben im Luftfahrtbereich zu übernehmen. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, sich persönlich und beruflich weiterzuentwickeln - über die Projektstrukturen und Themengebiete hinweg. Ein weiterer Aspekt ist, dass wir ein Projekthaus sind. Wir stemmen momentan circa 800 unterschiedlichste Projekte pro Jahr. Da können Sie sich vorstellen, dass es größere Projekte mit 20 und mehr Mitarbeitern, aber auch sehr kleine Projekte mit nur einem oder zwei Mitarbeitern gibt. Diese Projektstruktur hat den Vorteil, dass Projekte "kommen und gehen" und Absolventen die Möglichkeit haben, sehr früh Verantwortung für ein Projekt zu übernehmen. Dabei kann man vergleichsweise auch schnell die Früchte seiner Arbeit ernten, was ich persönlich als sehr wichtig erachte: Man sieht, was man jeden Tag erreicht hat. Last but not least beschäftigen wir uns mit echten Zukunftsfragen: Mobilität am Boden und in der Luft, Vernetzung von eingebetteten Systemen untereinander und mit dem Menschen, IT- und Cybersicherheit – nur um einige zu nennen. Das ist spannend, herausfordernd und abwechslungsreich!

Wie interdisziplinär sind diese Teams?

In unseren Projekten liegt eine Herausforderung in der Komplexität der Produkte unserer Kunden – ob ein bemanntes oder unbemanntes Luftfahrzeug oder ein Automobil mit seiner Vielzahl von Steuergeräten und Applikationen. Die ESG ist produktunabhängig und entwickelt und integriert stets eine maßgeschneiderte Lösung für den Kunden. Dies erfordert, dass unsere Projektteams interdisziplinär besetzt sind, um die Komplexität der Aufgaben zu beherrschen. Verständlicherweise ist der Großteil unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter naturwissenschaftlich und ingenieurgetrieben. Schwerpunkte sind alle Naturwissenschaften sowie Informatik, Elektrotechnik und Luft- und Raumfahrttechnik. Aber wir suchen natürlich auch Wirtschaftswissenschaftler, beispielsweise für Prozessmanagement, Controlling, Einkauf und ähnliche Bereiche. Unsere Projekte umfassen aber auch viele weitere Aufgaben wie IT-Sicherheit, Dokumentation, Umweltanalysen und Arbeitssicherheit, so dass auch hierfür entsprechende Qualifikationen für uns interessant sind.

Worauf achten Sie dann im Bewerbungsprozess? Eher auf die Studienleistungen oder die Persönlichkeit?

Wir haben in den Projekten immer mit Kunden zu tun, so dass wir "niemanden verstecken können", der zwar fachlich sehr kompetent ist, dem aber die soziale Kompetenz und das Verständnis für unsere Kunden "etwas abgeht". Umgekehrt gilt das genauso, sprich wir müssen unseren Kunden natürlich fachliche belastbare Antworten mit zum Teil hohem Spezialisierungsgrad liefern. Es ist also eine Kombination aus beidem, die den idealen Bewerber auszeichnet.

Wichtig ist es für Studenten zunehmend, im Ausland arbeiten zu können. Besteht diese Möglichkeit bei der ESG?

Eines unserer Leistungsversprechen ist: Wir sind dort, wo der Kunde uns braucht!Im zivilen Bereich erwarten zum Beispiel die großen Automobilhersteller, dass wir die Lösungen und Services, die wir in Deutschland anbieten, auch in den Entwicklungszentren in den USA oder in China erbringen Aber auch im Luftfahrtbereich haben wir viele Projekte, die mit ausländischen Zulieferern und Partnern zu tun haben und entsprechend beim Kunden vor Ort durchgeführt werden.

Studenten sind traditionell eine gesellschaftskritische Gruppe, insbesondere auch im Bereich Rüstungsindustrie, für die Sie auch tätig sind. Spüren Sie da einige Vorbehalte und falls ja, wie gehen Sie damit um?

Die ESG arbeitet seit vielen Jahren mit vielen Universitäten und Forschungseinrichtungen, also eben auch mit Studenten zusammen – Stichwort "Open Innovation". Dabei haben wir bisher nicht festgestellt, dass es gravierende Vorbehalte gibt. Unabhängig davon gehen wir sehr offen mit entsprechenden Fragen (z.B. im Zusammenhang mit Dual Use) um und sagen klar, dass einer unser Hauptauftraggeber die Bundeswehr ist.

Frauenquoten werden in MINT-Berufen oft diskutiert – wie schaut diese bei Ihnen aus?

Wir stellen einfach fest, dass nach wie vor die Mehrzahl unserer Bewerber männlich ist. Das ist schade für uns, weil wir die Erfahrung gesammelt haben, dass Frauen fachlich und menschlich gesehen in unseren Projektteams eine enorme Bereicherung sind. Aber wie gesagt müssen wir leider konstatieren, dass etwa nur zehn Prozent unserer Bewerber weiblich sind. In den nicht-technischen Bereichen liegt die Frauenquote hingegen bei teilweise über 50 Prozent. Es ist letztlich an uns allen dafür zu sorgen, dass das Interesse und die Begeisterung für technische Studiengänge bei Studentinnen weiter gestärkt werden.

Wie zukunftssicher sehen Sie denn die Branchen, in denen Sie tätig sind?

Ich habe es bereits angesprochen: Die ESG als System- und Softwarehaus, als Technologiepartner und Engineering-Dienstleister befasst sich mit Zukunftsfragen und Zukunftstechnologien, sei es im Luftfahrt-, im Automotive-Bereich oder in vielen weiteren Branchen. Software und Elektronik sind dabei die Innovationstreiber und die Enabler für neue Fähigkeiten und Funktionalitäten. Seit 50 Jahren stellen wir uns immer wieder auf neue Herausforderungen unserer Kunden ein und entwickeln uns entsprechend permanent weiter, so dass ich die ESG mit gutem Gewissen als zukunftssicher bezeichnen kann. Anders ausgedrückt: Mobilität und Vernetzung werden bestimmende Themen von morgen und übermorgen sein – daher blicke ich voller Zuversicht in eine spannende Zukunft!


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