Mensch der im Himmel schwebt
Ingenieure im Flugzeugbau Jo.Sephine / Quelle:PHOTOCASE

Ingenieure im Flugzeugbau und Triebwerksbau

Überflieger: Wer im Flugzeug- oder Triebwerksbau arbeitet, erhält Einblicke in allerlei Branchen, Berufe und Nationalitäten

»Wir arbeiten mit unseren Entwicklungen oft am Grenzbereich der Erfahrung für Materialien und Technologien, da wir stetig wachsende Herausforderungen bezüglich Gewicht, Kosten, Leistung, Emissionen, Reichweite und Kraftstoffverbrauch haben. Dies erfordert eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Technologien und Forschung.« Wenn Barbara Blume von ihrem Arbeitsalltag erzählt, ist die Begeisterung, mit der sie am Werk ist, spürbar. So begeistert ist die Ingenieurin, die als Leiterin Verdichter- & Turbinen-Komponentenentwicklung bei Rolls-Royce Deutschland arbeitet, von ihrem Beruf. »Es gibt ständigen Wechsel an Aufgaben und Herausforderungen besonders im technischen Ingenieursbereich, so dass man stetig sein Wissen und seine Erfahrung erweitert«, fährt sie fort. Und trifft mit ihrer Meinung die der Kollegen aus dem Flugzeug- und Triebwerksbau. Kaum eine Branche unterliegt so schnellem Wandel wie der Flugzeugbau.

Auch Ernesto Kurt Le Quesne Gottschalk hat sich entschieden, seine berufliche Zukunft im Flugzeugbau zu suchen. Der Fahrzeugtechnik-Student mit Schwerpunkt Luft- und Raumfahrttechnik studiert im achten Semester an der Hochschule München und staunt Tag für Tag darüber, was seine Branche für ihn bereithält: »Ich arbeite später einmal an der Entwicklung und Verbesserung von Schlüsseltechnologien, die sich sehr rasch ändern. Kaum ein technisches Gebiet hat in den letzten 50 Jahren so viele Fortschritte gemacht wie die Luftfahrt.« Und kaum eine Branche steckt Krisen so dynamisch weg. Denn eines wollen und müssen wir schließlich auch in wirtschaftlich schlechteren Zeiten: Fliegen. Am besten so umwelt- und ressourcenschonend wie nur möglich. »Einer der wichtigsten Trends«, erklärt Barbara Blume, »ist die Entwicklung von Composite-Materialien für Triebwerksteile, um Kosten und Gewicht bei gleichbleibender Stabilität und Integrität zu erreichen.«

Dass der Leichtbau ein wichtiger Trend ist, bestätigt auch Dr. Agnieszka Makowska, Projektleiterin bei der Siemens AG, »außerdem werden Antriebe oder Nebenaggregate immer häufiger elektrifiziert oder hybridisiert«. Weitere Themen, die schon jetzt und auch in Zukunft ganz oben auf der Liste im Flugzeug- und Triebwerksbau stehen, zählt Uli Burger, Professor für Konstruktion und Bauweisen in der Luftfahrt an der TH Ingolstadt, auf: »Diese betreffen neben den bereits genannten Verbundwerkstoffen vor allem die Verringerung von Emissionen wie Schall oder Abgasen, die Senkung des Treibstoffverbrauchs und der Betriebskosten sowie die Weiterentwicklung des Baukastenprinzips.« Bei der Entwicklung der neuen Technologien jedoch stoßen Ingenieure im Flugzeugbau immer wieder auf Herausforderungen, die vor allem die Vereinbarkeit des engen vorgegebenen Zeitrahmens mit den Kostenlimits betreffen. »Das«, so Blume, »sind die größten Herausforderungen, die die Arbeit aber auch sehr spannend machen.« Dr. Agnieszka Makowska empfindet die hochgesteckten Technologieziele als größte Herausforderung: »Wir bei Siemens wollen ja schließlich die höchste Leistungsdichte realisieren. Man muss gute Kompromisse herausarbeiten, je nachdem, welche Komponente optimiert werden soll.«


»Es gibt ständigen Wechsel an Aufgaben und Herausforderungen besonders im technischen Ingenieursbereich, so dass man stetig sein Wissen und seine Erfahrung erweitert. Besonders die Zusammenarbeit mit den Herstellerbetrieben und die Arbeit innerhalb der globalen Organisation von Rolls-Royce gibt regelmäßig neue Einblicke.«

Barbara Blume, Leiterin Verdichter- & Turbinen-Komponentenentwicklung bei Rolls-Royce Deutschland


Das wird umso komplexer, wenn die Arbeit, wie in wachsendem Umfang zu verzeichnen, in internationalen, fächer- und unternehmensübergreifenden Teams stattfindet. Gleichzeitig liegt darin jedoch ein besonderer Reiz für Ernesto Kurt Le Quesne Gottschalk und seine Ingenieurskollegen: »Schon lange nicht mehr entwickelt, entwirft und produziert nur eine Firma allein ein Flugzeug.« Stattdessen werden die Teams immer heterogener und ihre Mitglieder stammen aus den verschiedensten Unternehmen und Forschungseinrichtungen – eine Entwicklung, von der die einzelnen Teammitglieder enorm profitieren. »Mich«, erklärt Dr. Agnieszka Makowska, »fasziniert die Vielfalt, die man jeden Tag erlebt und die Menschen, mit denen man zusammenarbeitet. Das können Kunden, Lieferanten, Ingenieure, Entwickler und Piloten sein. Alle diese Menschen sind sehr erfahren. Es ist ein Umfeld, in dem man stetig dazulernt.« Ernesto Kurt Le Quesne Gottschalk sieht das nicht anders: »Jeder im Team bringt genau das ein, was er am besten kann. So werden Kompetenzen zwar besser ausgenutzt, die Organisation wird aber komplexer. Dabei sollte man den Wald vor lauter Bäumen nicht aus den Augen verlieren – denn am Ende soll das Flugzeug vor allem eines: sicher fliegen können.«

Damit der Wald nicht aus den Augen verloren wird, werden an angehende Flugzeug- und Triebwerksbauer hohe Anforderungen gestellt. Neben einem Bachelorabschluss in Luft- und Raumfahrttechnik, das Fächer wie Verbundwerkstoffe, Aerodynamik, Leichtbau oder Werkstofftechnik beinhalten sollte, erleichtert ein zusätzlicher Masterabschluss den Berufseinstieg ganz erheblich. »Zwar ist der Einstieg mit einem Bachelor grundsätzlich möglich, wenn die Spezialisierung dann innerhalb des Unternehmens erfolgt, trotzdem ist die Vertiefung der Kenntnisse in bestimmten Bereichen aber nur im Masterstudium möglich«, meint Professor Uli Burger von der TH Ingolstadt. »Die Ansprüche in der Luftfahrt sind nach wie vor extrem hoch«, erklärt auch Ernesto Kurt Le Quesne Gottschalk. »Dadurch, dass Flugzeugsysteme immer komplexer werden, werden auch die Teams immer komplexer und größer. Folglich brauchen Luftfahrtingenieure vertieftes Verständnis mehrerer Fachgebiete – oder sollten sich zumindest in diese eindenken können.«

Doch nicht nur fachlich, auch in Soft-Skill-Hinsicht müssen die Qualifikationen von Berufseinsteigern im Flugzeugbau stimmen. »Fließendes Englisch, Teamfähigkeit und kulturelle Offenheit, Kommunikationsfähigkeit, Urteilsvermögen und ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein und Einsatzbereitschaft« sind nur einige der Eigenschaften, die Barbara Blume von ihren jungen Kollegen verlangt. Während des Studiums kommen gerade aber jene Soft Skills nicht selten zu kurz, weswegen erste Berufserfahrung in Form von Praktika oder Werkstudententätigkeiten nur Vorteile hat.

Stimmen fachliche und persönliche Kompetenzen, steht dem Berufseinstieg als Ingenieur im Flugzeug- oder Triebwerksbau nichts mehr im Weg. Ernesto Kurt Le Quesne Gottschalk jedenfalls freut sich auf seinen Berufsalltag: »Die Zukunft für Avionikingenieure bringt viele spannende Projekte mit sich, nicht nur für leidenschaftliche Luftfahrttechniker, sondern auch für die Ingenieure, die es gerne nach dem Luft- und Raumfahrtstudium in anderen Bereichen versuchen wollen.«


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