Foto: Hoover Tung/Unsplash

Ingenieure im Triebwerksbau

Ingenieure im Triebwerksbau sind oftmals von der schnellen Sorte

Sollten die Prognosen stimmen, dann wird’s da oben im Vergleich zu heute ziemlich voll. Denn nach einer Studie von Boeing werden im Jahr 2033 innerhalb Europas 1.411,4 Milliarden Personenkilometer zurückgelegt. Zum Vergleich: 2013 waren es 714 Milliarden. Ein Personenkilometer ergibt sich dabei aus dem Produkt der Anzahl der Passagiere und der jeweils zurückgelegten Strecke. Das bedeutet demnach nicht nur, dass mehr Flugzeuge produziert, sondern diese auch – in Hinblick auf schwindende Ressourcen und Lärmbelästigung – energieeffizienter und geräuschärmer werden müssen. Wie dies umgesetzt werden kann, weiß Prof. Dr.-Ing. Klaus Höschler: »Erreicht werden soll dies durch höhere Temperaturen und höhere Drücke im Kerntriebwerk und vor allem durch deutlich erhöhte Triebwerksdurchmesser, so dass der Luftmassenstrom um das Kerntriebwerk gegenüber dem Massenstrom, der durch das Kerntriebwerk fließt, deutlich gesteigert werden kann. Diese Erhöhung des sogenannten Nebenstromverhältnisses bewirkt eine Wirkungsgradsteigerung bei gleichzeitiger Absenkung der Lärmemissionen. Die maximale Kraftstoffeinsparung erwartet man beim Wegfall der äußeren Triebwerksummantelung, man spricht dann von einem ›Open Rotor‹-Konzept. Hier drehen sich zwei freiliegende Rotoren entgegengesetzt zueinander, eine deutliche Lärmreduktion wird mit diesem Konzept aber wahrscheinlich schwierig werden. Weitere Konzepte sehen Triebwerke mit Wärmetauscher zur Nutzung der im Abgas noch enthaltenen Energie vor.« Welche Konzepte sich hier durchsetzen, hänge dabei von den neuen Flugzeugkonzepten, den Fortschritten in der Technologieentwicklung und letztlich auch von der Akzeptanz der Kunden ab, so der Lehrstuhlinhaber des Lehrstuhls ›Flug-Triebwerksdesign‹ am Institut für Verkehrstechnik der Brandenburgische Technische Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg weiter.

Um diesen Zielen näherzukommen, müssen gleichzeitig die aktuellen Grenzen der Triebwerkstechnik weiter verschoben werden. Allerdings arbeite die Triebwerksindustrie schon immer an den technischen Limits, erklärt der Professor: »Neue Technologien und Verfahren die hier entwickelt und zuerst eingeführt wurden, fanden meist später ihren Weg in andere Industriezweige.« Ein Blick in die Zukunft verheißt dabei Triebwerke mit noch höherer Leistungsdichte: mehr umgesetzte Energie auf kleinerem Raum. So die Kurzfassung. Um das Ganze umzusetzen, bedarf es aber ein wenig mehr: »Durch die höheren Temperaturen und Drücke sowie der fortwährenden Anforderung, leicht und kostengünstig zu bauen, werden neue Materialien und entsprechende Fertigungsverfahren benötigt. Numerische Berechnungsverfahren müssen weiterentwickelt werden, so dass das Strömungs-, Thermal-, Festigkeits- und Schwingungsverhalten der Bauteile bereits frühzeitig sehr genau vorhergesagt werden kann«, erklärt Höschler. Zudem werde eine wesentlich stärkere Bündelung von Funktionen in weniger Bauteilen innerhalb des Triebwerks gefordert und vor allem eine deutlich stärkere Integration des Triebwerks an das Flugzeug benötigt.

Dafür braucht es nicht nur hochmoderne numerische Verfahren, sondern auch hochspezialisierte Fachkräfte mit Wissen in Aerodynamik, Festigkeit und Fertigung sowie Triebwerksingenieure »mit Kerosin im Blut«, die das gesamte Produkt und seine Anwendung im Fokus haben. Diese Experten kommen oftmals von der BTU, die den Masterstudiengang ›Triebwerkstechnik‹ seit mehr als elf Jahren anbietet. Die Studieninhalte umfassen dabei die Grundlagenfächer, die die für die Fachrichtung erforderlichen grundlegenden Fähigkeiten und Kenntnisse in der Konstruktion und Fertigung, Materialkunde, Mechanik, Festigkeit, Lebensdauerberechnung, Aero- und Gasdynamik, Thermodynamik, Wärmeübertragung und Akustik vermitteln. Zudem werden spezielle, praxisorientierte Fächer, die das gesamte Spektrum der Flugtriebwerke abdecken, angeboten. Die jeweiligen Inhalte und Ausgestaltung wurde dabei mit in Deutschland tätigen Industriefirmen entwickelt und werden zum Teil auch durch Spezialisten dieser Firmen direkt vermittelt. Bei diesen können die Studierenden auch ihr theoretisches Wissen in die Praxis umsetzen und erste Kontakte zu etwaigen Arbeitgebern in spe knüpfen. Wenngleich sich das Studium auf Luftfahrttriebwerke konzentriert, so bilden die Breite des Fächerspektrums und die Tiefe der einzelnen Fächer eine gute Basis für alle Bereiche des »heißen Maschinenbaus«, zu dem auch der stationäre Gas-, Dampfturbinen- und Kolbenmotorbau gehört.

Oder wie wäre es mit einer Forschungtätigkeit beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)? Hier werden innovative Triebwerkskonzepte und -technologien unter anderem in den Bereichen Ultrahochbypasstriebwerke, Getriebefans und alternative Brennstoffe entwickelt, Missionsrechnungen und Konzeptstudien durchgeführt sowie innovative Methoden in der Leistungssyntheserechnung entwickelt. Oder doch lieber in die DLR-Triebwerksakustik? Diese Abteilung befasst sich mit instationären Prozessen in technischen Strömungen, die auf die Akustik von Turbomaschinen und Gasturbinen fokussiert sind. Wenn auch das nicht dem angepeilten Berufswunsch entspricht: es geht noch mehr. »Es eröffnen sich ebenfalls sehr gute Perspektiven an den Schnittstellen zwischen Triebwerk und Flugzeug bei entsprechenden Flugzeugherstellern, Fluggesellschaften oder Wartungsfirmen, als auch in der jeweiligen Zulieferindustrie. Da die für die Luftfahrt entwickelten Technologien und Methoden meist später in anderen Bereichen des Maschinenbaus Anwendung finden, sind die Absolventen aus der Triebwerkstechnik auch in anderen Industriezweigen, wie der Kraftfahrzeugindustrie heiß begehrt«, erklärt Professor Höschler.

Man kann es also drehen und wenden wie man will: Für Absolventen geht es entweder steil nach oben oder schnell nach vorne – sind sie es doch, die den richtigen Antrieb haben.


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