Flugzeug mit blauem Hintergrund
Ingenieure in der Luft- und Raumfahrt AleksandarCucu / Quelle:pixabay unter CC0

Ingenieure in der Luft- und Raumfahrt

Hinter den Horizont, auf den Mond oder direkt in die Karriere: Auf, auf in die Luft- und Raumfahrt!

Schon einmal darüber nachgedacht, dass zumindest die Hälfte des Applauses den Ingenieuren gelten sollte? Sind nicht sie die eigentlichen Arbeitgeber aller Piloten dieser Welt? Oder weiß jemand, wie die Ingenieure hießen, die Neil Amstrong auf den Mond befördert haben? Sind nicht sie letztendlich für diesen ›riesigen Sprung für die Menschheit‹ verantwortlich?

Dabei üben Ingenieure ihre Tätigkeit nicht nur aufgrund der Maxime ›immer weiter, immer höher‹ aus – es ist die Faszination am Fliegen allgemein oder an der Raumfahrt im Speziellen. Jürgen Schlutz, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Raumfahrtsmanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in der Abteilung ›Bemannte Raumfahrt, ISS und Exploration‹ arbeitet, kann dies nur bestätigen:

»Was mich antreibt, ist der Wille, Grenzen zu überschreiten.«

In seinem momentanen Projekt befasst sich der 33-Jährige mit Missionen, die aktuell oder zukünftig über den Erdorbit hinaus zum Mond, Mars und zu Asteroiden fliegen. Präziser bedeutet dies, dass er im nationalen Raumfahrtprogramm eng mit der deutschen Industrie zusammenarbeitet, um zukünftige Missionen und die dafür nötigen Technologien und Systeme zu entwickeln. Eine internationale Ausrichtung erhält sein Beruf durch seine fachliche Betreuung der Marsmission ›ExoMars‹ und die Mondmission ›Lunar Lander‹. »Diese Schnittstellenfunktion zwischen Bundesministerium, nationaler Industrie und internationalen Raumfahrtsorganisationen sind das Besondere an meiner Tätigkeit.« Einhergehend mit dieser Ausrichtung ist Schlutz viel unterwegs: Frankreich, für Workshops in die USA, nach Kanada und Japan oder in die Niederlande, um dort Abstimmungen mit der europäischen Raumfahrtorganisation ESA zu treffen.

»Außerdem sind Raumfahrtvorhaben gerade in der Exploration von internationaler Kooperation geprägt, daher arbeite ich auch mit Ansprechpartnern unter anderem in Russland, China, Korea und Indien zusammen«, erklärt Schlutz.


Doch gilt es nicht nur, sich national und international mit anderen Unternehmen auszutauschen. Raumfahrt ist ein politisches Thema. »Es handelt sich um Hochtechnologiearbeit, die sich zum Großteil abseits kommerzieller Märkte abspielt und in die dementsprechend Steuermittel investiert werden«, erläutert er weiter. Das ist auch der Grund, warum beispielsweise die Internationale Raumstation ISS oder die ExoMars mit einer hochgradigen Sichtbarkeit in den Medien und in der Haushaltspolitik verbunden sind. Auch wenn die europäischen Pro-Kopf-Investitionen in die Raumfahrt vergleichsweise gering sind: Jeder Bürger eines der 18 ESA-Mitgliedsstaaten zahlt dafür Steuergelder in Höhe eines Kinobesuchs. 2008 lag das Budget der deutschen Raumfahrt bei circa 1,25 Milliarden US-Dollar, den Japanern stand fast doppelt so viel zur Verfügung.
 

Notwendig für Luft- und Raumfahrt: Wirtschaftliches und politisches Gespür

Infolgedessen sind ein Gespür für wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen für Einsteiger unerlässlich – neben einem breiten technischen und naturwissenschaftlichen Verständnis auch über das konkrete Arbeitsgebiet hinaus. »Entscheidend ist aber auf jeden Fall die Affinität zur Raumfahrt«, betont Volker Rheker. Der Abteilungsleiter ›Zentrale Aufgaben, Gemeinsames Büro‹ im Raumfahrtsmanagement des DLR erklärt, dass die Raumfahrt ein sehr komplexes Arbeitsgebiet darstellt, das sämtliche Themenbereiche von der Satellitenkommunikation über die Raketentechnologie bis hin zu biologischen Experimenten in Schwerelosigkeit umfasst. Daher haben vor allem »Ingenieure, die sich schon während des Studiums mit Raumfahrt auseinandersetzen, vielfältige Chancen beim DLR Raumfahrtmanagement«. Abhängig davon, wo sich der Einsatzort des Einsteigers befindet – »nach einer umfangreichen Einarbeitung wird er eigenständige Steuerungsaufgaben in einzelnen Projekten des Raumfahrtmanagements wie beispielsweise in der Robotik, Erforschung des Weltraums oder Erdbeobachtung übernehmen oder verstärkt programmatisch an bestimmten Raumfahrtsthemen arbeiten«, beschreibt Rheker. Da immer mehr neue Raumfahrtnationen aktiv werden, die mit Deutschland zusammenarbeiten, steigen die interkulturellen Anforderungen an zukünftige Einsteiger. Ebenso wie gesteigerte Projektmanagementfähigkeiten – »nicht nur hinsichtlich der Technologie, sondern auch mit Blick auf die Kosten und das Partner- und Stakeholder-Management«, erläutert der Abteilungsleiter beim DLR Raumfahrtmanagement weiter.

»Berufseinsteiger werden im Bedarfsfall auf ihre Aufgaben mit speziellen Schulungen umfassend vorbereitet«, sagt Patricia Dreyer, Account-Managerin bei Brunel und fügt hinzu, dass Projektmitarbeiter in der Einarbeitungsphase direkt beim Kunden behutsam an die neuen Aufgaben herangeführt werden. »Ist das Thema ›Luftfahrt‹ für die Mitarbeiter vollkommen neu, kann es bis zu einem Jahr dauern, bis sie eigenständig arbeiten, da das technische Anforderungsprofil sehr speziell ist«, erklärt Dreyer. Und wie bereits Rheker vom DLR Raumfahrtmanagement schon erwähnt hat, steigen auch bei Brunel die Anforderungen an neue Mitarbeiter in den kommenden Jahren. Auch die Account-Managerin spricht von einer zunehmenden Bedeutung von Projekt- und Zeitmanagement – darauf müssen sich Einsteiger einstellen. »Wer in die Branche einsteigen möchte, muss vernetzt denken sowie schnell und klar kommunizieren können. Die Luft- und Raumfahrt ist sehr prozessorientiert«, betont die 30-Jährige. Dies hat zur Folge, dass von den Mitarbeitern präzises und termingerechtes Arbeiten erwartet wird.

Luft- und Raumfahrt: wachsender Arbeitsmarkt

Im Jahr 2010 waren in Deutschland rund 95.438 Menschen in der Luft- und Raumfahrtindustrie beschäftigt. Seit Juli 2011 gehört Markus Riederer dazu. Der Projektingenieur für Turbinenwerkstoff hat Werkstoffwissenschaften auf Diplom an der Uni Erlangen studiert. Aktuell arbeitet der 28-Jährige bei einem deutschen Triebwerkshersteller für zivile und militärische Luftfahrtantriebe an der Ermittlung und der Aufarbeitung von Werkstoffdaten. »Dazu kommuniziere ich regelmäßig mit der Prüfabteilung, um neue Versuche zu planen beziehungsweise den Stand laufender Aufträge zu erfahren«, beschreibt er. Weiter gehören die Abstimmung mit Konstrukteuren und die Bereitstellung der ermittelten Werkstoffdaten für die Bauteilauslegung zu seinem Aufgabengebiet. Ihm ist bewusst, dass sich seine Tätigkeit unmittelbar auf die Sicherheit einer Flugzeugkonstruktion auswirkt. »Wie ein Triebwerk konstruiert wird und ein Schadensfall verhindert oder zumindest begrenzt werden kann, hängt von den Daten ab, die ich ermittle«, erklärt Riederer. Als schwierig beschreibt er sein momentanes Projekt, da sich das Gehäusematerial für die Niederdruckturbine für die Prüfung als sehr widerspenstig erweist. Hier müssen geeignete Parameter gefunden werden, die gleichzeitig alle Normen erfüllen und im Rahmen der Prüfvorschriften liegen.

So eng die Prüfvorschriften auch gesteckt sein mögen, sie gewährleisten die größtmögliche Sicherheit für Fluggäste und -personal. Im ersten Halbjahr 2011 hat der deutsche Luftverkehr 93.124.214 Passagiere durch die Welt geflogen. Eine Zahl, die wohl stetig wachsen wird – gleichzeitig mit der Nachfrage an qualifizierten Ingenieuren. Der international agierende Dienstleister im luftfahrtechnischen Bereich ARTS setzt bei der Rekruitierung von Absolventen vor allem auf Hochschulmarketing und dabei auf hochschuleigene Karrieremessen, um aktiv und frühzeitig die Nachwuchskräfte für die einzelnen Teams gewinnen zu können. Was Gerald Unger, dem Geschäftsführer von ARTS, hier besonders auffällt, sind die negativen Folgen des Bologna-Prozesses:

»Die Studierenden stehen unter größerem Druck. Die sehr gestraffte Studienzeit lässt ihnen kaum mehr Zeit für Praktika oder Auslandserfahrungen. Darunter leiden natürlich der Praxisbezug und die interkulturelle Kompetenz.«


Deshalb rät Unger den Studenten, sich – ohne schlechtes Gewissen – Zeit für Praxis- und Auslandssemester zu nehmen, um davon beim Berufseinstieg profitieren zu können. Schließlich gibt es viel zu tun:

»In den kommenden 20 Jahren werden allein 28.000 Passagiermaschinen gebraucht. Daneben müssen bestehende Flotten gewartet und erneuert werden«, führt der 35-Jährige aus. Und nicht nur dafür braucht es »kreative Köpfe voller Ideen«.

Die zukünftigen Flugzeuge werden tendenziell größer sein, aber gleichzeitig sehr treibstoffeffizient – schließlich gilt es, die hohen Klimaziele durch technologische Neuentwicklungen im Flugzeugbau zu erreichen.

»Wir sprechen hier zum Beispiel von Entwicklungen im Leichtbau, gleichzeitig sind konventionelle Antriebsysteme in Frage zu stellen. Vorstellbar ist auch die Neuentwicklung ganzer Konstruktionsansätze«, sagt Unger.


Über einen völlig neuen Rumpf, neue Hochgeschwindigkeitstragflächen sowie revolutionäre Bordsysteme wird der A350 verfügen, an dem die Teams von ARTS momentan arbeiten. Dafür braucht es Ingenieure, die wissen, wie neue Konstruktionsprinzipien anzuwenden und zukunftsweisende Materialen zu verarbeiten sind. Folglich stehen den Ingenieuren in spe die Türen offen – sei es in der Luft- oder in der Raumfahrt. Denn sollte bald der erste Mensch auf dem Mars landen, wissen wir ja, wer das ermöglicht hat. Und jetzt: Standing ovations, bitte! 


Anzeige

Anzeige