Die Weiten des Himmels und des Weltraums faszinieren die Menschheit seit jeher. In der griechischen Mythologie sind Dädalus und Ikarus als Himmelsstürmer bekannt. Heute befasst sich vor allem das Science-Fiction-Genre mit Reisen in die Tiefen des Universums und extraterrestrischem Leben. Kommt zur Begeisterung für Science-Fiction dann noch Interesse an den Fächern Mathematik und Physik hinzu, ist der Weg für viele klar: ›Ich studiere Luft- und Raumfahrttechnik.‹
So oder so ähnlich lief die Entscheidung auch bei Jana Weise ab, die an der TU Berlin Verkehrswesen mit Schwerpunkt Luft- und Raumfahrttechnik studierte. »Zugegebenermaßen«, räumt die 37-Jährige ein, »kam dann im Laufe des Studiums schnell die Einsicht, dass dieses nicht wirklich viel mit den genannten Dingen zu tun hatte, sondern viel breitgefächerter und umfassender war – was mir jedoch gefiel.« Inzwischen ist sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Berlin, genauer gesagt am Institut für Luft- und Raumfahrt, Fachgebiet Raumfahrttechnik. Das Institut forscht hauptsächlich an der Entwicklung und dem Betrieb von Kleinst- und Kleinsatelliten. »Hierbei handelt es sich um Satelliten in einer Größenklasse von ein bis 20 Kilogramm für Erdbeobachtungsaufgaben und die Demonstration von neuen Technologien im Orbit«, erklärt die 37-Jährige. Zum Forschungsbereich gehört auch, Technologien für diese Kleinsatelliten zu entwickeln, für die konventionelle Komponenten und Systeme miniaturisiert werden müssen.
Zurzeit forscht die Projektleiterin Weise mit ihrem Team an der Entwicklung modular aufgebauter Satellitensysteme. »Bisher sind Satelliten eher sehr kompakte Systeme, wodurch bei einer Fehlfunktion oder dem Ausfall nicht an eine Reparatur im Orbit zu denken ist. Durch die modulare Bauweise wäre man in der Lage, einzelne defekte ›Bausteine‹ auszutauschen und durch neue zu ersetzen«, beschreibt die Diplom-Ingenieurin. Das Ziel ist, die Lebensdauer von Satelliten zu verlängern und dadurch die Anzahl der ausgedienten oder defekten Satelliten im Weltall zu verringern. »Sogenanntes ›On-Orbit-Servicing‹, also die Wartung von Satelliten und Raumfahrtsystemen im Orbit, stellt die Lösung für die Weltraummüllproblematik dar. Jedoch bedarf es hierfür neuer Design- und Konstruktionslösungen für Satelliten – ein Thema, dem wir uns annehmen«, sagt Weise.
Als Projektleiterin ist sie vor allem damit beschäftigt, die Arbeiten zu organisieren, um die Zielstellung zu erreichen. Daher besteht ein großer Teil ihres Arbeitstages aus Gesprächen und Meetings, in denen sie mit ihrem Projektteam und Kollegen Absprachen trifft, Lösungswege diskutiert und Vorgehensweisen bespricht. »Gerade in Kooperationsprojekten mit anderen Forschungseinrichtungen und Universitäten ist man häufig mit der Koordination der Arbeiten der einzelnen Teams beschäftigt.« Dass die Luft- und Raumfahrtbranche sehr international ist, kann Weise bestätigen. Gute Englischkenntnisse sind daher grundlegend für Ingenieure. Die Zusammenarbeit mit Forschungsgruppen aus anderen Ländern findet sie sehr reizvoll, da derartige Kooperationen oft großes Potenzial bieten. Einen internationalen Vergleich braucht Deutschland ihrer Meinung nach nicht zu scheuen. »Deutschland hat ein sehr ehrgeiziges und attraktives Raumfahrtprogramm, in dessen Rahmen viele Entwicklungen und Forschungsarbeiten angestoßen und durchgeführt werden. Es ist durchaus angestrebt, die Forschungen und Ergebnisse auf Konferenzen oder Symposien der internationalen ›Raumfahrtcommunity‹ vorzustellen«, beschreibt Weise.
Dieser Ansicht stimmt Dr. Sabine Böhm vom ISS Columbus Nutzlast- und Systemintegrations-Team nicht zu. Sie sieht Deutschland im internationalen Vergleich im Bereich der Raumfahrt maximal im Mittelfeld. »Aufgrund qualitativ hochwertiger Produkte und dem speziellen Know-how qualifizierter Ingenieure könnte Deutschland deutlich weiter vorne liegen, wenn es sich an ambitionierte, neue Projekte wagen würde«, erklärt die 37-Jährige, die Informatik studiert und im Bereich Zuverlässigkeit und Fehlertoleranz promoviert hat.
Aktuell arbeitet sie daran, neue Kommunikationswege zwischen Nutzlastentwicklern und ihren Experimenten in Columbus zu entwickeln. Das Ziel dabei ist es, die Nutzung der Raumstation für Entwickler attraktiver und vereinfacht zu gestalten. Innerhalb des Projekts integriert sie Nutzlasten und neue Systemkomponenten in das europäische Columbus Model der ISS, unterstützt Neuentwicklungen in Bezug auf Anforderungen, die für die Integration in die Raumstation zu erfüllen sind und betreut die Schnittstellen zwischen dem europäischen und nicht-europäischem Teil der ISS. Die Luft- und Raumfahrt bietet für Ingenieure viele anspruchsvolle Tätigkeiten, besonders, da in Raumfahrtprojekten die unterschiedlichsten Fachbereiche eng zusammenarbeiten. »Für Ingenieure ist es daher möglich, sich sowohl ein breites Spektrum an Wissen anzueignen, als auch sich auf ausgewählte Felder zu spezialisieren«, sagt Böhm.
Eine solche Spezialisierung kann zum Beispiel Sarah Schöngarth vorweisen, die an der FH Aachen Luft- und Raumfahrttechnik mit Schwerpunkt Flugbetriebstechnik studiert hat. Die Wissenschaftliche Mitarbeiterin der FH Aachen arbeitet am Projekt ›Enceladus Explorer‹ mit, in dem sie eine Eiseinschmelzsonde entwickelt haben. »Diese wird im Moment im terrestrischen Umfeld getestet«, verrät Schöngarth. Das höchste Ziel des Projekts steht bereits 2014 an, wenn die Sonde kontaminationsfrei Wasserproben zur späteren Untersuchung auf Lebewesen entnehmen soll. Die Herausforderung bei diesem Test liegt darin, dass die Sonde die Proben aus einer Gletscherspalte eines subglazialen Sees in der Antarktis entnehmen soll, den sogenannten ›Blood Falls‹ auf dem Taylor Gletscher. Den blutigen Namen hat dieser Gletscherabfluss, da sein Wasser stark mit Eisenoxid angereichert ist, was ihm eine dunkelrot-bräunliche Farbe verleiht. »Die Entwicklung dieser Einschmelzsonde soll fortgesetzt werden, da extraterrestrische Missionen angestrebt werden«, berichtet die 36-Jährige, die berufsbegleitend ein Aufbaustudium im Bereich Raumfahrt absolviert.
Sie selbst ist hauptsächlich in der Entwicklung und der Konstruktion tätig. Dazu arbeitet sie vor allem mit ›Computer Aided Design‹ (CAD) und erstellt technische Dokumentationen sowie Fertigungszeichnungen und -aufträge. Außerdem ist Schöngarth dafür zuständig, alle notwendigen Bauteile zu beschaffen, die Konstruktion zusammenzubauen und diese zu testen.
Da Forschungsteams in der Regel eher klein sind, ist es wichtig, dass alle am selben Strang ziehen. Schöngarth und Weise erachten Teamwork daher als eine der wichtigsten Fähigkeiten. Die Luft- und Raumfahrtbranche ist für viele Fachbereiche offen, solange man sich für Satelliten, Sonden und alles, was dazu gehört, begeistern kann. »Es ist nicht unbedingt notwendig, dass man fundierte Kenntnisse der Raumfahrttechnik mitbringt. Dies ist abhängig davon, welche Aufgabe man in einem Projekt übernehmen soll. Auch Elektrotechniker, Informatiker oder Konstrukteure sind sehr gefragte Mitarbeiter, denn sie verfügen über Kenntnisse, die reine Raumfahrttechniker häufig nicht in der notwendigen Tiefe aufweisen«, bestätigt Weise. Und wie du siehst, sind auch Frauen in der Branche herzlich willkommen.
Karriere in der Luft- und Raumfahrtbranche
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