Widersprüche ziehen sich an. Das gilt wohl auch bei Maik Richter. Der 30 Jahre alte Wirtschaftsingenieur ist Projektmanager bei Airbus Helicopters. Und er hat Höhenangst. Vielleicht, so sagt er, »liegt darin eine Ursache, warum mich Flugzeuge und Hubschrauber so faszinieren – im Gegensatz zu Fahrzeugen oder gar feststehenden Maschinen«. Und seinen Ängsten könne man sich ja stellen, durch Bungeejumping oder Fallschirmspringen – so wie er es tut. Trotzdem aber liegt der Grund für seinen Wechsel von einer mittelständischen Unternehmensberatung, für die er bis vor zwei Jahren gearbeitet hat, über das ›Hineinschnuppern‹ bei Airbus Helicopters durch eine Zeitarbeitsfirma zur schließlichen Festanstellung vor eineinhalb Jahren wohl eher in pragmatischen Überlegungen. »Die Luft- und Raumfahrt ist eine Schlüsselindustrie und ich kann mir kaum vorstellen, dass es Branchen gibt, die auf derart hohem Level arbeiten«, sagt er. Und beim Weltmarktführer Airbus Helicopters für die Herstellung »vertikaler Lufttransportlösungen« zu arbeiten, habe eine zusätzliche Qualität. Ingenieure hätten hier »Bewegungsraum« nach links, rechts und oben, den ein kleineres Unternehmen niemals zur Verfügung stellen könne. Aber er sei auch gefordert: Als Wirtschaftsingenieur mit seinem betrieblichen Wissen und seinen technischen Erfahrungen – und als Projektmanager, wenn es darum geht, Teams zusammenzustellen, organisiert zu arbeiten und massiv Verantwortung zu übernehmen.
Dabei scheinen die Projekte, die Maik Richter von seinem Büro bei Airbus Helicopters im schwäbischen Donauwörth übernimmt, auf den ersten Blick wenig spektakulär. Er arbeitet als ›Business Operations Manager‹ im Bereich der Entwicklung von Türen für Passagier- und Frachtflugzeuge. Oder genauer: Er ist dafür verantwortlich, die Abteilung, die sich aus rund dreihundert Experten zusammensetzt, neu und effizienter aufzustellen. »Das geht von Maßnahmen zur Umstrukturierung von Teams und Abteilungen bis hin zur Umsetzung von eigens entwickelten und angepassten Konzepten zur Geschäftsprozessoptimierung wie beispielsweise dem Visual Team Management«, erklärt er. Zusätzlich müssten die Mitarbeiter in Workshops ›lean‹ geschult werden, um Prozesse zu harmonisieren. Je nach Projektlage stellt sich Maik Richter dabei ›seine‹ Teams zusammen, um die jeweils nächsten Meilensteine zu erreichen. »Meine Aufgaben sind bei weitem nicht so abstrakt, wie dies auf den ersten Blick erscheinen mag«, sagt er. Im Vordergrund stehe letztlich immer die Entwicklung der Flugzeugtüren. Diese, betont Richter, sind neben der Turbine das komplexeste System im Flugzeug. Von der Erfüllung zahlreicher Normen über redundante Funktionen für die Notöffnung oder die Endlagensicherheit, vom vergleichsweise kleinen Bauraum bis hin zur Verarbeitung des ultraleichten Carbon als Werkstoff: Die Entwicklung derartiger Türen ›kostet‹ bis zu rund 500.000 Ingenieurstunden und ist mit ein Kriterium dafür, ob ein Flugzeugtyp möglichst tausendfach verkauft wird. Deshalb sind die Form der Zusammenarbeit und das möglichst reibungslose Ineinandergreifen der Prozesse entscheidend.
Wegen der immer weiter steigenden Anforderungen an Forschung- und Entwicklung suchen Unternehmen in der Luft- und Raumfahrtbranche im Moment Wirtschaftsingenieure. Denn sie können naturwissenschaftliche Kenntnisse und technische Erfahrungen auch aus dem für Projekte nötigen betriebswirtschaftlichen Blick sehen. »Die Lieferketten sind so international ausgelegt wie in kaum einer anderen Branche. Deshalb steigen Komplexität und Aufgabenvielfalt stark an. Wirtschaftsingenieure bieten ein generalistisches Wissen für vielschichtige Anwendungen und Systeme in der Luft- und Raumfahrtindustrie und können daher sehr vielseitig eingesetzt werden«, sagt Friedrich Hormel, Personaldirektor von Airbus Helicopters in Deutschland. Das sieht man auch bei Thales so. Thales ist einer der bedeutendsten Konzerne weltweit für Verteidigung, Luft- und Raumfahrt sowie Sicherheit und Transport.
Allein in Deutschland beschäftigt Thales an zehn Standorten inklusive seiner Joint Ventures insgesamt rund 4.500 Mitarbeiter. In Ulm beispielsweise entwickelt Thales etwas, was jeden Tag tausendfach über unseren Köpfen schwebt: Wanderfeldröhren. Rund 10.000 dieser Verstärker für Funksignale sind derzeit an Bord von Nachrichten-, Fernseh-, Erdbeobachtungs-, Navigations- und wissenschaftlichen Satelliten in Betrieb. Mitverantwortlich für deren reibungsloses Funktionieren ist Andreas Haschka. Bei Thales war der Wirtschaftsingenieur zunächst Projekteinkäufer und später Einkaufsleiter. Vor einem halben Jahr ist er als Projektmanager ins ›Projekt Department‹ gewechselt, wo er nun Entwicklungsprojekte von speziellen Wanderfeldröhren koordiniert, die technisch sehr individuelle Kundenwünsche erfüllen müssen. Ein bis drei Jahre dauert ein derartiges Projekt, an dem meist zwei Experten beteiligt sind. In der Regel führt ein Projektmanager drei Projekte parallel.
»Für mich war der Umstieg vom Einkauf in das Projektmanagement ein Wechsel wie in eine andere Welt«, erinnert sich Haschka. War er vorher seinem Vorgesetzten verantwortlich beziehungsweise selbst Vorgesetzter, so arbeitet er heute verstärkt im Team. »Neu war für mich auch, dass ich nun mit Ingenieuren und Doktoranden sehr eng zusammenarbeite, die meist sehr tief in der Technik stecken«, erzählt er. »Hier zu sondieren, was ich selbst nachvollziehen muss und was für mich irrelevant ist, ist eine Aufgabe, die mich zusätzlich fordert. Denn für einen Projektmanager ist es deutlich wichtiger, den Überblick über Technik, Budget und Termine nicht zu verlieren.« Zudem werde von ihm auch erwartet, dass er einen Plan B hat, falls sich das Projekt auf einem kritischen Pfad bewegt. »Ich muss Ideen entwickeln, wie etwa terminliche Probleme kompensiert werden können. Beispielsweise indem wir zusätzliche Kapazitäten in der Fertigung einsetzen.«
Aufteilen lassen sich Haschkas Aufgaben als Projektmanager in zwei Abschnitte: Erstens die Angebotsphase, in der er zusammen mit anderen Experten beispielsweise den möglichen Entwicklungsauftrag für eine neue Röhre erfasst und daraus ein mögliches Projekt entwickelt: Er strukturiert, erstellt Arbeitsbeschreibungen und versucht Umfang und Aufwand so zu kalkulieren, dass er am Ende ein für Kunden und Thales gewinnbringendes Angebot abgeben kann. Ist der Kunde einverstanden, muss in der Durchführungsphase ein detaillierter Projektplan erstellt und die Projektdurchführung in all ihren Nuancen hinterfragt, überwacht und vorangetrieben werden. »Der Vorteil des Projektmanagements in der Raumfahrt ist natürlich, dass bei uns allen eine besondere Motivation vorliegt«, meint Andreas Haschka. »Ohne unsere Arbeit wird es über kurz oder lang keine Satellitentechnik ›da oben‹ geben.« Und das schmeichle nicht nur, sondern sei auch eine besondere Verantwortung – was auch unser Artikel über Satellitentechnik auf der nächsten Doppelseite beweist.
Projektmanager in der Luft- und Raumfahrt
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