Es ist das neue Buzz-Wort und war eines der wohl meistdiskutierten Themen auf der internationalen Hannover Messe im April: Industrie 4.0. »Lange wurde über die digitale Fabrik geredet, jetzt wird sie Realität. Als Hersteller und Anwender von intelligenten Maschinen nimmt unsere Industrie die Schlüsselposition in diesem Wandel ein«, verkundete Reinhold Festge, Präsident des Verbandes Deutscher Maschinen und Anlagenbau VDMA auf der Messe. Für Absolventen und Berufseinsteiger im Maschinen- und Anlagenbau bedeutet das neue Aufgabenfelder und große Karrierechancen. Aber auch, dass sich die Anforderungen der Unternehmen ändern und der Wettbewerb um die Top-Positionen steigt. Absolventen müssen sich von ihren Mitbewerbern abheben, wenn sie an die guten Jobs wollen.
Tatsächlich nimmt der Maschinen- und Anlagenbau eine Spitzenposition in der Industrie 4.0 ein, auch wenn die Digitalisierung der Branche nicht neu ist: »Wir nutzen seit jeher die IT und Software fur unsere Produkte, wir sind weltweit führend bei ›embedded systems‹ und Automatisierungstechnik«, heißt es vom VDMA. Aber die Entwicklung zu einer digitalisierten und vernetzten Produktion nimmt derzeit an Fahrt auf. Die Readiness-Studie des VDMA zeigt, dass sich schon jedes fünfte Maschinenbauunternehmen intensiv mit der Umsetzung von Industrie 4.0 befasst. Sie suchen nach Bewerbern, die sicher mit Daten umgehen können: »Fachkräfte müssen in Zukunft Daten erkennen, wissen, wo sie entstehen, wie man sie validiert und verarbeitet«, erklärt Dirk Stegelmeyer, Professor an der Frankfurt University of Applied Sciences. Unternehmen erwarten von Absolventen Kenntnisse in der digitalen Steuerung, im sicheren Umgang mit anwendungsorientierten Softwarewerkzeugen wie objektorientierter Programmiersprache, mit Simulationspaketen sowie CAD-Software, erklärt Stegelmeyer: »Maschinen- und Anlagenbauer werden zukünftig noch mehr am Rechner als mit realen Werkstücken arbeiten.«
Neue Herausforderungen für Maschinen- und Anlagenbauer
Weitere Aufgabenfelder für Absolventen entstehen im Bereich der IT-Sicherheit. Maschinenbauer und Informatiker werden hier enger zusammenarbeiten, prognostiziert der VDMA. Will Deutschland mit den Marktführern USA und China mithalten, müssen Unternehmen mit Big-Data-Anwendungen umgehen können und sie zu schützen wissen.
Als eine der exportstärksten Branchen ist der Maschinen- und Anlagenbau auch auf Fachkräfte angewiesen, die sich sicher auf dem internationalen Parkett bewegen. Englischkenntnisse sind in vielen Positionen Einstellungsvoraussetzung, auch, weil die USA das wichtigste Exportland für die Maschinenbaubranche ist. Wer noch eine weitere Sprache beherrscht, etwa Chinesisch, oder einige Zeit im Ausland studiert hat, katapultiert sich schnell an die Spitze der Bewerberhierarchie. Und dort wird die Luft langsam dünner. Denn während die Anzahl an Absolventen im Bereich Maschinen- und Anlagenbau steigt, stagnieren die Neueinstellungen in der Branche derzeit.
Für Hochschulabsolventen bedeutet dies: Es gibt viele freie Stellen, aber die Zahl der Mitbewerber wächst. Denn als einer der wichtigsten Industriezweige mit rund 1,012 Millionen Beschäftigten und einem Umsatzvolumen von rund 218 Milliarden Euro im vergangenen Jahr lockt die Branche entsprechend viele junge Leute an. Auf Hochschulabsolventen warten Einstiegsgehälter zwischen 42.000 und 54.000 Euro.
Erfahrungen in Praxis und Wirtschaftswissenschaft von Vorteil
Um sich von Mitbewerbern abzuheben, sollten sich Absolventen möglichst spezialisieren, rät Dirk Stegelmeyer, der die Lehreinheit Maschinenbau an der Frankfurt University of Applied Sciences leitet. »Die Unternehmen brauchen nicht nur Generalisten, sondern weiterhin Spezialisten, die sich in ihrem Fachbereich genau auskennen «, erklärt er. Auf tiefere Kenntnisse in einem Gebiet, aber auch auf gute Noten würden Personaler besonders achten. Wer sich nicht schon im Studium spezialisiert hat, kann dies in den ersten Berufsjahren nachholen. In vielen Unternehmen sind die Aufgaben ohnehin so speziell, dass Berufseinsteiger erst direkt am Arbeitsplatz zu Experten in den entsprechenden Bereichen werden können.
Ebenso würden Absolventen punkten, die schon während dem Studium Praxiserfahrung gesammelt hätten und ihr Wissen anwenden könnten, beobachtet Stegelmeyer weiter. Praxisbezogene Abschlussarbeiten und einige große Referenznamen im Lebenslauf steigern die Chancen auf dem Jobmarkt auch. Absolventen sollten zudem flexibel und bereit sein, auch Jobs anzunehmen, die vielleicht nicht in ihrer Heimatstadt oder ihrer Lieblingsbranche lägen, rät das Deutsche Institut fur Wirtschaftsforschung. Denn Karrierechancen, Tätigkeitsbereiche und Gehaltsniveau schwanken je nach Region.
Besonders hoch ist der Bewerberandrang derzeit bei Stellen rund um erneuerbare Energien. Wer hier einsteigen will, muss unter den Mitbewerbern herausstechen. Beispielweise durch zusätzliches betriebswirtschaftliches Wissen. »Wir werden Geschäftsmodelle digital geprägter Wertschöpfungsketten realisieren«, verlautbarte VDMA-Präsident Festge erst kürzlich. Unternehmen erneuern und erweitern ihre Geschäftsstrategien und brauchen Fachkräfte, die sich den Herausforderungen auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht stellen. Ein weiterer Trend sei daher die Kombination aus Ingenieurs- und Wirtschaftswissenschaften, beobachtet Karl Brenke, Arbeitsmarktexperte am Deutschen Institut fur Wirtschaftsforschung.
Industrie 4.0 ist ein langfristiger Prozess, der nicht Schlag auf Schlag einsetzt, sondern sukzessive die Berufsbilder der Branche verändert. Bewerber, die auch über ihren eigenen fachlichen Horizont hinaus schauen, interdisziplinär und vernetzt denken können, werden daher in Zukunft noch begehrter sein. Wer dann noch gut im Team arbeiten kann, weiß wie man professionelle E-Mails schreibt und neugierig bleibt, der hat beste Karten fur den erfolgreichen Berufseinstieg. Ihn erwarten spannende Aufgaben und die Chance, die Industrie 4.0 mitzugestalten, wie VDMA-Präsident Reinhold Festge feststellt: »Die Maschinenbauer in Deutschland sind gut gerüstet fur die Zukunft. Sie treiben den Wandel maßgeblich voran. Denn sie können beides: Big Data und Big Thinking!«
DAS SPRICHT DIE PRAXIS
Wer sucht wen? Warum? Worauf es ankommt bei Ausbildung, Bewerbung und Arbeitgeberwahl. Eine Runde Expertenwissen
Maurice Eschweiler
Mitglied des Vorstandes der DMG MORI AG
»Als weltweit tätiges Unternehmen suchen wir ständig hochmotivierte und ideenreiche Hochschulabsolventen, die neben Teamfähigkeit und Einsatzbereitschaft auch hohe Affinität fur moderne Technologien mitbringen. Insbesondere in allen Bereichen der Industrie 4.0 gibt es spannende Einstiegsmöglichkeiten und hervorragende Entwicklungsperspektiven.«
Thilo Brodtmann
Hauptgeschäftsführer des VDMA
»Die Maschinenbauer aus Deutschland haben gezeigt, dass sie im Rennen um die Einführung von Industrie 4.0 mit den Amerikanern nicht nur auf Augenhöhe sind, sondern zum Teil deutlich vorn liegen. Eine Fülle von Praxisbeispielen belegt, dass die neuen Produktionsmethoden und Geschäftsmodelle immer stärker umgesetzt werden.«
Bernd Richter
Leiter Personal Windmöller & Hölscher
»Wir suchen Bewerber, die unsere Begeisterung für Technik teilen. Gute Ergebnisse im Studium und erste Praxiserfahrungen werten wir als ein Zeichen dafür. Englischkenntnisse und Spaß an interkultureller Zusammenarbeit sind Voraussetzung für unser internationales Arbeitsumfeld. Wir bieten kontinuierlich Einstiegschancen, zur Zeit besonders für Maschinenbau-/Automatisierungs-Spezialisisten.«
Michael Beecken
Director Human Resources bei der GEA Group
»Die Bandbreite der Ingenieuraufgaben im internationalen Maschinen- und Anlagenbau ist extrem vielfältig. Wir suchen Ingenieure, die Spaß an dieser Aufgabenvielfalt haben. Zufriedenheit bei der Arbeit und den entsprechenden Erfolg findet man nur, wenn die Aufgabe auch zu einem passt, daher sind Offenheit im Bewerbungs- und Entwicklungsprozess Voraussetzung für den gemeinsamen Erfolg!«
Roy Keipke
Professor für Maschinenbau an der FH Stralsund
»Wenn Unternehmen Absolventen auf den Arbeitsmarkt suchen, so erwarten sie in der Regel eine solide technische Grundausbildung durch das Studium, aber auch ausreichende allgemeine und gesellschaftliche Grundkenntnisse, sowie Aufgeschlossenheit, Flexibilität in jeder Hinsicht, Einsatzbereitschaft und themenübergreifendes Denken.«