Bunte Farben in Bechern

Chemieindustrie: Gute Chancen für Ingenieure

Ein bisschen hiervon, ein Tröpfchen davon: Die Chemieindustrie bietet für Ingenieure einen vielfältigen Mix an Möglichkeiten. Einige stellen wir dir vor

Während andere sich schon längst keine Gedanken mehr machen, plant Katrin Eichert noch fleißig weiter. Erst kürzlich habe sie überlegt, wie sie die Prozesse bezüglich der Abschlussfeier ihres Sohnes optimieren und Ressourcen bündeln könnte.

Dieses Verhalten und Detailverliebtheit kommen nicht von ungefähr: Eichert arbeitet als Production Engineer im Vinylacetat-Betrieb am Standort Frankfurt-Höchst des US-amerikanischen Chemieunternehmens Celanese.. Wenn sie ihre Aufgaben aufzählt, verwundert es nicht, dass sich gewisse Einflüsse auch im Privatleben zeigen: »Mein Berufsalltag ist sehr produktionsgetrieben. Mein Arbeitstag beginnt in der Regel mit unserem täglichen Produktionsmeeting, in dem geklärt wird, welche Probleme es zu lösen gibt und welche Wartungsarbeiten anstehen. Ist dies erledigt, sind Prozesssicherheit und -optimierung sowie die Unterstützung bei Aufgaben der Betriebsleitung Schwerpunkte meiner Arbeit«, erklärt die 41-jährige stellvertretende Betriebsleiterin, in deren Aufgabenbereich zusätzlich die Kostenkontrolle, Schulung von Mitarbeitern, Kommunikation mit Behörden, Durchführung von internen und externen Audits sowie die Betriebsdokumentation fällt. Hier sei besonders ihr Zeitmanagement gefordert, um diese Vielzahl der Aufgaben unter einen Hut zu bekommen.

Dr. Gerit Niggemann könnte dies so unterschreiben. Auch bei ihm steht Effizienz ganz oben. Der 36-jährige betreut mit seinem Prozessteam bei Evonik die kontinuierliche Optimierung eines Produktionsprozesses und hat täglich viel zu organisieren: Gespräche mit Teammitgliedern, Auswertung von Prozessdaten aus Labor- und Produktionsanlagen, Aufsetzen von business cases für Entwicklungsprojekte, Erstellung und Abstimmung von Präsentationen, Organisation der nächsten Dienstreise und Telefonkonferenzen mit Kollegen in den USA und Singapur. Hier gilt es, pragmatisch vorzugehen, für eine gute Kommunikation und einen steten Informationsfluss zu sorgen. Niggemann stellt dabei vor allem hohe Anforderungen an sich selbst: »Es gilt Selbstdisziplin zu wahren und mit sich als ›Ressource‹ verantwortlich und nachhaltig umzugehen.«
 

Wie wird man Chemieingenieur?

Wobei dies einfach sein kann, wenn der Job Spaß macht. Was bei Niggemann der Fall ist. »Vor allem die Arbeit in starken interdisziplinären Teams, gemeinsam Widerstände zu überwinden, Herausforderungen zu meistern und als Team Erfolg zu haben«, konkretisiert der Prozessingenieur, der an der TU Dortmund Chemieingenieurwesen studiert hat. Selbstredend gibt es aber auch Aspekte, die er nicht besonders schätzt. Ineffiziente Projekttreffen ohne erkennbaren Fortschritt gehören dazu. Ziel muss es schließlich sein, die Projekte inhaltlich voranzubringen.
 

Chemie und Mathe als Lieblingsfächer

Wohl jeder Berufstätige kennt Aufgaben oder Abläufe, die ihm weniger zusagen. Dr. Erika Pusztai beispielsweise arbeitet lieber praktisch als theoretisch. Allerdings ist in ihrem Job das eine ohne das andere nicht möglich: Die 29-Jährige arbeitet als Trainee für die Anlagensicherheit bei BASF. Bereits in der Schule waren Mathe und Chemie ihre Lieblingsfächer, weswegen ihr die Studienfachwahl nicht schwer fiel: Chemieingenieurwesen und anschließende Promotion an der Technischen Universität Budapest: »Das an der Uni gesammelte theoretische Wissen setze ich jetzt in der Praxis um – und das in einem Unternehmen, das Produkte in riesigen Mengen herstellt«, erklärt die Trainee und fügt hinzu, dass dies für sie eine große Umstellung sei. Ebenso, dass sie sich bei BASF mehr mit der Technik beschäftigt, während sie sich im Studium auf die chemietypischen Fragestellungen konzentriert hatte. Hinzu kommt, dass sie und ihr Team, in dem Chemiker, Verfahrenstechniker, Maschinenbauingenieure und Elektrotechniker arbeiten, auf die Wirtschaftlichkeit achten und gesetzliche Vorgaben einhalten müssen.

Dass diese gesetzlichen Vorgaben ständigen Veränderungsprozessen unterliegen, weiß auch Sonja Spohr: »Diese komplexen neuen Anforderungen im Arbeitsalltag technisch umzusetzen, erfordert innovatives Denken und Handeln sowie sorgt dies für einen ständigen Wandel meines Berufsfeldes.« Die 29-Jährige, die ihren Master in Umwelt- und Verfahrenstechnik an der Hochschule Augsburg gemacht hat, absolviert ein Traineeprogramm im Bereich Engineering beim Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim. Bereits während ihres Studiums hatte sie festgestellt, dass sie besonders der Bereich der thermischen und chemischen Verfahrenstechnik interessiert: »Die Produktionsanlagen bei uns im Unternehmen bieten mir genau das Spektrum an Aufgabenstellungen, das ich mir vorgestellt habe. Außerdem freue ich mich, dass ich durch meine Arbeit in der chemischen Produktion einen wertvollen Beitrag zur Gesundheit meiner Mitmenschen leisten kann.« Neben der sinnstiftenden Komponente mag sie an ihrem Job besonders die Arbeit mit den Produktionsanlagen: »Jeden Tag entdecke ich neue technische Gegebenheiten, welche sich perfekt mit dem theoretischen Wissen aus meinem Studium verknüpfen und somit ein Gesamtbild entstehen lassen. «

Auch Dr. Gerit Niggemanns Fokus’ liegt auf Anlagen – im Speziellen auf deren Optimierung und der Entwicklung neuer, effizienterer Prozesse. Entscheidende Treiber für Innovationen und technische Weiterentwicklungen sind dabei wirtschaftliche und politische Randbedingungen, so der Prozessingenieur und spricht dabei explizit die Veränderung von Rohstoffpreisen und Absatzmärkten sowie die Modifizierung gesetzlicher Vorgaben an.

Allerdings haben politische und wirtschaftliche Entscheidungen nicht nur positiven Einfluss. Josephine Neumann kann davon ein Liedchen singen: »Geplante Projekte können aufgrund von strategischen Entscheidungen kurzfristig gestrichen werden. Außerdem wirken sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf die Auftragslage der Projekte aus. Wenn viel investiert wird, ist die Nachfrage nach neuen Verfahren höher als wenn die Lage unsicher ist. Dann sind wir genauso gefordert, wenn politische Entscheidungen wie die Ausnahmeregelungen für die EEG-Umlage energiesparende Verfahren erfordern.«
 

Chemieingenieure: Energiekosten im Blick

Was die Projektingenieurin bei Wacker Chemie hier anspricht, kennt auch Katrin Eichert von Celanese sehr gut: »Selbstverständlich sind die Energiekosten in Deutschland auch ein Thema für uns, denn im internationalen Vergleich haben wir einen deutlichen Wettbewerbsnachteil, wenn man unsere Rohstoff- und Energiepreise – gerade im Vergleich zu den USA und Asien – betrachtet. Durch die hohen Stromkosten, die das Erneuerbare-Energie-Gesetz mit sich bringt, stehen wir unter enormen Druck, Energiekosten einzusparen«, erklärt Eichert und fügt hinzu, dass das Unternehmen auch am Handel mit CO2-Zertifikaten teilnimmt und sie hierbei jederzeit einen detaillierten Nachweis über die CO2-Emissionen, die als Nebenprodukt im Produktionsprozess entstehen, führen müssen. Die Bürokratie, die bei der Erstellung der Dokumentation zu CO2-Zertifikaten oder bei den geplanten Änderungen in der Anlage zwangsläufig entwickelt, ist ein Punkt ihrer Arbeit, den sie – milde ausgedrückt – manchmal als etwas trocken empfindet. Das sei aber der einzige ›spaßbremsende‹ Faktor bei ihrer Arbeit.

Für Josephine Neumann hingegen ist es manchmal frustrierend, wenn eine komplexe numerische Simulation auf ihr Ergebnis warten lässt. Ist dieses allerdings erst einmal da, ließe sich damit eine gute Überzeugungsarbeit für den Einsatz neuer Technologien leisten, so die 26-Jährige, die in der zentral angesiedelten Verfahrensentwicklung tätig ist. Konkret ist sie für Projektmanagementthemen zuständig. Dazu gehören Routinetätigkeiten wie die Vor- und Nachbereitung von Meetings, die Termin-, Kosten- und Ressourcenplanung und das Controlling vergebener Arbeitspakete. »Zum anderen stehen verfahrenstechnische Berechnungen, Modellierung und Simulation, Herstelleranfragen, Recherchen, Auslegungsfragen und Apparateauswahl sowie Kostenschätzungen an«, zählt Neumann weiter auf. Doch ist es damit immer noch nicht getan: Es kommen noch Betriebsbesichtigungen und Messwartenbesuche hinzu, Analysen von Verfahrens- beziehungsweise Rohrleitungs- und Instrumenten-(R&I)Fließbilder, Prozessdaten sowie telefonische und persönliche Absprachen mit den Ansprechpartnern aus den Projekten und Betrieben. Sportlich gefordert ist sie außerdem auch noch – um schnell jede Aufgabe zu erledigen, heizt sie mit dem Fahrrad über das zwei Quadratkilometer große Werksgelände.

Dass an diese Fülle von Aufgaben auch gewisse Herausforderungen geknüpft sind, das kann Neumann nur bestätigen: »Als Projektingenieure in der zentral angesiedelten Verfahrenstechnik sind wir interne Dienstleister. Teil meiner Arbeit ist es, die für meine Projekte notwendigen Informationen bei den im operativen Geschäft eingebundenen Kollegen der produzierenden Betriebe und betreuenden Technikabteilungen einzuholen sowie regelmäßig die Zwischenergebnisse und das weitere Vorgehen zu diskutieren. Terminkonflikte mit Routinebesprechungen und akuten Themen sind hier meistens vorprogrammiert«, erklärt die Projektingenieurin. Interessant sei es auch, wenn es um Kosten- und Zeitschätzungen bezüglich geplanter Projekte gehe – schließlich seien hier viele Faktoren zu berücksichtigen und realistische Summen zu schätzen, da das Projekt ansonsten entweder zu teuer werde und infolgedessen nicht in Auftrag gegeben werden kann oder bei zu niedrigen Schätzwerten das Budget überzogen werde.

Die 26-Jährige muss demnach ihr Augenmerk besonders aufs Planen legen. Das macht sie so genau, dass sie mittlerweile festgestellt hat, dass sich das auf ihren privaten Bereich ausgedehnt hat. Ob es umgekehrt ist, kann Neumann nicht sagen, aber eines weiß sie ganz gewiss: privat anfallende Kosten haben nicht solche Dimensionen wie bei Großprojekten in der Chemischen Industrie.


Anzeige

Anzeige