Herr Dr. Isphording, inwiefern wird die COVID-19-Pandemie unser Zusammenleben verändern?
»Viele Lebensbereiche werden digitaler aus der Krise kommen als sie es vorher waren. Viele Menschen haben ihre Scheu und Vorbehalte vor Online-Meetings und Videochats verloren. Jetzt zwangsläufig erprobte digitale soziale Interaktion wird in einigen Bereichen zum neuen Standard. Gleichzeitig zeigt die Krise aber auch die Nachteile und Grenzen der digitalen Kommunikation auf. Manch einer sehnt sich aus dem Homeoffice wieder ins Büro zurück – oder den Besuch der Verwandtschaft herbei. Ich hoffe aber, dass in jedem Fall zwischenmenschliche Kontakte, ob digital oder analog, wieder etwas bewusster gepflegt werden.«
Durch die Corona-Krise sind Online-Lehre und Homeoffice plötzlich in ganz neuem Ausmaß möglich – werden wir eine neue Form digitaler Arbeit und digitalen Lernens erleben?
»Wir sollten nicht davon ausgehen, dass die unter dem Druck der Corona-Krise eingeführten Digitalisierungsmaßnahmen dem Qualitätsanspruch genügen, den wir zurecht an unsere Hochschullehre stellen. Zur Digitalisierung von Studiengängen ist eine langfristige Strategie vonnöten. Vor allem muss stetig empirisch überprüft werden, welche Auswirkungen die neuen Maßnahmen und Strukturen auf Lernerfolg und soziale Ungleichheit haben. Nicht alles, was jetzt plötzlich digital möglich ist, ist auch in Zukunft wünschenswert und der Präsenzlehre überlegen. Meine größte Sorge ist, dass Maßnahmen und Strukturen, die jetzt notwendigerweise überstürzt eingeführt werden, später unreflektiert in den Regelbetrieb übernommen werden. Wichtig hierbei ist empirische Evaluation im Rahmen von kontrollierten randomisierten Feldstudien, wie sie auch bei neuen Medikamenten zu Recht vorgeschrieben sind, um die Wirksamkeit zu belegen und Nebenwirkungen auszuschließen. An den gleichen Standard sollten wir uns auch bei Digitalisierungsmaßnahmen halten, die grundsätzlich die Art und Weise ändern, wie wir unsere Studierenden ausbilden.«