Frau Werhahn, TÜV Rheinland ist ein weltweit tätiger Prüfdienstleister. Wie schaffen Sie es, dass sich Mitarbeiter als Teil eines großen Ganzen fühlen?
Das ist eine faszinierende Aufgabe für uns alle. Wir haben heute mehr Mitarbeitende im Ausland als in Deutschland. Bei uns arbeiten Menschen aus 110 Nationen zusammen, das ist extrem positiv für uns, denn unterschiedliche Kulturen bringen unterschiedliche Perspektiven mit. Zwei Punkte sind wichtig, damit das Wir-Gefühl bei aller Vielfalt bestehen bleibt. Punkt eins: Wir haben eine gemeinsame Mission, egal wo auf der Welt. Wir leisten eine sinnvolle Arbeit für die Sicherheit der Menschen und für technischen Fortschritt. Unser Leitbild und unsere Werte sind Grundlage für dieses Selbstverständnis. Punkt zwei: die tägliche Erfahrung bei der Arbeit in internationalen Teams und über den eigenen Fachbereich hinaus. Das schafft Tag für Tag Gemeinsamkeit.
Sie haben als Frau eine Vorstandsposition inne. Was raten Sie Frauen, die eine Karriere in einer Branche anstreben, die immer noch männlich geprägt ist?
Absolventinnen sollten sich sehr genau anschauen, ob das Unternehmen zu ihnen passt. Denn innere Werte zählen mehr als äußerer Schein. Die Unternehmenskultur ist wichtig. Jede neue Frau in einem Unternehmen – das gilt natürlich vor allem in Führungspositionen – kann dazu beitragen, die Kultur zu ändern. Darüber hinaus finde ich es sehr wichtig, dass wir uns zum Beispiel bei TÜV Rheinland klare Ziele für mehr Frauen in Führungspositionen gesetzt haben und dazu Maßnahmen umsetzen. Viele Unternehmen sind bestrebt, das Ungleichgewicht zwischen Frauen und Männern in der Belegschaft auszugleichen und engagieren sich stark. Das bietet Frauen verbesserte Einstiegs- und Karrieremöglichkeiten, gerade in männerdominierten Branchen. Und schließlich gilt für den persönlichen Auftritt aus meiner Sicht: keine Scheu.
Inwiefern besteht in Ihren Augen immer noch eine Ungleichheit zwischen Männern und Frauen in der Branche der technischen Prüfdienstleister?
Zunächst: Viele technisch geprägte Branchen sind traditionell männlich dominiert. Ich kenne das aus der Energiewirtschaft, der Automobilindustrie und nun auch von den technischen Prüfdienstleistern. Aktuell liegt der Frauenanteil bei den Führungskräften von TÜV Rheinland bei 15 Prozent, im Gesamtkonzern sind 37 Prozent der Belegschaft weiblich. Je mehr Frauen in verantwortliche Positionen gelangen, desto mehr ändert sich die Unternehmenskultur. Und das wollen wir. Ungleichheit wird aus meiner Sicht aber auch weiterhin gesellschaftspolitisch erzeugt und geprägt. Hier müssen andere Rahmenbedingungen geschaffen werden. Ein Beispiel: Es ist doch kein Zufall, dass der Frauenanteil bei TÜV Rheinland in Asien erheblich höher ist als in anderen Regionen. Er liegt dort bei fast 50 Prozent. Das liegt an gesellschaftlichen und gesamtwirtschaftlichen Realitäten, die dort ganz anders sind. Wir können als Unternehmen aber zu gesellschaftlichen Veränderungen beitragen, indem wir zum Beispiel in Initiativen mitwirken – etwa der ›Initiative Chefsache‹, die ich auch persönlich unterstütze.
Wo wird Ungleichheit in Deutschland besonders deutlich?
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist immer noch ein Thema, das Frauen anders – und damit meine ich auch stärker – betrifft als Männer. Dadurch entstehen Ungleichheiten in der Gestaltung der beruflichen Entwicklung und der Karriere mit Konsequenzen in vielen Lebensbereichen.
Apropos Karriere: Welche Einstiegschancen für Absolventinnen und Absolventen bietet TÜV Rheinland? Die Einstiegschancen sind sehr breit gefächert, weil wir in nahezu allen Lebensbereichen und Branchen tätig sind. Und obendrein auch noch rund um den Globus. Wir haben beispielsweise allein rund 3.000 Kolleginnen und Kollegen in China, die bei uns arbeiten. Grundsätzlich spielen die Themen Wissen und Weiterbildung bei uns in der Personalentwicklung eine zentrale Rolle. Das gilt im Übrigen wirklich ein Berufsleben lang. Denn ebenso, wie sich Technik ständig entwickelt, müssen sich auch unsere Qualifikationen entwickeln. Das Besondere bei TÜV Rheinland ist beispielsweise, dass wir unsere neuen Mitarbeiter in umfangreichen Trainings- und Qualifizierungsmaßnahmen auf die Tätigkeit als Prüfingenieure oder Sachverständige vorbereiten.
Welche Qualifikationen sollten Absolventen mitbringen, die bei TÜV Rheinland einsteigen wollen?
Für das technische Prüfgeschäft ist in der Regel ein abgeschlossenes Studium im ingenieur- oder naturwissenschaftlichen Bereich die Grundvoraussetzung. Zudem ist es sehr hilfreich, wenn Bewerber wissbegierig und offen für Neues sind, über den Tellerrand hinausblicken wollen und zum Beispiel auch gerne international arbeiten. Gründlichkeit, Leistungsbereitschaft und Integrität stehen bei uns ebenfalls ganz oben. Unser Slogan lautet nicht umsonst: ›Genau. Richtig.‹
Mobilität ist für TÜV Rheinland unverändert ein großes Thema. Wie weit ist der TÜV Rheinland in dem Bereich ›Future Mobility Solutions‹?
Unsere Arbeit im Bereich Mobilität macht heute etwa ein Viertel unseres gesamten Geschäftes aus. Ebenso wichtig sind Industrie- oder Produktprüfungen, berufliche Qualifikation und Arbeitssicherheit, die Zertifizierung von Managementsystemen oder Cybersecurity. Aber natürlich haben Sie recht: Viele verbinden mit dem TÜV die Führerscheinprüfung oder die Autoprüfung. Das bleibt auf absehbare Zeit auch so. ›Future Mobility Solutions‹ ist bei uns ein interdisziplinär aufgestelltes Team mit drei Themenschwerpunkten: neue, digitale Mobilitätskonzepte, alternative Antriebe und autonome Fahrsysteme. Immer geht es dabei um Sicherheit und Verlässlichkeit. Technik soll den Menschen und der Umwelt nutzen, mehr Lebensqualität schaffen. Da bieten in der Mobilität moderne Technologien und die Vernetzung von Verkehrsträgern fantastische Möglichkeiten. Elektromobilität und autonomes Fahren gehören ebenfalls dazu.
Welche anderen Mobilitätskonzepte gibt es für den TÜV Rheinland und was ist das Besondere daran?
Wenn wir von der Mobilität der Zukunft sprechen, dann rückt fast zwangsläufig das Thema Daten in den Mittelpunkt, denn sie sind die Grundlage für alle innovativen Mobilitätskonzepte von morgen. Damit Dinge wie Autos ›intelligent‹ werden, ist eine Vernetzung untereinander und mit der Umgebung zwangsläufig nötig. Das wiederum führt zu Datenerfassung und -austausch. Permanent. Als unabhängiger Dritter ist es für uns als TÜV Rheinland entscheidend, in Zukunft auch für die Sicherheit und Integrität von Daten zu stehen.
Welche Ziele stehen bei den Konzepten im Vordergrund?
Einfach gesagt: Qualität und Sicherheit von Mensch, Technik und Umwelt. Wir haben vor 150 Jahren als Dampfkesselüberwachungsverein angefangen. Damals wollten wir diese fortschrittliche Technik sicherer und gleichzeitig wirtschaftlicher machen. Neue Technologien und Innovationen sind nur dann erfolgreich, wenn sie verlässlich funktionieren und Nutzen bringen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. In der Mobilität geht es heute ebenfalls darum, die zunehmend automatisierte, vernetzte und digitalisierte Mobilität sicher, umweltverträglich und effizienter zu gestalten. Das ist extrem spannend. Dazu kommt, dass wir nicht nur in der Mobilität, sondern auch in vielen anderen Bereichen solche technologischen Revolutionen erleben – dank der Digitalisierung.