»Die größte Umstellung ist die Tatsache, dass heute von überall eingekauft wird – also online und mobil«, erklärt Janine Seitz, Projektleitung Reports und Retail- Expertin beim Zukunftsinstitut. Somit sei der stationäre, ortsgebundene Handel nur noch ein Touchpoint von vielen. Marco Werner, Chief Digital Officer (CDO) bei Karstadt stimmt dem zu: »Wir merken, dass die Kundenanforderungen sich extrem gewandelt haben. Heute erwarten die Kunden, dass sie über alle mobilen Endgeräte auf unseren Onlineshop zugreifen können.« Durch die Möglichkeit des schnellen Preisvergleichs sei für Karstadt unter anderem das Preis- Leistungsverhältnis ein wichtiger Erfolgsfaktor. Die Warenhauskette vollzog in den letzten Jahren einen Kulturwandel vom rein stationären Händler, hin zum umfassenden Omnichannel-Händler, bei dem E-Commerce als eines der wichtigsten Wachstumsfelder gilt.
Nah am Kunden
Von großer Bedeutung sieht Werner auch den ›Check-Out-Prozess‹, der letzten Hürde der Bestellung, und die folgende Kundenbetreuung. Laut Studien verlieren Online-Händler hier 60 bis 90 Prozent der Kunden. »Wenn es zum Versand und der Lieferung der Ware kommt, kann die Kundenzufriedenheit maßgeblich beeinflusst werden«, so der Karstadt-CDO. Ansatzpunkte hierfür seien vielseitige Bezahlmöglichkeiten, eine rechtzeitige Lieferung zu Wunschzeit und -ort sowie ein kundenfreundlicher Retourenprozess. Ähnlich sieht das auch Hendrik Müller, Director Business Development bei Thalia: »Im E-Commerce-Bereich sind wir datengetrieben natürlich sehr nah am Kunden und nutzen die Informationen für ein immer persönlicheres, besseres und effizienteres Marketing.« Durch die Möglichkeit von Software und Technologie könne bei deutlich steigender Planungsqualität der Planungsprozess erheblich verschlankt und vereinfacht werden.
Handel im Wandel
Durch die Digitalisierung als wichtigster Treiber krempeln Handelsunternehmen ihre Strukturen grundlegend um. Janine Seitz sieht die stationären Händler in der Pflicht, da auch immer mehr digitale Unternehmen zu Händlern werden. Diese können die stationären Händler als Konkurrenz ansehen – oder aber mit ihnen kooperieren und Synergieeffekte nutzen: »Nicht jeder Händler muss alles können, doch jeder hat die Möglichkeit, sich mit anderen zu vernetzen.« So verschwindet der reine Verkauf immer mehr und Konzepte, wie Retail-Gastro-Angebote, die auf Erlebnisse, Erfahrungen und Services setzen, gewinnen an Bedeutung. Die beiden Händler Thalia und Karstadt sehen das ähnlich: »Wir müssen lernen, die neuen Möglichkeiten zu nutzen und das Mehr an Daten und Informationen in die Entscheidungsprozesse einbeziehen«, so Hendrick Müller von Thalia, während Karstadt-CDO Werner darauf hinweist, dass die Warenhauskette die Zusammenarbeit mit ihren digitalen Kooperationspartnern stetig ausweitet. Allerdings stellt Janine Seitz fest, dass Handelsberufe trotz allem auch Tätigkeiten von Mensch zu Mensch bleiben: »Beratung ist eine wichtige Kompetenz – in einer Welt, in der Technologie zur Selbstverständlichkeit geworden ist, gewinnen im Handel Interaktionen zwischen Menschen sogar an Bedeutung.«