Thomas Sattelberger

Interview mit Thomas Sattelberger

Er hat den Fachkräftemangel im Visier und setzt sehr viel Energie dafür ein, dass Deutschland wirtschaftlich nicht baden geht.

MINT: Ziele, Chancen, Aktivitäten

Herr Sattelberger, dieser MINT-Tag ist eine gute Gelegenheit, eine Zwischenbilanz zu ziehen. Inwieweit konnten die Ziele der MINT -Initiative wie die Erhöhung der Frauenquote oder zwei verpflichtende MINT -Fächer in Gymnasien umgesetzt werden?

Ich bin sehr zufrieden über die momentane Entwicklung in Deutschland. Als wir 2008 mit der MINT-Initiative angefangen haben, hatten nur zwei Bundesländer zwei verpflichtende MINT-Fächer bis zum Abitur. Heute sind es schon sechs Bundesländer. Zudem ist die MINT-Absolventenquote um zwei Prozent von 31 auf 33 Prozent gestiegen. Gleichzeitig sank die Abbrecherquote von über einem Drittel auf unter 30 Prozent.

Wo sehen Sie die Ursachen für die sinkende Zahl der Studienabbrecher?

Auslöser für einen Abbruch ist oft fehlender Alltagsbezug der Lehre oder ein zu hoher, anhaltender Prüfungsdruck. Ich denke aber, dass auf beiden Feldern Umdenken wie Weiterentwicklung stattfindet, Studiengänge erhalten deutlich stärkere praxisorientierte Bezüge. Gerade die verbesserte Zusammenarbeit von Unternehmen und Hochschulen, die Integration von praktischen Problemstellungen und der Einbezug von Praxisreferenten führt zu besserem Praxisbezug. Und gleichzeitig beginnen die Hochschulen die durchgetakteten Prüfungen zu entschlacken.

Was ist Ihrer Meinung nach wichtiger: Ein Studium aus wirklichem Interesse zu ergreifen oder sich für ein MINT -Fach wegen der guten Zukunftsaussichten zu entscheiden?

Am Schönsten wäre es natürlich, wenn es eine Kombination aus beidem wäre – einer Mischung aus Nützlichkeit und Überzeugung. Ich hoffe, dass junge Menschen MINT nicht nur aufgrund sicherer Zukunftsaussichten studieren – was wichtig ist – sondern auch, weil sie Spaß daran haben. Im Zweifel würde ich Abiturienten immer raten, nach ihren Interessen zu studieren. Ein Studium nur aus Gründen der Nützlichkeit zu absolvieren macht auf Dauer nicht zufrieden.

Eine Frage in der Diskussion lautet immer wieder: ›Wer erzieht die Erzieher?‹ Ist es wichtiger, den Fokus auf die Lehrerausbildung zu legen, damit diese die MINT -Thematik besser erklären können oder darauf, möglichst viele Schüler für ein MINT -Fach zu interessieren?

Angesichts der Fachkräftelücke gibt es hier kein ›Entweder – Oder‹. Wenn der Schwerpunkt ausschließlich auf die Lehrerausbildung gelegt werden würde, würde wahrscheinlich ein halbes Jahrzehnt vergehenund das Thema von mehr MINT-Studierenden liegen bleiben. Man muss es so hart sagen: Ein Deutschland ohne MINT führt dazu, dass auch Geisteswissenschaftler, Journalisten und Betriebswirte nicht gebraucht werden. Die Weltwirtschaftskrise hat eindeutig gezeigt, was mit Volkswirtschaften passiert, die mit Nominalund nicht – wie Deutschland – mit Realgütern dominant ihr Gewerbe betreiben. Ich empfinde die Defizit-Situation heute in unserem Land als so dringlich, dass der Fokus unbedingt auf beidem liegen muss. In einem Punkt haben Sie Recht: Es sollten nicht mehr junge Menschen eine Disziplin studieren, wenn keine qualifizierten Lehrkräfte da sind. Insofern sind sowohl der Pakt für Exzellenz in der Lehre, als auch alle anderen Initiativen für gute Lehre, so ungeheuer wichtig – nicht nur an Fachhochschulen, sondern vor allem an den Universitäten. Denn dort sind die größten Defizite in der Lehre angesiedelt.


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