Jürgen Hesse, Karriereexperte
Jürgen Hesse, Karriereexperte privat

Dresscode auf der Jobmesse: Interview

Karriereexperte Jürgen Hesse erklärt, warum Flip Flops und weite Ausschnitte auf Jobmessen tabu sind

Herr Hesse, wenn ich auf einer Karrieremesse meine abgetragene Lieblingsjogginghose ausführe, falle ich wahrscheinlich nicht allzu positiv auf, oder?
(lacht) Nein, das kann man wohl sagen. Wichtig ist: Sie machen auf der Messe einen ersten Eindruck, den Sie aktiv steuern können und müssen. Natürlich liegt es nicht allein in Ihrer Hand, was beim Gegenüber ankommt, aber es gilt: Nicht overdressed sein, vor allen Dingen aber auch nicht underdressed!

Was wäre denn overdressed?
Overdressed wäre vielleicht, wenn Sie im Smoking daherkommen, mit Rüschenhemd und Fliege. Das könnte ein bisschen zu viel sein – und auch zu heiß, denn solche Jobmessen finden ja meist in Hallen statt und nicht an der frischen Luft. Ziehen Sie sich also nicht zu warm an, um Gottes willen aber auch nicht im lässigen Latschenlook wie in einer Badeanstalt, bauchfrei und mit Stolz zur Schau getragenen Tattoos auf dem Oberarm.

»Wie du kommst gegangen, so wirst du auch empfangen«, sagt ein altes Sprichwort. Mit anderen Worten: Wer als junger Mann in Sandalen oder als Frau mit tiefem Ausschnitt aufkreuzt, bekommt ganz schnell ein bestimmtes Image verpasst. Und das muss nicht zum Vorteil sein.

Gut, ich werde mir also die größte Mühe geben, angemessen gekleidet zu sein. Was aber ist denn nun auf einer Karrieremesse angebracht?
Schlichte Eleganz. Das sagt eigentlich schon alles. Sie sind weder Patient in einem Krankenhaus, noch sind Sie im Freibad oder auf der Loveparade. Sie gehen zu einer Art erstem Vorstellungsgespräch. Das klingt vielleicht etwas ernst, aber Sie haben dort die Möglichkeit einen guten ersten Eindruck zu machen. Diese Gelegenheit kommt nicht wieder. Wenn Ihnen das egal sein sollte, warum sollten Sie dann überhaupt hingehen? Viele glauben, entscheidend sei vor allem das, was sie sagen. Aber das stimmt nicht. Der erste Eindruck ist vor allem ein optischer. Selbst wenn Sie die Weltformel im Kopf haben: Sie werden, krass gesagt, in Bademantel oder Bikini überhaupt keine Gelegenheit bekommen, sie aufzusagen. Oder wenn Sie seit einer Woche einen ungewaschenen Pulli tragen, der mittlerweile nur noch nach Brühe riecht. Weshalb sollte sich da noch jemand mit Ihnen unterhalten wollen?

Aber unter all den Jobmessen gibt es ja auch Unterschiede, ich könnte zu sehr förmlich gehaltenen Veranstaltungen gehen, dann aber auch zu solchen in einem recht lockeren Ambiente. Was heißt das für den Kleidercode?
Es gibt ganz zweifellos feine Unterschiede. Wenn ein Recruiting- oder Karriereevent mit dem Besuch einer Boulderhalle, einer Brauerei oder eines Fußballspiels verbunden ist, kann man als Mann die Krawatte durchaus zu Hause lassen. Vielleicht sogar das Jackett. Trotzdem handelt es sich immer noch um eine Art Schaulaufen, machen wir uns nichts vor. Sie sind unterwegs in Sachen Beruf und stehen natürlich auch im Stadion unter Beobachtung. Das heißt: Eine Brauereitour ist noch lange kein Grund, sich zu betrinken, Sie sollten Ihr strahlendstes Lächeln aufsetzen und in einem vernünftigen Maße Kosmetik einsetzen.

Weil Sie schon die Krawatte ansprechen: Nehmen wir an, ich kann Krawatten mehr schlecht als recht binden – soll ich sie weglassen, oder ist auch eine schlecht gebundene Krawatte besser als gar keine Krawatte?
Vor allem sollten Sie sich Hilfe bei Freunden, Eltern oder auch dem Nachbarn holen. Wenn Sie sich besonders fein anziehen wollen, würden Sie ja auch nicht auf Schnürsenkel in ihren ledernen Halbschuhen verzichten. Oder weiße Socken zum dunklen Anzug tragen. Wenn Sie also keine Krawatte binden können, sollten Sie sich professionelle Unterstützung suchen oder darauf setzen, dass es auch ohne Binder geht. (Anmerkung der Redaktion: Oder unsere Videoanleitungen zum Krawattenbinden anschauen.) Bis auf spezielle Ausnahmen und konservative Branchen tut es das auch meistens. Es geht auch ohne Fliege. Fliegen sind bei jungen Männern sogar so ungewöhnlich, dass Sie ein gewisses Risiko eingehen, wenn Sie sie tragen. Kurz gesagt: Ein Mann kann auch ohne Krawatte gut angezogen sein.

Vielleicht auch ohne Jackett? Immerhin werden die Tage wieder länger, die Temperaturen steigen, und wie Sie vorhin schon gesagt haben, finden Jobmessen oft in Hallen statt, die nicht gerade angenehm klimatisiert sind. Wie bleibe ich schlicht elegant, wenn mir ganz schön warm ist?
Bei solchen Veranstaltungen ist es wichtig, ein Jackett zumindest dabei zu haben. Das ziehen Sie an, bevor Sie in Sichtweite des Standes kommen, und wenn Sie ins Gespräch gehen, fragen Sie ganz höflich, ob Sie ablegen dürfen. Ihr Gesprächspartner wird wahrscheinlich sagen: »Das wollte ich Sie gerade auch fragen«, und schon haben Sie etwas Gemeinsames. Es darf natürlich nicht soweit gehen, dass Sie noch ihr Hemd ausziehen und die Schuhe öffnen (lacht), es gibt auch Grenzen.

Jetzt haben wir ziemlich viel von Männermode, Krawatten und Jacketts gesprochen, wie sieht es denn bei Frauen aus?
Wichtig ist, nicht auf Sex zu setzen. Eine Jobmesse ist kein Modelcasting und Sie sollten auch nicht versuchen, mit Ihrer Oberweite zu beeindrucken. Tiefe Ausschnitte, viel Schmuck und knallrote Lippen sind stimulierend, aber um es ganz deutlich auszudrücken: Sie sind nicht auf der Sexmesse. Sie wollen Ihr Köpfchen verkaufen, und das können Frauen auch wunderbar ohne die gerade genannten Dinge.

Ein freundliches Lächeln und eine nette Art reichen völlig aus, denn die Leute, mit denen Sie zu tun haben werden, sollen sich ja nicht in Sie verlieben, sondern Sie sympathisch finden und sich gerne mit Ihnen unterhalten wollen. Weniger Sex ist definitiv mehr. 


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