Absolventenkongress, akademika, connecticum, bonding, Talents, Horizon, contacta, konaktiva. Die Liste mit Karrieremessen ist lang und der Weg dorthin nur selten ausgeschildert. Zumal die genannten allgemeinen Karrieremessen – oder Recruitingevents, wie es heutzutage so schön heißt – nur einen Bruchteil des Angebots ausmachen. Nahezu jede Hochschule hat eine eigene Karrieremesse, wie etwa die ›inova‹ an der TU Ilmenau, und nahezu jeses größere Unternehmen eigene Recruitingevents, so zum Beispiel PwC mit seinen ›Big Sail Adventures‹. Zudem gibt es themen- und fachrichtungsbezogene Messen. Dazu gehören unter anderem die ›women&work‹, die sich der Frauenförderung verschrieben hat, die ›Sticks & Stones‹, auf der die zahlreichen Aussteller ihre Offenheit gegenüber Homo-, Bi- und Transsexuellen zeigen, oder die JURAcon, die sich speziell an Studenten und Absolventen rechtswissenschaftlicher Studiengänge richtet. Da fragt sich der Otto Normalstudent: Welche Abzweigung soll ich in diesem Messe-Dschungel nehmen?
Spezialmessen im Trend
Auch wenn das nur die wenigsten Messeveranstalter bestätigen wollen, lässt sich doch ein Trend erkennen: Der Anteil am Messekuchen, den Veranstalter allgemeiner Karrieremessen für sich beanspruchen können, wird zunehmend kleiner. Das hat gleich mehrere Gründe: In den Wirtschaftskrisejahren seit 2008 mussten viele Unternehmen ihr Budget für Employer Branding und Personalmarketing reduzieren. Die Kosten für einen Stand auf großen Messen gehen aber schnell in den hohen fünf- bis sogar sechsstelligen Bereich. Für diese Ausgaben ist vielen Unternehmen der Ertrag zu gering. Auf großen Messen bleibt aufgrund der Vielzahl an Besuchern kaum Zeit für tiefer gehende Gespräche, oftmals bleibt es bei der Entgegennahme von Bewerbungsmappen. Zudem ist das Publikum auf den allgemeinen Messen sehr heterogen – von Agrarwissenschaftlern über Geistis, Ingenieuren, Wirtschaftswissenschaftlern bis hin zu Soziologiestudenten. Dadurch lernen Unternehmen in Ausnahmefällen zwar qualifizierte und interessante Quereinsteiger kennen, die ihnen sonst durch den Recruitinglappen gehen würden. Dennoch sind die Streuverluste sehr hoch.
Christina Kremer, Leiterin Employer Branding und Personalmarketing von Peek & Cloppenburg, unterstreicht diese Tendenz, wenn sie zu Protokoll gibt, den Fokus – neben eigenen Recruitingevents – auf themen- oder fachrichtungsbezogene Karrieremessen zu legen: »Die Erfahrung zeigt, dass wir hier sehr viele potenzielle Kandidaten kennenlernen. Leider existieren derzeit aber nur wenig auf Handel spezialisierte Karrieremessen.« Vor allem ein Aspekt ist Kremer wichtig: das intensive Kennenlernen des Gegenübers. »Ich denke, dass vor allem Plattformen, die einen intensiven Austausch zwischen Unternehmen und Bewerber zulassen, an Bedeutung gewinnen werden. Die Bewerber von heute sind sehr anspruchsvoll geworden und möchten im Vorfeld genau prüfen, ob ein Unternehmen und die angebotenen Karrierewege zu ihnen passen«, erklärt Kremer, die auch zukünftig vor allem auf unternehmenseigene Recruitingevents wie ›Fashion meets Future‹ setzt.
Recruiting-Events auf dem Vormarsch
Ähnliche Erfahrungen hat die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC gemacht – und daraus ähnliche Konsequenzen gezogen wie Peek & Cloppenburg. Auch Dr. Folke Werner, Leiter Personalmarketing und Recruiting, erkennt einen Trend hin zu fachrichtungsbezogenen Events. Aus dieser Erkenntnis heraus hat das Unternehmen seit einem Jahr das Recruitingevent ›Big Sail Adventures‹ etabliert. »An Bord sind pro Event rund 30 Studenten bestimmter Fachrichtungen, die drei Tage lang von PwC-Fachkräften aus den verschiedenen Geschäftsbereichen begleitet werden. Im Mittelpunkt steht das gemeinsame Segelerlebnis, aber auch das Arbeiten an fachlichen Themen in unterschiedlichen Workshops«, erläutert Dr. Werner. Der Aufwand für ein eigenes Event, gesteht der PwC-Recruiter, ist natürlich erheblich größer als der für Karrieremessen, auf denen Dienstleister des Veranstalters nahezu alle Aufgaben übernehmen. Doch durch die gezielte Ansprache von Fachrichtungen wie Wirtschaftsinformatikern oder Wirtschaftsingenieuren zahlt sich dieser Mehraufwand aus. PwC bleibt dennoch Karrieremessen nicht fern. »Der Wettbewerb um Talente wird sich weiter verschärfen. Da können wir uns nicht auf unserem Erfolg ausruhen und nur auf eine Karte setzen. Die Mischung aus eigenen Events, Hochschul- und Karrieremessen hat sich als sinnvoll erwiesen«, so Dr. Werner.
Karrieremesse, immer wieder fällt dieses etwas sperrige Wort. Karrieremesse, das war früher eine große Messehalle, 50 bis 300 Messestände, an denen Personaler versuchten, jeden potenziellen Bewerber in ihren Bann und an ihren Stand zu ziehen. Ein übergeordnetes Thema hatten solche meist steril wirkenden Messen mit Schema-F-Gesprächen jahrzehntelang nicht. Mittlerweile ist das anders. Auf einen festen Zeitpunkt lässt sich nicht datieren, wann der Wandel in der Messestruktur eingesetzt hat. Es wird aber die Zeit gewesen sein, in der der Begriff ›Diversity‹ aus dem englischen Sprachraum die deutsche Gesellschaft und damit die Human-Resources-Abteilungen zwischen Flensburg und Friedrichshafen erreichte. ›Diversity‹ heißt eigentlich nichts anderes als soziale Vielfalt – und jedes Unternehmen ist bestrebt, diese auch zu leben.
Gleichberechtigung wird zum Messethema
Natürlich kann man sich fragen (lassen), warum Unternehmen auf einmal derart betonen, wie ›diverse‹ sie doch sind. Eigentlich sollte es auch schon in der Vor-Diversity-Ära normal gewesen sein, Menschen nicht aufgrund ihrer Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung oder anderen, völlig belanglosen, äußeren oder inneren Unterscheidungsmerkmalen einzustellen, sondern aufgrund ihrer fachlichen und sozialen Qualifikationen. Fakt ist: Seit einigen Jahren gibt es in Deutschland Messen, die sich eben mit diesen Fragen der Gleichberechtigung von Arbeitnehmern beschäftigen – und große Erfolge feiern. Der Bedarf, insbesondere von Studenten- und Absolventenseite, ist offenbar groß. Eine der populärsten themenbezogenen Messen ist die ›women&work‹, die alljährlich in Bonn stattfindet.
»Die ›women&work‹ haben wir vor drei Jahren ins Leben gerufen, weil Frauenkarrieren immer noch anders verlaufen als die Karrieren von Männern und es bis dato keine Karriere-Veranstaltung gab, die diese Unterschiede positiv aufgegriffen und konkrete Hilfestellung gegeben hat«, berichtet Melanie Vogel, Veranstalterin der ›women&work‹. Vogel selbst weiß aus eigener Erfahrung als Berufscoach, dass viele junge Berufseinsteigerinnen mit angezogener Handbremse in den Beruf einsteigen und nur mit halber Kraft durchstarten, weil sie beispielsweise nicht wissen, wie sich ein potenzieller Kinderwunsch auf den eigenen Job ausüben wird. Vogel hat aus diesen Erfahrungen die Konsequenz gezogen: »Dieses ›Schauen-wir-mal-was-kommt‹-Prinzip ist absolut hinderlich für eine erfolgreiche Karriere. Wir möchten mit der ›women&work‹ junge Frauen ermutigen, konsequenter, selbstbewusster und mit mehr Biss ihre Karriere zu planen und entsprechend ihrer beruflichen und privaten Lebensvorstellungen auch gezielter nach geeigneten Arbeitgebern zu suchen, die eine Kombination von Karriere und Familie ermöglichen.«
Erwartungen werden erfüllt
Die Ausstellerzahlen bei der ›women&work‹ und anderen themenspezifischen Jobmessen steigen kontinuierlich an. Das rege Interesse von Unternehmen zeigt: Diese Recruitingmessen spielen in der Zukunft eine deutlich gewichtigere Rolle als bislang, denn sie haben einen entscheidenden Vorteil für Aussteller und Besucher: Beide Seiten wissen im Vorfeld, was sie erwartet – und können sich daher besser auf die Veranstaltung vorbereiten, was wiederum die Erfolgsaussichten erhöht.
»Diese Messen erfordern eine passgenaue Vorbereitung, bieten dafür aber sehr erfolgsversprechende Möglichkeiten. Hier findet oft schon im Vorfeld eine Sichtung interessanter CVs genauso statt wie Gesprächsvereinbarungen mit interessanten Kandidaten. Auf solchen Messen erfolgt direkteres Recruiting als auf allgemeinen Jobmessen«, heißt es dazu etwa aus der Essener Konzernzentrale von ThyssenKrupp, das zum Beispiel auf den ›Chinese Talent Days‹ ausstellt, um seinen Bedarf in Fernost zu decken. Zudem setzt ThyssenKrupp auf Messen in Standortnähe. Denn so gern Mobilität in den Ring geworfen wird, wenn es um Soft Skills geht – viele Absolventen wollen ihre Heimat nur ungern verlassen, so kann Standorttreue für langfristige Mitarbeiterbindungen ein Vorteil sein. Was genau du vor, während und nach einem Messebesuch beherzigen solltest, erfährst du auf der nächsten Seite. Und immer daran denken: Nicht nur du suchst ein Unternehmen, Unternehmen suchen auch dich. Wenn ein Gespräch nicht auf Augenhöhe stattfindet, findest du etwas Besseres.