Mann hangelt sich im Wald an Balken entlang

Anwälte im Sportrecht

Eine Laufbahn im Sportrecht – nur Allrounder bleiben nicht auf der Strecke

»Ketzer würden vielleicht sagen, so etwas wie Sportrecht gibt es eigentlich gar nicht!« Prof. Dr. Jens Adolphsen sagt diesen Satz manchmal, um seine Jura-Studierenden an der Justus-Liebig-Universität zu provozieren. Immer mehr von ihnen kommen in die Seminare von Adolphsen und interessieren sich für das schillernde Fachgebiet des Sportrechts – angestachelt von aktuellen Medienberichten über den Fall Claudia Pechstein, die am Münchener Landgericht gegen den Eislauf-Weltverband klagte, oder über Basketball-Profi Donald Sterling, der 2014 wegen rassistischer Äußerungen vom Ligaverband NBA eine lebenslange Sperre aufgedrückt bekam. »Ich muss dann den Studierenden immer erklären, dass Sportrecht nichts anderes als die Anwendung der ganz stinknormalen juristischen Fachgebiete auf Fälle im Bereich des Sports ist«, erklärt Adolphsen, Professor für Bürgerliches Recht, nationales und internationales Zivilverfahrensrecht an der Uni in Gießen. »Andererseits bietet Sportrecht die Chance, Jura-Studierende dort abzuholen, wo sie sich für Sport begeistern, und sie damit an die klassischen Fächer der Rechtswissenschaft heranzuführen.« Der aktuelle Fall Claudia Pechstein sei ja doch nichts anderes als ein Lehrstück über ganz klassische Zivilrechtsverfahren.

Die Übergänge sind fließend

Ein aktueller Trend im Sportrecht ist, dass sich immer mehr Nachwuchsjuristen für das Fachgebiet begeistern. Angefacht wird dieser Trend von der zunehmenden Präsenz in den Medien: Im Januar 2015 hatte Claudia Pechstein in ihrem langjährigen Kampf um Rehabilitation im Zuge einer zweijährigen Dopingsperre einen Meilenstein erreicht. Das Oberlandesgericht (OLG) in München ließ ihre Schadenersatzklage gegen den Weltverband ISU auf 4,4 Millionen Euro zu. Ein extrem seltener Vorgang: Ein deutsches Zivilgericht greift in die Urteile eines Sport-Weltverbandes ein. »Das ist gut so«, stellt Prof. Dr. Rainer Cherkeh fest. Der Partner der Sozietät Kern Cherkeh Rechtsanwälte in Hannover und Honorarprofessor für Sportrecht und Vermarktung und Recht an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften begrüßt den aktuellen Trend, dass Zivilgerichte wenn notwendig korrigierend in die Sportsgerichtbarkeit eingreifen. »Die Autonomie der Sportverbände hat Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen«, sagt Cherkeh. »Am Ende geht es um die Berufsausübung und um wirtschaftliche Interessen. Und dann ist frühzeitig auch das Kartellrecht im Spiel.«

Noch mehr juristische Konflikte

Staatliches Recht und die Regelwerke internationaler Sportverbände geraten immer häufiger in Clinch. Treiber der Entwicklung ist die simple Tatsache, dass man mit Sport immer mehr Geld verdienen kann. Durch die steigende Kommerzialisierung und Professionalisierung wachsen juristische Konflikte. Das betrifft nicht nur klassische sportrechtliche Themen wie das Verbands- und Vereinsrecht, sondern insbesondere Strafverfahren wie Dopingfälle, das Sporthaftungsrecht und das Sportarbeitsrecht, also Trainer- und Spielerverträge. Es geht aber auch um die Vermarktung von Events, Verbänden, Ligen oder Teams sowie Einzelsportlern. Hier liegt der juristische Schwerpunkt auf Beratung im Lizenz- und Medienrecht sowie im gewerblichen Rechtsschutz.

Auch Vereine und Vermarkter gehören zu den Kunden

»Auch die Ausgliederung von Profiabteilungen in Kapitalgesellschaften oder die Fusionen großer Vereine stehen für uns Sportrechtler immer häufiger auf der Tagesordnung«, sagt Prof. Cherkeh. »In unserer Kanzlei begleiten wir auch zunehmend Fachverbände beim Auf- und Ausbau von Sponsoring für ihre Kapitalgesellschaften«. Da die professionelle Sportwelt das Internet längst als Einnahmequelle entdeckt habe, hätten solche Mandate häufig Bezug zum IT- und Datenschutzrecht, aber auch zum Wettbewerbsrecht. »Noch vor 15 Jahren waren New Media-Sachverhalte im Sportrecht praktisch nicht relevant – heute sind sie aus der komplexen Gesamtvermarktung von Sport nicht mehr wegzudenken«, sagt Cherkeh. Insbesondere der Fußball als wachsende Geldmaschine zieht einen enormen Beratungsbedarf nach sich, in dessen Verlauf Juristen attraktive Jobs bei Verbänden und Vereinen ergattern können. »Viele Vereine und Verbände haben noch keinen Inhouse-Consultant, der sie zum Beispiel bei Verhandlungen über Vermarktungsrechte beraten kann«, sagt Prof. Jens Adolphsen. »Da ist durchaus Jobpotenzial vorhanden.«

Kommerzialisierung und Kartellrecht

Von Außenstehenden wird die aktuelle Entwicklung im Sportrecht häufig als Begrenzung der sportlichen Freiheit empfunden: Denn aufgrund der den Verbänden verfassungsrechtlich zustehenden Vereinigungsfreiheit sind diese vom Prinzip her bei der Regelsetzung eigenständig. Erreichen diese jedoch ein gewisses Maß an Größe und Kommerzialisierung, kommen kartellrechtliche Erwägungen mit ins Spiel. Zudem müssen gewisse Vorschriften des staatlichen Rechts eingehalten werden – dazu zählen gesetzliche Verbote und die Beachtung der guten Sitte.

Freiheit gegen Sicherheit – auch hier ein Thema

Sportrechtler Adolphsen gibt zu, dass die aktuelle Entwicklung in der Auslegung von Sportrecht auch eine massive Einschränkung der Persönlichkeitsrechte und Freiheitsbereiche von Spitzensportlern beinhalte. »Sie müssen Einblick in datenschutzrechtlich relevante Bereiche geben, zum Beispiel bei Doping-Kontrollen«, erklärt Adolphsen. »Das sind Bereiche, die stets juristisch neu abgeklopft werden müssen.« So wurde nach dem Fall Katrin Krabbe, die heimlich mit Urin gefüllte Kondome bei sich getragen habe, für Dopingkrontrollen auch Sichtkontrollen eingeführt – später wurde dies bei minderjährigen Sportlern wieder eingeschränkt.

Zwischen Jura und Sport

Doch bedeutet diese Entwicklung, dass zugleich auch mehr und mehr Jobs für aufstrebende Nachwuchsjuristen aus dem Nährboden der Medienberichterstattung sprießen? Nein, sagt Adolphsen. »Die Entwicklung geht dahin, dass die Fragestellungen im Sportrecht immer komplexer werden, so dass reine Sportrechtler dies gar nicht mehr allein bewältigen können.« Wenn es zum Beispiel um Vermarktungsrechte großer Ligen gehe, müssten sich Sportrechtler Hilfe bei Kartellrechtlern holen. Dass das Betätigungsfeld für Juristen im Sportumfeld immer weiter zunimmt, auch für spezialisierte Rechtsanwälte oder Verbandsjuristen, bestätigt Prof. Rainer Cherkeh. »Unerlässlich bleibt eine solide rechtliche Ausbildung im Studium und Referendariat. Denn nur diese ermöglicht es im späteren Beruf, die relevanten Schnittstellen des Sports zu den klassischen Rechtsgebieten zu erkennen und Sport-Sachverhalte profund zu bearbeiten.« Auch die frühzeitige Befassung mit sportrechtlicher Literatur, Fachzeitschriften und Sportgerichtsentscheidungen rät Cherkeh dem Nachwuchs – ebenso wie ehrenamtliches Engagement in Sportvereinen oder -verbänden. »Dort lernt man das Vereins- und Verbandsrecht aus dem Tagesgeschehen heraus, was für den Beruf des Sportjuristen sehr wertvoll sein kann.« Zudem sei Sport international, von den Regelwerken bis hin zu internationalen Verträgen oder Verhandlungen und Streitigkeiten mit internationalen Sportfachverbänden oder ausländischen Klubs. Sehr gute Englischkenntnisse seien daher unerlässlich.

Eigentlich gibt es kein Sportrecht

Auch wenn viele Jura-Studierende enttäuscht sind, sobald Prof. Jens Adolphsen an der Uni Gießen ihnen die Tatsache vor die Nase hält, dass es so etwas wie Sportrecht eigentlich nicht gibt, rät der erfahrene Professor angesichts der aktuellen Trends, an der Begeisterung für Sport festzuhalten. »Wenn man einmal das dornenreiche Curriculum aller Jura-Absolventen durchschritten hat, wartet ein schönes Berufsfeld auf Sie alle.«


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