VDA-Präsident Dr. Jan-Felix Isele
VDA-Präsident Dr. Jan-Felix Isele privat

Der lange Weg, ein guter Anwalt zu werden

Rechtsanwalt und VDA-Präsident Dr. Jan-Felix Isele über fehlende Debatten und den langen Weg, ein guter Anwalt zu werden

Herr Dr. Isele, warum haben Sie sich für ein Jurastudium entschieden?
Mein Antrieb war das Bedürfnis, Konflikte regeln zu wollen. Deshalb wollte ich die dazu notwendigen rechtlichen Voraussetzungen unbedingt kennenlernen.

Sie haben 1997 Ihr zweites Staatsexamen gemacht und waren im Anschluss als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Deutsches und Europäisches Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht an der Uni Heidelberg tätig. Was hat sich seit dieser Zeit bezüglich des Jurastudiums verändert?
Soweit ich weiß, gibt es heute eine eigenständige Zwischenprüfung. Zudem müssen die Studierenden in jedem der drei Studienfächer Bürgerliches Recht, Strafrecht und Öffentliches Recht innerhalb von vier Semestern eine Klausur schreiben, von denen sie mindestens zwei Klausuren bestehen müssen. Erst wenn die Zwischenprüfung erfolgreich abgelegt wurde, sind die Studierenden zum ersten Staatsexamen zugelassen.

Wo sehen Sie hier die positiven, aber auch negativen Effekte?
Ein Vorteil ist, dass Studierende, denen die nötige Disziplin oder das Talent fehlt, dies somit frühzeitig erkennen können. Allerdings wird den Studenten, die ihr Studium anfangs weniger beharrlich verfolgen, aber dennoch am Ende ein gutes Examen schreiben würden, mit einer nicht-bestandenen Zwischenprüfung die Möglichkeit genommen, das Studium zu beenden.

Bleiben wir an der Uni: Welche Inhalte fehlen in vielen juristischen Studiengängen?
Rhetorische Fähigkeiten wie das Debattieren oder das Halten von Vorträgen werden im Studium nicht ausreichend gefördert. Hinzu kommt, dass es viel zu selten Veranstaltungen mit wenigen Studenten gibt, in denen es zu einem lebhaften Austausch zwischen Studenten und Professoren kommt.

Worüber sollten sich alle Studienanfänger, die Jura studieren möchten, unbedingt im Klaren sein?
Niemand sollte Rechtswissenschaften aus Verlegenheit studieren, weil ihm die Alternativen fehlen. Es ist ein Fehler, zu denken, dass Eloquenz alleine ausreicht, um das Studium bestehen zu können, denn ein Jurastudium setzt analytisches Denken voraus, um komplexe Fälle lösen zu können. Wer diese Fähigkeit nicht besitzt oder pflegt, wird trotz bester Kenntnis aller in Betracht kommenden Rechtsnormen keine zufriedenstellenden Lösungen erarbeiten. Außerdem müssen Rechtsanwälte sehr oft ›um die Ecke denken‹ beziehungsweise unterschiedliche Blickwinkel einnehmen können, um für den Mandanten das gewünschte Ziel zu erreichen. Dafür ist es aber erforderlich, den Weg bis dorthin zu erarbeiten.

›Ein guter Anwalt ist nie arbeitslos‹ – was halten Sie von solchen Aussagen?
Diese Aussage hat zwar durchaus ihre Berechtigung, allerdings muss ein Anwalt erst zu einem guten werden. Dies passiert nicht von heute auf morgen, sondern es bedarf hierzu eines gewissen Maß an Erfahrungen und entsprechender Erfolge. Ein Studium der Rechtswissenschaften bietet demnach noch keine Erfolgsgarantie, ein guter Anwalt zu werden und deshalb nie arbeitslos zu sein.

Welche Zusatzausbildungen sollten Studenten in diesem Zusammenhang bereits während des Studiums absolvieren?
Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Grundsätzlich ist es wünschenswert, wenn praxisorientierte Zusatzausbildungen absolviert werden. In welchen Fachbereichen dies geschieht, hängt von den Interessen des Studierenden ab. Abgesehen davon sollte es damit auch nicht übertrieben werden, denn gerade das Referendariat nach dem Studium bietet vielfältige Möglichkeiten, im In- und Ausland fachliche Zusatzqualifikationen oder Expertise in einem bestimmten Rechtsgebiet zu erwerben. In diesem Zusammenhang sollten Studierende über sehr gutes Englisch – auch das juristische Fachvokabular betreffend – verfügen.

Inwieweit gibt es im Umkehrschluss aber auch Spezialisierungen, die in Zukunft weniger nachgefragt werden?
Es ist sehr schwierig, diesbezüglich eine zuverlässige Prognose zu stellen. Ich glaube, dass der Großteil der Spezialisierungen auch weiterhin entsprechend gefragt sein wird – was ebenfalls mit der zunehmenden Regelungsdichte zusammenhängt. Außerdem wäre es ein falsches Signal, bestimmte Spezialisierungen für die Zukunft gleichsam abzuschreiben, da jedes Rechtsgebiet die Möglichkeit bietet, sich eine überdurchschnittliche Expertise zu erarbeiten und sich zu einem Spezialisten zu entwickeln.

Inwieweit arbeitet der VDA bezüglich der Ausbildung und Studieninhalte mit Hochschulen zusammen?
Der VDA baut unter anderem Kooperationen auf. Dazu gehört beispielsweise den Besuch von Aufbaustudiengängen – beispielsweise der Erwerb eines LLM-Titels – zu vergünstigten Konditionen zu ermöglichen. Diese Kooperation besteht konkret mit der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz für einen LLM in Medienrecht. Dieser Studiengang richtet sich vor allem an Absolventen der rechts- beziehungsweise wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten, die Kenntnisse in den verschiedenen Bereichen des Medienrechts erwerben oder vertiefen möchten. Hinzu kommt die Zusammenarbeit mit der Bond University in Australien, der Open University of Hong Kong, der Indiana University Robert H. McKinney School of Law in Indianapolis und der Tulane Law School in New Orleans.


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