lächelnde Frau in schwarz weiß

Zukunft des Anwaltsberufs

Was junge Anwälte von ihren erfahrenen Kollegen lernen können und wie sich der Generationenwandel auf den Anwaltsberuf auswirkt

Anwälte früher und heute

Früher war alles besser: Das Wetter, die Musik, die Moral, die Manieren, die Umstände, die Qualität und, um den bayerischen Komiker Karl Valentin zu zitieren: auch die Zukunft war früher um einiges rosiger. Ach, was waren das Zeiten! Als es überall noch feste Hierarchien gab, die Arbeit den Sinn des Lebens ausmachte und der Feierabend erst dann eingeläutet werden durfte, wenn es der Chef erlaubt hat. Nostalgisches Schwelgen in allen Ehren: Manche Umstände haben sich nicht ohne Grund verändert und sehen sich nun in der Retrospektive mit dem Label des ›voll veraltet‹ versehen.

Aber hat dies tatsächlich auch alles seine Berechtigung? War denn wirklich alles schlecht und ist alles Neue gleich automatisch gut? Diese Fragen stellen sich in allen Branchen – auch in Kanzleien und bei Anwälten. Aber gibt es überhaupt Antworten auf die Fragen, was früher tatsächlich besser oder schlechter war und was lediglich anders?

Nicht nur die Erscheinung von Anwälten hat sich verändert

Einfach ist es dabei, mit dem Offensichtlichen zu beginnen: »Die Hosen sind bunter, die Krawatten seltener geworden. Insgesamt sind auch die Hierarchien über die Jahre flacher und der Umgangston lockerer geworden«, erklärt Katrin Stapper, Head of Human Resources Germany bei Allen & Overy. Allerdings verleite diese Lockerheit und das in Büros heute vorherrschende ›Du‹ manchmal zu einer allzu großen Vertraulichkeit, die dazu führen kann, dass die professionellen Grenzen leichtfertig überschritten werden, so die 46-Jährige weiter.

Stimmt es also doch, was über die Generation Y erzählt, geschrieben, gemutmaßt und in Dauerschleife wiederholt wird? Hierarchien finden sie nicht so gut, dafür die Work-Life-Balance umso mehr, Ehrgeiz haben sie zwar, aber nicht um jeden Preis. Stimmt doch, oder?! Dieses Bild kennt auch Stapper: »Dieser Generation wird gerne unterstellt, lieber pünktlich Feierabend zu machen und nur an sich zu denken.« Allerdings seien junge Juristen ihren bisherigen Erfahrungen nach sehr wohl dazu bereit, alles für ihre Mandanten zu geben und überdurchschnittlich hohen Einsatz zu leisten. Allerdings wollen sie nicht mehr um jeden Preis arbeiten, sondern eine ausgewogene Balance zwischen Berufs- und Privatleben finden: »Sie suchen aktiv nach Sinn und Selbstverwirklichung und fordern Zeit für Familie und Freunde. Im Unterschied zu älteren Generationen verlangen sie von potenziellen Arbeitgebern, ihnen größtmögliche Flexibilität zu gewähren und Strukturen zu schaffen, die eine eigenverantwortliche Arbeitseinteilung ermöglichen und genug Raum für Ausgleich und Abwechslung sorgen«, so die Head of Human Resources Germany weiter.

Veränderungen der Kanzlei

Die Offenheit und das Verständnis in Kanzleien wächst

Nun ist der Anwaltsberuf nicht für wenig Arbeit bekannt, dennoch finden die Wünsche und Forderungen der jungen Einsteiger mittlerweile Gehör bei ihren Arbeitgebern: »Es gibt deutlich mehr Diskussionen, mehr Offenheit und Verständnis bei älteren Partnern bei Themen wie Elternzeit. Vor zehn Jahren war dies noch anders«, sagt Dr. Till Elgeti, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner bei Wolter Hoppenberg. Dies liege aber auch an den jüngeren Arbeitnehmern und Partnern, die bereits Elternzeit genommen haben. Der 39-Jährige bezweifelt, dass ein Seniorpartner, der seit 30 Jahren im Beruf ist, jemals für die Familie eine gewisse Zeit freigenommen hat. Ihm fällt auf, dass sich die neuen Anwälte teilweise bewusst für eine Tätigkeit in einer mittelständischen Kanzlei entscheiden – unter anderem, um humanere Arbeitszeiten als jene von 8 Uhr morgens bis 22 Uhr abends zu haben.

Stapper von Allen & Overy kann dem nur zustimmen. Die Bezahlung müsse zwar stimmen, aber im Gegensatz zu früher, als ein Firmenwagen das klassische Statussymbol war, könnten heute durchaus weiche Faktoren wie Kinderbetreuung, internationale Secondments oder hochwertige Weiterbildungsangebote interessante Zusatzleistungen darstellen: »Für die heutigen Nachwuchsjuristen gehört die Möglichkeit, im Job zu wachsen und stetig dazuzulernen, mittlerweile zu den Top-Kriterien der Arbeitgeberwahl. Der Bewerber will herausgefordert werden, eigene Fähigkeiten optimieren und lernen – daher ist es wichtig, dass ein Arbeitgeber dieses Bestreben wahrnimmt und fördert.«

Mehr Selbstbewusstsein im Beruf

Die neue Generation weiß also ganz genau, was sie will und was sie bekommen kann – nicht ohne Grund: »Sie ist sich des demografischen Wandels, der Macht der Knappheit in einem Land, dem allmählich die Fachkräfte ausgehen, sehr wohl bewusst. Heute kann sich ein qualifizierter Jurist mit Prädikatsexamen noch mehr als in der Vergangenheit seinen Arbeitgeber aussuchen und aktiv Angebote einfordern, die seinen Wünschen und Vorstellungen entsprechen«, beschreibt Stapper.

Ob sich die Jungen aber auch mehr trauen als ältere Generationen möchte Elgeti von Wolter Hoppenberg allerdings dahingestellt lassen, denn Selbstbewusstsein sei weniger eine Zeiterscheinung als Typfrage. Ihm fällt auf, dass die Absolventen geradliniger studieren und weniger aufgeschlossen für Themen neben der Juristerei sind. Außerdem sei auffällig, dass unter jungen Juristen ein besonderer Leistungs- und Vergleichsdruck herrsche, sagt Mattis Aszmons, Rechtsanwalt bei Esche Schümann Commichau. Der 29-Jährige führt weiter aus, dass es gelte, möglichst früh möglichst viele Praktika zu machen und der Auslandsaufenthalt obligatorisch sei: »Die vielen Möglichkeiten, die die heutige juristische Ausbildung an den Universitäten und während des Referendariats mit sich bringt, haben zwei Seiten. Einerseits kann man heute früh ausloten, welchen Weg man nach dem zweiten Staatsexamen einschlagen möchte, indem man vieles probiert und die diversen Angebote an der Universität und während des Referendariats annimmt. Auf der anderen Seite, wenn der persönliche Fokus auf einer konzentrierten Examensvorbereitung liegt, kann man schnell unter Druck geraten, gerade diese Möglichkeiten verpasst zu haben.« Aszmons fügt hinzu, dass gleichzeitig die Einstellungsvoraussetzungen für Praktika, Stationen im Referendariat und den Berufseinstieg steigen würden, während Arbeitgeber wiederum oftmals Auslandsaufenthalte, unterschiedliche Stationen während des Studiums und Referendariat und darüber hinaus gute Examina als notwendig erachten. »Bei allen Vorteilen dieser neuen Ausrichtung in der juristischen Ausbildung dürfte es nachteilig sein, weniger Zeit auf die noch immer für die zukünftige Karriere maßgeblichen Examina aufwenden zu können«, fasst der Anwalt zusammen.

Es ist allgemein bekannt, dass den Juristen, die ihr Studium mit Prädikat abschließen, die Arbeitswelt offen steht und sie durchaus die ›Qual der Wahl‹ haben. Dabei zeigt sich der Markt keineswegs statisch, denn »auch der juristische Markt unterliegt gewissen Trends und passt sich immer wieder den aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen an«, so Stapper. Während Anfang der 2000er Jahre Cross-Boarder-Leasing ein Top-Thema gewesen sei, spielen aktuell Bereiche wie Arbitration, White Collar Crime oder IP eine bedeutendere Rolle. Aszmons spricht weiter die unternehmenseigenen Rechtsabteilungen an, die zum Ergebnis haben, dass externe Kanzleien weniger Projekte erhalten werden: »Dies dürfte zu einem höheren Bedarf an Juristen führen, die unter anderem auch wirtschaftliche Belange berücksichtigen können und den Anforderungen an den Alltag eines gegebenenfalls international tätigen Unternehmens gewachsen sind.«

Generationen treffen aufeinander

Erfahrung vs. neue Ideen: So lernen Kollegen verschiedener Generationen voneinander

Dass die Einsteiger dafür gewappnet sind, dafür sorgen mittlerweile auch die Hochschulen. Denn diese haben erkannt, dass betriebswirtschaftliche Kenntnisse wichtig sind, weswegen sie vereinzelt auch Kurse anbieten, die über die juristischen Kernthemen hinausgehen wie Präsentationstechniken und Rhetorik: »Diese, insbesondere in Deutschland vorherrschende Lücke, haben vor allem die großen Wirtschaftskanzleien bereits vor Jahren erkannt und haben in nicht unerheblichem Umfang entsprechende Aus- und Weiterbildungsprogramme entwickelt«, führt Stapper aus. Doch helfen nicht nur zusätzliche Seminare, um die individuellen Kenntnisse zu erweitern, denn können die jungen Anwälte oft von ihren erfahrenen Kollegen lernen – und umgekehrt: »Ein guter Rechtsanwalt zeichnet sich immer durch eine gewisse Erfahrung aus. Er hat aus Fehlern gelernt, taktische sowie sachliche Lösungen gefunden und kann diese auf neue Sachverhalte übertragen. Dabei steht nicht das rechtliche Problem, das es zu lösen gibt, im Vordergrund, sondern die Bedürfnisse des Mandanten«, sagt Dr. Till Elgeti und Mattis Aszmons fügt hinzu, dass es durchaus hilfreich sein kann, sich die Gelassenheit erfahrener Juristen anzueignen. Diese kompensiere den durch das Umfeld und auch selbst auferlegten Druck und helfe, sich mit Spaß auf die Herausforderungen, die einen Berufseinsteiger erwarten, einzulassen. Umgekehrt können die erfahrenen Mitarbeiter aber auch von den Jungen lernen – beispielsweise neue Ideen. Sei es in der Organisation, in der Personalführung – oder in der Überzeugung, dass sich viele Ideen manchmal auch aus Traditionen generieren und sich auf jede Generationenfrage eine passende Antwort findet.


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