Moot Courts – Praxiseinblicke für Jura-Studis

Mit der Praxis hapert es in der Ausbildung von Juristen. In Moot Courts können die Studenten spätere Berufsrealitäten kennenlernen.

kleine Tasse mit Espresso, in die gerade Würfelzucker geworfen wird
Moot Courts – Praxiseinblicke für Jura-Studis Steppenwoelfin / Quelle:PHOTOCASE

Der Schubs ins kalte Wasser mag für manchen eine wunderbare Gelegenheit sein, schwimmen zu lernen, sich zu entfalten und neue Ufer zu erklimmen. Für andere ist es die reinste Horrorvorstellung, die mit Schnappatmung und Beklemmungsgefühlen einhergeht. Manchmal gibt es aber keine andere Möglichkeit, als einfach zu springen. Vor allem Absolventen praxisferner Studiengänge wissen genau wie sich das anfühlt. Dazu gehören auch immer noch die Studenten der Rechtswissenschaften, die oftmals erst in ihrem Referendariat erste Praxiserfahrungen jenseits jeglicher Trockenübungen sammeln können.


Wie läuft ein Moot Court ab?

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Diesen ›Schock‹ können Studenten aber vermeiden, wenn sie bereits während ihres Studiums an einem Moot Court teilnehmen. Moot Courts sind fiktive Gerichte, in denen Studenten der Rechtswissenschaften im Rahmen eines Wettbewerbs einen Fall bearbeiten.

»Dabei können sie zum ersten Mal über einen längeren Zeitraum intensiv an einem eigenen Projekt arbeiten. Das stellt eine völlig neue Arbeitserfahrung dar«, erklärt Marieke Lüdecke, die an der Christian-Albrechts-Uni in Kiel Jura studiert und nebenbei im Vorstand der German Moot Court Society tätig ist.

Um welche Fälle es sich dabei bei den jeweiligen Moot Courts handelt, hängt von verschiedenen Faktoren ab:

»Das Thema kann ein Fall aus dem deutschen Recht sein. Prominent sind aber vor allem Moot Courts im Bereich des Internationalen Rechts, insbesondere der Jessup Moot Court für das Völkerrecht, der Vis Moot Court im Internationalen Privatrecht sowie der Frankfurt Investment Arbitration Moot Court für internationales Investitionsschutzrecht«, erklärt Florian Franke, Rechtsreferendar am Landgericht Frankfurt.

Je Moot Court ein neuer Fall

Der 29-Jährige fügt hinzu, dass bei jedem Moot ein neuer Fall verhandelt wird und dieser im Bestfall weder die eine noch die andere Partei bevorzugt: »Über eindeutige Fälle lässt sich schließlich schlecht streiten.«

Zumeist haben die Fälle real auch stattgefunden, jedoch werden sie für den Wettbewerb verfremdet, da es ansonsten keine Herausforderung für die Teilnehmer darstellen würde. Im Grunde können in einem Moot Court alle Fälle simuliert werden, die auch in der realen Rechtsprechung und darüber hinaus behandelt werden, wie Tino Boche, Student der Rechtswissenschaften an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, erläutert.

Der 23-Jährige fügt weiter an, dass es einen internationalen Moot Court gibt, der sich auch mit Weltraumrecht befasst:

»Grenzen sind meist nur durch den Umfang und der übermäßigen Komplexität des Sachverhalts und der daraus resultierenden Bearbeitungszeit gesetzt.«

Wie lange dauert ein Moot Court?

Wie viel Zeit ein Moot Court in Anspruch nimmt, hängt dabei ganz von seiner Art ab. Boche erklärt, dass ein lokaler, universitärer Moot Court etwa einen Monat dauert, während eine internationale Gerichtsverhandlung auf Englisch durchaus über ein halbes Jahr und länger gehen kann. Gleich ist allen jedoch die Team-Arbeit. Normalerweise stellen die Organisationen oder Hochschulen, die die Moot Courts ausrichten, zu Beginn des Wintersemesters den zu behandelnden Fall ins Netz und die Teams, die aus mindestens zwei Personen bestehen, haben rund drei Monate Zeit, eine Klage und eine Klageerwiderung zu schrei­ben:

»Man spielt quasi Kläger und Beklagter in einem und die jeweiligen Teams müssen sowohl die Argumente des Klägers als auch die der Gegenseite schriftlich ausarbeiten«, sagt Professor Rainer Hofmann, Universitätsprofessor am Fachbereich Rechtswissenschaft der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht.

Auf Grundlage der Schriftsätze bereiten die Teams dann das mündliche Plädoyer vor. Während der Vorbereitung auf die mündlichen Verhandlungen werden viele Probe-Verhandlungen mit Mitarbeitern und Professoren ausgetragen:

»Am Ende steht der tatsächliche Wettbewerb, der entweder auf nationaler oder internationaler Ebene ausgetragen wird, indem die jeweiligen Teams gegeneinander antreten. Manchmal gibt es auch uni-interne oder nationale Vorrunden, bevor die Sieger in die Endrunde kommen«, erklärt Lüdecke von der Kieler Uni. Erst vor der mündlichen Verhandlung wird ausgelost, welche Teams gegeneinander antreten und welche Seite sie hierbei vertreten. Nach kurzer Vorbereitungszeit geht es in die Verhandlung, in der die Teams das Schiedsgericht mit ihren Plädoyers überzeugen müssen. Im Anschluss vergeben die Schiedsrichter – meist geheim – die Punkte für die Vorträge. Da Moot Courts eine Spiegelung der Realität darstellen, sitzen in der Jury oft namhafte Juristen, Professoren, Praktiker, Botschafter, Diplomaten und Wirtschaftsvertreter. Somit haben die Teilnehmer zugleich die Möglichkeit, etwaige spätere Arbeitgeber kennenzulernen – die wiederum gerne auf die Studenten zukommen. Schließlich vermittelt ein Moot Court neben der besonderen Praxisnähe, sicheres Auftreten, Rhetorik- und Argumentationsfähigkeiten auch vertiefte Kenntnisse und Einblicke in das jeweilige Rechtsgebiet. Internationale Moot Courts schulen zudem die Englischkenntnisse, wie Katia Rener, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl von Professor Oliver Remien für Bürgerliches Recht, Europäisches Wirtschaftsrecht, Internationales Privat- und Prozessrecht sowie Rechtsvergleichung an der Julius-Maximilians-Uni Würzburg aus Erfahrung weiß:

Moot Court: Gut für die Karriere

Seit 2010 coacht sie das Würzburger Vis Moot Court Team. Für die 28-Jährige sind Moot Courts die ideale Möglichkeit, über den Tellerrand des universitären Alltags zu schauen. Jedoch müssen die Teilnehmer sehr viel investieren: »Moot Courts sind sehr zeitaufwändig, zumeist haben die Teilnehmer kaum Zeit dafür, andere Scheine zu machen«, sagt Professor Hofmann. Allen Interessierten sei deshalb angeraten, Motivation und hohes Engagement mitzubringen. »Die Teilnehmer müssen offen für neue Inhalte und Arbeitsweisen sein und sie brauchen die Fähigkeit, selbstständig zu arbeiten. Außerdem ist Teamfähigkeit absolut unerlässlich«, erklärt Rechtsreferendar Franke. Selbstredend muss auch die fachliche Basis stimmen:

»Die grundlegenden Kenntnisse der juristischen Fallbearbeitung sollten auf jeden Fall vorhanden sein – Argumentationsfähigkeiten sowie selbstbewusstes und strukturiertes Vortragen der Argumente können durch Moot Courts verbessert werden, jedoch sollte das Potenzial dafür vorhanden sein«, sagt Lüdecke. Und wer mit der Teilnahme an internationalen Moot Courts liebäugelt braucht zusätzlich noch gute Sprachkenntnisse. Klingt nach viel Arbeit – ist es auch. Aber wer einmal an einem Moot Court teilgenommen hat, weiß, dass er davon nur profitieren kann. Denn diese Praxiserfahrung erwärmt das Wasser auf sehr angenehme Temperaturen.

 


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