Jura Studium Klausuren
Jeder fünfte Jurastudent schmeißt das Studium hin, bis zu 90 Prozent der Studierenden gehen vor dem Staatsexamen zu einem Repetitorium und ein Richter verkauft Examensprüfungen für mehrere tausend Euro – die Angst vor dem juristischen Staatsexamen scheint groß zu sein, anders lassen sich diese mitunter kostspieligen Vorgehen nicht erklären. Anscheinend ist diese Angst durchaus berechtigt: Beim ersten Staatsexamen liegt die Durchfallquote bei etwa 30 Prozent. Selbst wer bestanden hat, kann sich nicht immer freuen, denn der Großteil erlangt gerade mal ein ausreichend oder befriedigend. Lediglich 15 Prozent erlangen ein vollbefriedigend oder besser und können sich über ein sogenanntes Prädikatsexamen freuen. Eben jenes ist jedoch Einstellungsvoraussetzung für den öffentlichen Dienst, wer also Richter oder Staatsanwalt werden möchte sollte sich im Studium anstrengen. Und die restlichen 80 Prozent, die vielleicht nicht so viel Erfolg hatten? Die werden dann halt Anwalt. 75 Prozent der Absolventen streben eine Anwaltskarriere an, ob freiwillig oder aus Mangel an Alternativen sei dahingestellt. Es verwundert folglich nicht, dass die Anwaltsdichte in Deutschland seit Jahrzehnten zunimmt. Im Jahr 2013 kam auf knapp 500 Einwohner, das heißt potenzielle Mandanten, ein Anwalt. 2014 waren in Deutschland 162.695 Rechtsanwälte zugelassen, im Jahr 2009 waren es noch 150.377. Aufgrund der eher durchschnittlichen Ergebnisse scheint es also durchaus berechtigt, das juristische Staatsexamen als eine der schwierigsten Prüfungen der Welt zu bezeichnen. Melina Knoche, Jurastudentin im neunten Semester, kann dem nur zustimmen, »besonders aufgrund des umfassenden Wissens, welches innerhalb aller Rechtsgebiete erwartet wird«, fügt die Direktorin für Public Relations der European Law Students Association Deutschland e.V. (ELSA) hinzu.
Wissen selbst aneignen im Jurastudium
Das erste Staatsexamen, das zu 70 Prozent aus der Pflichtfachprüfung der Justizprüfungsämter der Bundesländer und zu 30 Prozent aus der Schwerpunktbereichsprüfung der Universitäten besteht, umfasst die drei großen Gebiete des deutschen Rechts: Zivilrecht, öffentliches Recht und Strafrecht. Als wäre das nicht schon genug, entwickelt sich die Rechtswissenschaft täglich durch Rechtssprechung, neue Gesetzgebung und weiterführende Literatur weiter. Und all dieses Wissen muss in den Examensprüfungen – in Bayern sind das im zweiten Staatsexamen elf – parat sein. Vieles davon wird scheinbar stupide auswendig gelernt. Auch wenn Professoren immer wieder betonen, dass dies nicht das Ziel sei, fühlen sich Studierende mit dieser Taktik auf der sicheren Seite. Diese Situation konnte Bettina Jorzik schon häufiger beobachten. Die Programmleiterin Lehre, Akademischer Nachwuchs des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft muss nicht nur feststellen, dass eine Haltung des Auswendiglernens entsteht, sondern dass inzwischen fast 90 Prozent der Jurastudenten vor dem Examen ein Repetitorium, einen externen Kurs, um den Stoff zu wiederholen, besuchen. Skandalös finden das die Außenstehenden, für Jurastudenten gehört es dazu. Bereits im ersten Semester überlegen manche, welches Repetitorium wohl das beste ist. Dass dabei Kosten bis zu mehreren tausend Euro in Kauf genommen werden, erschreckt Außenstehende noch mehr. Schließlich nimmt ein Fahrschüler auch nicht Stunden bei zwei Fahrschulen, um sicher zu gehen, dass er auch alles gelernt hat.
Jurastudium Ablauf
Repetent oder Hochschule – wer ist schuld?
In diesem Zusammenhang macht sich selbstverständlich nicht nur Verwunderung breit, sondern es wird auch Kritik an der Lehre laut. Können Universitäten etwa ihren Lehrauftrag nicht erfüllen oder warum müssen die Studenten externe Kurse besuchen? Die Hochschulen weisen diese Kritik von sich und geben der finanziellen Gier der Repetenten die Schuld. Diese würden die Angst der Studenten vor dem Examen für ihre Geschäfte ausnutzen – und sogar schüren. Wie so oft mag es an beidem liegen, sowohl die Hochschulen als auch die Repetenten sollten sich an ihre Nase fassen. Der Deutsche Anwaltsverein (DAV) betont, dass inzwischen auch Universitäten Klausurenkurse und Repetitorien anbieten, dass es aber eben von Fall zu Fall verschieden ist, so gebe es Hochschulen und Hochschullehrer, die den Stoff in Hinblick auf das Examen sehr gut vermitteln und andere weniger gut. Darüber hinaus »wäre es wünschenswert, wenn an den juristischen Fakultäten auch mehr ins Visier genommen wird, wie man unter didaktischen Gesichtspunkten das Wissen und die Methodik vermitteln kann«, fügt Sabine Gries-Redeker, Rechtsanwältin und Partnerin der Rechtsanwälte Heinle Baden Redeker mbB und Vorsitzende des Ausschusses für Ausbildung und Fortbildung des DAV, hinzu. Die Studenten geben als Grund für einen Repetitoriumsbesuch an, dort den Examensstoff strukturiert vorzufinden und die Sicherheit zu haben, alles einmal gehört zu haben. Der DAV ist überzeugt, dass dies auch die Aufgabe der Universitäten sein muss, die Studenten anzuleiten, sich den Stoff selbst strukturiert anzueignen. Hierzu sind flächendeckende Examensvorbereitungskurse an den Universitäten nötig. »Umgekehrt sollten die Studierenden auch erkennen, dass Repetitorien ein kommerzielles Interesse daran haben, sie im Hinblick auf die Examensvorbereitung zu verunsichern«, fügt Gries-Redeker hinzu. Gleichzeitig ließe sich auch die Frage stellen, ob denn das Examen, so wie es konzipiert ist, angemessen ist, betont Jorzik vom Stifterverband. Ist ein Prüfungsmarathon am Ende des Studiums wirklich sinnvoll? All diese Fragen und Kritikpunkte stoßen allerdings auf wenig Reformwillen – warum etwas ändern, das doch funktioniert? Schließlich zähle die Juristenausbildung in Deutschland zu den anspruchsvollsten und qualitativ besten weltweit, sowohl, was die Breite der Ausbildung als auch ihre Tiefe betrifft, betont Professor Dr. Thomas Fetzer, Prodekan der Fakultät für Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre an der Universität Mannheim.
Auch Jorzik ist von der Qualifikation und der Kompetenz der Absolventen überzeugt. Gerade die breite fachliche Ausbildung wird immer wieder gelobt, jedoch ist es genau diese, die zur Stofffülle im Examen führt. Dennoch sprechen sich die Experten einstimmig für die Beibehaltung der fachlichen Breite aus: Diese ermöglicht es nämlich, dass Volljuristen theoretisch für jede juristische Tätigkeit qualifiziert sind. »Auch wenn nicht jeder Jurist im späteren Beruf in allen Rechtsgebieten des Zivilrechts, Strafrechts und öffentlichen Rechts gleichermaßen tätig sein wird, ist es wichtig, diese breite Wissensbasis in der Ausbildung zu legen, da in der späteren Praxis immer wieder Fälle vorkommen werden, in denen Querverbindungen zwischen diesen drei Sparten zu ziehen sind. Zudem fördert dies die Durchlässigkeit zwischen einzelnen Branchen und Rechtsgebieten, was die Flexibilität des einzelnen Juristen in der späteren Berufstätigkeit erhöht«, erklärt Professor Dr. Joachim Schrey, unter anderem Rechtsanwalt und Mitglied des Ausschusses für Ausbildung und Fortbildung des DAV.
Wunsch nach mehr Praxisbezug
Die Studierenden selbst scheinen mit ihrem Jurastudium »recht zufrieden« zu sein, das besagt zumindest das aktuelle CHE-Ranking. Der Hauptteil der Bewertungen liegt zwischen gut und befriedigend, fügt Dr. Sonja Berghoff, Projektmanagerin des CHE Hochschulrankings, hinzu. Das Ranking basiert im wesentlichen auf Studierendenurteilen zu den Aspekten Betreuung durch Lehrende, das Lehrangebot, die Studierbarkeit und den Kontakt zu anderen Studierenden sowie Ausstattungsmerkmale wie Bibliotheken oder Räume. Ergänzt werden die Studienurteile durch Faktenindikatoren wie Forschungsgelder und die Anzahl der Promotionen sowie der Forschungsreputation der Universität. Besonders schlecht schneidet bei der Bewertung durch die Studierenden der Praxisbezug des Studiums ab. Dem kann sich Knoche von ELSA nur anschließen: »In anderen Ländern ist der Praxisbezug bereits während des Studiums deutlicher eingegliedert, beispielsweise durch fingierte Gerichtsverhandlungen, sogenannten Moot Courts, die fester Bestandteil des universitären Lehrplans sind«, fügt die 24-Jährige hinzu.
Damit einhergehend wird auch gefordert, den Studierenden die Methodik mit an die Hand zu geben, sich in fremde Rechtsgebiete anhand eben jener Methodik einzuarbeiten. Der Weg muss also weg vom Auswendiglernen hin zum Verstehen gehen. Allerdings betont der DAV, dass oft die Studienbedingungen dies nicht zulassen, da die hohe Anzahl an Studierenden es einfach nicht möglich macht, den Stoff und die Methodik angemessen zu vermitteln. Da der Blick in die Praxis jedoch enorm wichtig ist und zudem Motivation erzeugen kann, wäre es wünschenswert, wenn Praktiker in bestimmte Ausbildungsabschnitte stärker einbezogen würden. »Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass die Mehrheit nach Abschluss der gesamten Ausbildung den Anwaltsberuf ergreift oder zumindest die Anwaltszulassung erlangt, dann sollte dies auch in der Ausbildung beachtet werden«, betont Ulrike Gantert, Rechtsanwältin und Mitglied des Ausschusses für Ausbildung und Fortbildung des DAV.
Für die praktische Ausbildung der Juristen gibt es – zumindest auf dem Papier – das Referendariat. In zwei Jahren durchlaufen die Absolventen dabei fünf bis sechs Stationen, von der Zivilstation, der Strafstation über die Verwaltungsstation und die Anwaltsstation bis hin zu einer Wahlstation. Ziel des Referendariats ist es, dass die Anwärter die juristische Arbeit praktisch kennenlernen: »Im Referendariat muss sichergestellt werden, dass die Referendare die praktische Arbeit in Justiz, Verwaltung und Anwaltsberuf erleben und kennenlernen können«, betont Gries-Redeker vom DAV. So können die Referendare Einblicke in verschiedene juristische Berufsfelder erhalten, um so herauszufinden, wo die eigenen Stärken liegen. »Besonders für die Tätigkeit als Richter, Staatsanwalt oder Rechtsanwalt sind die Erfahrungen und Erkenntnisse aus den unterschiedlichen Bereichen für das spätere Berufsleben hilfreich und mehr als nützlich«, fügt die Expertin hinzu. So sind die theoretischen Vorstellungen – in der Praxis sieht es jedoch oft ganz anders aus. Die Referendare sind von Anfang an lediglich darauf fixiert, sich auf das zweite Staatsexamen vorzubereiten und verbringen ihre Zeit in Klausurenkursen und Repetitorien. Für die eigentliche praktische Erfahrung bleibt da wenig Zeit. Das Ziel des Referendariats rückt somit in weite Ferne, denn wer nicht ausprobiert, kann auch keine Erfahrung für die Berufswahl sammeln. »Dadurch fällt der Einstieg ins Berufsleben vielen Absolventen schwer und sie fühlen sich oft überfordert«, fügt Gries-Redeker hinzu. Denn nicht nur Vergleichsmöglichkeiten, sondern auch das praktische Handwerkszeug fehlen somit. Es sollte darüber nachgedacht werden das zweite Staatsexamen inhaltlich zu verändern, es könnten zum Beispiel mehr praktische Fähigkeiten geprüft werden, rät die Expertin vom DAV.
Scheitern im Jurastudium
Die Angst vor dem Scheitern
Warum entschieden sich trotz der schlechten Jobaussichten – außer man gehört zu den besten zehn Prozent – im Wintersemester 2013/14 trotzdem 107.199 Studenten für ein Jurastudium? Die Antwort fällt eher pragmatisch aus: »Das Jurastudium gilt noch immer als eine Verlegenheitslösung, da es die Grundlage für eine ganze Reihe von beruflichen Karrieren bietet«, erklärt Professor Fetzer von der Universität Mannheim. Außerdem genießen juristische Berufe in der Gesellschaft ein hohes Ansehen. Allerdings kommt die Ernüchterung meist sehr bald, einige der Studenten merken nach wenigen Semestern, dass ein Jurastudium doch nicht zu den eigenen Erwartungen und Fähigkeiten passt, schließen das Studium eventuell mit schlechten Ergebnissen ab und haben so weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Manche können auch dem hohen Leistungsdruck nicht standhalten und brechen das Studium komplett ab. Das ist natürlich kein Weltuntergang, dennoch könnte dies in manchen Fällen verhindert werden, ist Jorzik vom Stifterverband überzeugt. Große Potenziale sieht die Expertin in der Umsetzung des Bolognaprozesses in der juristischen Ausbildung. Denn durch die Umstellung auf Bachelor und Master könnten sich die Studierenden nach dem Bachelorabschluss neu orientieren, falls sich herausstellt, dass Jura nicht die richtige Wahl war – und haben dennoch nicht den Makel des Scheiterns. »Im klassischen Jurastudium ist es leider so, dass Studierende bis zur ersten juristischen Prüfung durchaus vier bis fünf Jahre studieren können, ohne dass sie wirklich eine Rückmeldung haben, ob sie auch geeignet für dieses Studium sind«, fügt Fetzer hinzu. Hier wäre es – gerade im Interesse der Studenten – wichtig, dass diese bereits früher die Möglichkeit haben, eine Rückmeldung zu bekommen. Diese Rückmeldung mag zwar manchmal schmerzhaft sein, ermöglicht aber auch eine frühe Neuorientierung.#
Bolognareform Jura
Mehr Flexibilität und Spezialisierung durch die Bolognareform?
Um die weiteren Vorteile einer Umstellung hin zu Bologna zu erkennen, soll an dieser Stelle das Modell vorgestellt werden, das der Stifterverband bereits im Jahr 2010 entworfen hat: Nach einem dreijährigen Bachelor (LL.B) haben die Studenten zwei Möglichkeiten. Zum einen können Absolventen mit dem Bachelorabschluss in der Tasche gleich auf Jobsuche gehen, zum anderen können sie sich für ein weiterführendes Studium entscheiden. Hierbei haben sie erneut die Wahl zwischen einem nichtjuristischen Master, wie etwa Business Administration oder European Studies, einem sonstigen juristischen Master, wie etwa Business Law oder Steuerrecht und einem anwendungsorientierten Master. Mit den beiden letzteren Abschlüssen können Absolventen wiederum an einer Eingangsprüfung teilnehmen, die diese befähigt das 21-monatige Referendariat zu absolvieren, das wiederum für juristische Professionen wie das Richteramt, Notar oder Staatsanwalt notwendig ist.
Mit diesem offenen und vielschichtigen Modell werde nicht nur die Flexibilität von Studienverläufen erhöht, sondern auch die inhaltliche Flexibilität, betont Jorzik. Schließlich wird vermehrt kritisiert, dass das bisher bestehende Jurastudium vor allem für die reglementierten Berufe wie Richter oder Staatsanwalt ausbildet, allerdings wird in diesen Bereichen nur ein geringer Teil der Absolventen tätig. Das bedeutet: Viele der gelernten Studieninhalte sind für die ausgeübten Berufe nicht erforderlich, folglich lernen Studierende Inhalte, die keine Relevanz für sie haben. »So brauchen etwa Steuerrechtler keine vertieften Kenntnisse im Kommunalrecht, das zum klassischen Fächerkanon der Juristenausbildung zählt«, betont Professor Fetzer von der Uni Mannheim. Für eine Tätigkeit als Wirtschaftsjurist in einem Unternehmen oder in der Wirtschaftskanzlei fehlen auf der anderen Seite betriebswirtschaftliche Qualifikationen, die für diese Arbeit notwendig sind. Besonders aus diesem Grund wird an der Universität Mannheim seit dem Wintersemester 2008/09 nach einem in Deutschland einzigartigen Modell gelehrt, das beispielsweise in die ersten sechs Semester rund ein Drittel wirtschaftswissenschaftliche Inhalte eingliedert – diese entsprechen qualitativ denen eines BWL-Studiums. Zusätzlich wird aus dem juristischen Fächerkanon im Wesentlichen das Zivilrecht abgedeckt. Das Bachelorstudium schließt mit den zivilrechtlichen Staatsexamensklausuren, anschließend haben die Absolventen die Möglichkeit, entweder in einem Aufbaustudium ihr Staatsexamen durch die entsprechenden Inhalte im Öffentlichen Recht und Strafrecht zu erlangen oder einen spezialisierten Master zu durchlaufen. Diese Absolventen haben zusätzlich zu ihrer juristischen Ausbildung wertvolle wirtschaftswissenschaftliche Kenntnisse erlangt. »Für manche Berufe – etwa im Bereich Steuerberatung – ist allerdings ein qualitativ hochwertiges Bachelor- und Masterstudium der beste Weg«, prophezeit Professor Fetzer. Deshalb werden an der Universität Mannheim auch ein Bachelor ›Unternehmensjurist (LL.B.)‹ sowie ein ›Master of Laws (LL.M.)‹ mit einem Schwerpunkt in Steuern oder Arbeitsrecht angeboten. Die Erfahrungen der Universität zeigen, dass die Absolventen dieser Studiengänge hervorragende Berufsaussichten in der Steuerberatung oder in Personalabteilungen haben. Fetzer ist überzeugt: »Ebenso vielfältig wie der Arbeitsmarkt für Juristen sollte auch der Ausbildungsmarkt verschiedene Modelle zulassen, die durchaus auch im Wettbewerb miteinander stehen können. Für manche Berufe – etwa das Richteramt – ist das klassische Jurastudium nach wie vor eine sehr gute Vorbereitung.« Für andere juristische Berufe sind Masterabsolventen jedoch deutlich besser geeignet als Volljuristen. »Dies ist nicht im Sinne einer Ausbildung erster und zweiter Klasse gemeint«, betont der 40-Jährige, «es handelt sich bei den verschiedenen Ausbildungswegen aber schlicht nicht um völlig austauschbare Produkte, so dass auch die jeweiligen Absolventen für unterschiedliche Positionen geeignet sind«.
Deutsche Juristenausbildung
Deutsche Ausbildung überzeugt im internationalen Vergleich
Zusätzlich zur klassischen Ausbildung und zum Mannheimer Modell gibt es zahlreiche LL.M-Angebote an verschiedenen Hochschulen. Die Palette reicht von Arbeits- und Umweltrecht bis hin zu Intellectual Property Law oder Legal Management. Diese Studiengänge werden jedoch nicht mit dem ersten Staatsexamen abgeschlossen und befähigen unter anderem nicht zur Tätigkeit als Rechtsanwalt, sondern beispielsweise für den Bereich der Rechtsberatung. Das Mannheimer Modell, das mit dem Bachelor an einer staatlichen Hochschule alle Möglichkeiten – von der Tätigkeit als Unternehmensjurist bis hin zu weiterführenden Studiengängen, die auf die reglementierten juristischen Berufe vorbereiten – anbietet, wird voraussichtlich noch für einige Zeit eine Ausnahme bleiben, denn die Mehrheit der Verantwortlichen sehen keinen Bedarf für eine Bolognareform in der Juristenausbildung: »Die Umsetzung des Bolognaprozesses hat in anderen Studienbereichen nicht unbedingt zu einer Verbesserung der Situation an den Hochschulen geführt, auch ist damit nicht eine Verbesserung der Ausbildung oder des Berufseinstiegs einhergegangen«, betont Professor Schrey. Selbstverständlich ist es nicht auszuschließen, dass irgendwann eine Angleichung an den Bolognaprozess erfolgen wird, allerdings wohl nicht in naher Zukunft. »Dem Bologna-Modell liegt die Idee zu Grunde, international oder zumindest innerhalb Europas vergleichbare Abschlüsse zu schaffen. Da jedoch die Juristenausbildung stark davon geprägt ist, welche Rechtsordnung und Rechtstradition in einem Land vorhanden sind und sich diese Rechtsordnungen von Land zu Land unterscheiden, ist es ohnehin schwierig, vergleichbare Abschlüsse zu schaffen – nur um den Bolognaprozess umzusetzen, wäre es nicht sinnvoll, eine Juristenausbildung zu formen, die nicht zu dem Land passt, in dem die Juristen arbeiten«, ist Professor Schrey überzeugt.
Besonders die Ausbildung zum Volljuristen wie sie in Deutschland besteht, ist in anderen Ländern nicht zu finden – ein Referendariat oder etwas Vergleichbares gibt es in dieser Form nur in Deutschland. Der Zugang zu juristischen Berufen ist in anderen Ländern, beispielsweise in Irland, nicht einmal von einem Jurastudium abhängig, dort gibt es Eingangsprüfungen für den jeweils avisierten Beruf, andere Berufe wie zum Beispiel das Richteramt können erst nach langjähriger Anwaltstätigkeit ausgeübt werden. Im internationalen Vergleich genießt die deutsche Juristenausbildung auf jeden Fall einen hervorragenden Ruf: »Generell lässt sich sagen, dass die deutschen Juristen im internationalen Vergleich eine relativ lange, dafür fachlich aber sehr gute und umfassende Ausbildung genießen«, betont Dr. Marco König, Partner für öffentliches Wirtschaftsrecht bei Gleiss Lutz in Stuttgart. Dementsprechend sind sie beim Berufseinstieg zwar älter als ihre ausländischen Kollegen, dafür aber auf die beruflichen Anforderungen in der Regel auch deutlich besser vorbereitet. Zusätzlich zur fachlichen Vorbereitung erwartet die international tätige Anwaltskanzlei Gleiss Lutz von angehenden Referendaren vor allem, dass sie offen für Neues sind und neugierig an die Tätigkeit herangehen, schließlich ist das Referendariat die entscheidende Zeit für die Orientierung in der Ausbildung. Denn in dieser Zeit lernen die Referendare, »dass in einem echten Lebenssachverhalt nicht an jeder Ecke ein Klausurproblem versteckt ist und eine höchstrichterliche Rechtssprechung nicht ohne weiteres mit einem Verweis auf die abweichende Auffassung eines Zeitschriftenautors relativiert werden kann«, ergänzt König. Auch das Verständnis dafür, dass echte Lebenssachverhalte sich entwickeln können und man durch Nachfragen und Recherchieren weitere Kenntnisse gewinnen kann, seien nach dem Studium oft wenig ausgeprägt. Um dies zu ändern, rät König, die Lehre an der Universität näher an die Praxis der Rechtsanwendung zu rücken, etwa durch gemeinsame Veranstaltungen von Professoren mit Richtern, Rechtsanwälten oder Verwaltungsjuristen.
Refendariat Juristen
Praxisschock im Referendariat
Um den fehlenden Praxisbezug zu kompensieren bietet Gleiss Lutz den Referendaren eine intensive Eins-zu-Eins-Betreuung und -Ausbildung durch einen Rechtsanwalt, in der Regel einen Partner, an. In der täglichen Mandatsarbeit werden unter anderem fachliche Kenntnisse, anwaltliche Fähigkeiten und Mandantenhandling vermittelt. Außerdem darf natürlich die Vorbereitung auf das zweite Staatsexamen nicht zu kurz kommen, daher bietet die Kanzlei etwa Fachvorträge, Rhetorikschulungen und Vorbereitungsveranstaltungen. Wer das zweite Staatsexamen – Prädikatsexamen unabdingbar – dann in der Tasche hat und zusätzlich Auslandserfahrung, gute Englischkenntnisse, Offenheit und die Bereitschaft zur Promotion mitbringt, hat sehr gute Chancen bei Gleiss Lutz.
Ähnliche Voraussetzungen sollten auch Referendariatsanwärter bei Siemens mitbringen. Darüber hinaus ist für das Unternehmen Interesse an betriebswirtschaftlichen und technischen Themenstellungen von hoher Relevanz. Eine wichtige Voraussetzung ist für Peter-Christian Lasch, Vice President Human Resources Legal and Compliance, außerdem, dass die Referendare rechtliche Fragestellungen abstrahieren und für Nicht-Juristen verständlich aufbereiten können. In Zusammenarbeit mit einem Mentor wird der angehende Jurist durch gezielt gewählte, unterschiedliche Tätigkeiten, wie das Erstellen von Gutachten, die Überarbeitung und Kommentierung von Verträgen, das Erstellen von Rechtssprechungsübersichten sowie das regelmäßige Feedback auf das zweite Staatsexamen vorbereitet. Schließlich erwartet Siemens Legal von Jurabsolventen hervorragendes Fachwissen. Außerdem müssen Bewerber selbstverständlich Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge, verbunden mit hohem Verhandlungsgeschick und diplomatischer Gesprächsführung, mitbringen. »Denn die Siemens-Unternehmensjuristen agieren als echte Partner für die Geschäftsverantwortlichen, tragen daher strategische Entscheidungen maßgeblich mit und gestalten Geschäftsprozesse«, betont Lasch.
Jurastudium Zukunft
Wunsch nach mehr Differenzierung und Flexibilität
Eigenschaften, die ein Unternehmensjurist sicherlich mitbringt, für die ein zweites Staatsexamen jedoch wahrscheinlich nicht unbedingt nötig wäre. Gerade dieses Beispiel zeigt, wie unterschiedlich die Anforderungen an angehende Juristen sein können. Die fachlich sehr gute und umfassende Ausbildung der deutschen Juristen scheint zwar ein bewährtes Modell zu sein, das auch niemand wirklich abschaffen möchte. Allerdings könnte eine allmähliche Angleichung an die Bolognareform einige Vorteile hervorbringen, die die Ausbildung spezialisierter und auch vielfältiger machen würde. Eine klassische Ausbildung für das weite Feld der Rechtswissenschaften ist schlichtweg nicht genug. Erweiterte Wahlmöglichkeiten und mehr Praxisbezug würden der Juristenausbildung sicherlich ebenfalls gut tun: »Das Betätigungsfeld der Juristen ist deutlich stärker ausdifferenziert als dies etwa vor 30 Jahren der Fall war, dies erfordert auch eine Veränderung der Ausbildungslandschaft, die sich ebenfalls stärker ausdifferenzieren muss, um das entsprechende in der Praxis notwendige Fachwissen bereits in der Ausbildung vermitteln zu können«, schließt Professor Fetzer von der Uni Mannheim.
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