Anwalt vs. Syndikus: Der Arbeitsalltag im Vergleich
E-Mails beantworten, Telefonate führen und Akten bearbeiten, die sich auf dem Bürotisch stapeln: Diese Routineaufgaben begegnen wohl allen Juristen. Darüber hinaus unterscheidet sich ihr Alltag je nachdem, welchen Berufsweg sie einschlagen. Wer als Rechtsanwalt einer Kanzlei Karriere macht, steht in engem Kontakt zu Mandanten, nimmt Gerichtstermine wahr und vertritt dort ihre Interessen. Dabei sind die Aufgabenstellungen der Mandate vielfältig, denn Pauschallösungen gibt es nicht. Daher sind Kreativität und Spontanität gefragt. Vor allem bei umfangreichen Projekten: Neben der fachlichen Expertise erforden sie Organisationstalent und einen guten Überblick über den Stand des Projekts.
Unternehmensjuristen hingegen sind bei einer Firma angestellt, ihr Mandant ist also gleichzeitig ihr Arbeitgeber. Den beraten sie in wirtschaftsrechtlichen Fragen – etwa auf den Gebieten Markenrecht oder Arbeitsrecht. Wie umfangreich die Aufgaben eines Syndikusanwalts tatsächlich sind, hängt jedoch stark von der Unternehmensgröße ab. Bei der HUK-Coburg jedenfalls, scheint die Arbeit in der Rechtsabteilung sehr abwechslungsreich und spannend zu sein: »Man weiß fast nie, was konkret auf einen zukommt«, erzählt Dr. Jörg Etzkorn, Leiter der Abteilung Recht und Compliance der HUK-Coburg. Neben dem Tagesgeschäft könne es beispielsweise vorkommen, dass der Vorstand ad-hoc beraten werden möchte, spontane Telefonkonferenzen zu führen seien oder ein Projektteam plötzlich rechtliche Unterstützung brauche.
Anwalt vs. Syndikus: Wer sucht wen?
»Wir suchen offene Menschen mit Kommunikationsstärke, Teamfähigkeit und pragmatischer, lösungsorientierter Denkweise, die juristische Sachverhalte verständlich darstellen und erklären können«, erzählt Sarah Marie Seethaler, Rechtsanwältin im Team Arbeitsrecht bei Alnatura.
Die Rechtsabteilung der HUK-Coburg sucht Einsteiger, die sowohl fachlich als auch menschlich überzeugen: »Sie sollten neben dem Beherrschen des juristischen Handwerkszeugs über eine ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit, Durchsetzungsvermögen und diplomatisches Geschick verfügen«, sagt Dr. Jörg Etzkorn, Leiter der Abteilung Recht und Compliance der HUK-Coburg. Außerdem sei eine Affinität für Unternehmens-, Wirtschafts-, Zivil- und Strafrecht von Vorteil.
Ein für die Kanzlei SZA Schilling, Zutt & Anschütz interessanter Absolvent zeichnet sich in fachlicher Hinsicht durch überdurchschnittliche juristische Qualifikationen aus. Von Vorteil seien auch einschlägige Vorkenntnisse, die etwa im Rahmen des Referendariats oder in (Neben)Tätigkeiten als wissenschaftlicher Mitarbeiter oder in Kanzleien erworben wurden, so Gerrit Krämer, angestellter Rechtsanwalt im Bereich Gesellschaftsrecht der Wirtschaftskanzlei SZA Schilling, Zutt & Anschütz.
Anwalt vs. Syndikus: Voraussetzungen und Gehalt im Check
Voraussetzungen, um Anwalt zu werden
»Berufseinsteiger sollten sich darüber im Klaren sein, dass sie trotz langjähriger und intensiver juristischer -Ausbildung noch nicht ausgelernt haben«, weiß Gerrit Krämer, angestellter Rechtsanwalt im Bereich -Gesellschaftsrecht bei der Kanzlei SZA Schilling, Zutt & Anschütz. Denn die Tätigkeit als Rechtsanwalt erfordere weitere Fähigkeiten, die Juristen erst in der praktischen Arbeit lernen – so etwa wirtschaftliche Risiken für den Mandanten zu beachten. Daher seien die Bereitschaft, sich selbst weiterzuentwickeln, und ein gesundes Maß an Neugier hilfreich für einen erfolgreichen Berufseinstieg.
Gehälter von Anwälten
Bei kleineren Kanzleien können frisch gebackene Juristen mit einem Jahresbruttogehalt zwischen 35.000 und 50.000 Euro rechnen. In den Top-Kanzleien hingegen winken Gehälter von 80.000 bis zu 140.000 Euro zuzüglich Bonus. Dafür werden allerdings 18 Punkte in der Summe beider Examina, ein Doktortitel oder ein im Ausland erworbener LL.M. gefordert.
Voraussetzungen, um Syndikus zu werden
»Für einen Job als Unternehmensjurist sollten Absolventen Lust am praktischen und lösungsorientierten Arbeiten mitbringen und Spaß daran haben, mit anderen Menschen – auch aus anderen Fachgebieten, bei uns beispielsweise aus dem Einzelhandel – zusammenzuarbeiten«, sagt Sarah Marie Seethaler, Rechtsanwältin im Team Arbeitsrecht bei Alnatura. Zudem seien für einen zukünftigen Unternehmensjuristen Entscheidungsbereitschaft, Flexibilität, Innovativität, Teamfähigkeit sowie ein ansprechendes Examen unabdingbar, ergänzt Dr. Jörg Etzkorn, Leiter der Abteilung Recht und Compliance der HUK-Coburg.
Gehälter von Unternehmensjuristen
Rechtsabteilungen von Mittelständlern bieten – je nach Größe und Branche des Unternehmens – Gehälter -zwischen 48.000 und 60.000 Euro. Am besten verdienen Juristen in der Autoindustrie und Chemiebranche, -Verbände und der öffentliche Sektor zahlen die geringste Vergütung.
Praxis Check: Unternehmen
Jean Saliba arbeitet als Legal Counsel beim Pharmaunternehmen Klosterfrau
Herr Saliba, warum haben Sie sich für ein Unternehmen entschieden? Ich habe vor meinem Jurastudium verschiedene Handelsschulen besucht und eine kaufmännische Ausbildung absolviert. Mich haben betriebswirtschaftliche Aspekte eines Unternehmens schon früh begeistert. Im Rechtsreferendariat habe ich dann praktische Erfahrungen in Unternehmen gesammelt: Vom Start-up bis zum Großkonzern war alles dabei. Das hat mich fasziniert.
Wie liefen die ersten Wochen ab? Mein Arbeitgeber und ich kannten uns schon aus meiner Zeit als Rechtsreferendar und meiner Zeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Unternehmen. Ich konnte von Anfang an in das Tagesgeschehen eingreifen und dem Unternehmen helfen.
Was hat Sie am meisten überrascht? Unter anderem der Abstand zwischen rechtlicher Theorie und betrieblicher Praxis, der sich einem Unternehmensjuristen bieten kann.
Beschreiben Sie einen typischen Tag in den ersten 100 Tagen: Zuerst lese ich kurz ein paar Fachzeitschriften, dann geht es an die Unterschriftenmappen. Darin befinden sich die finalen Versionen mit mir abgestimmter Verträge. Ich bearbeite schriftliche Anfragen. Neben Einzelgesprächen gibt es häufig auch Telefonkonferenzen und Meetings, um komplexere Sachverhalte zu klären.
Was machen Sie jetzt und was ist das Spannendste daran? An meinem Arbeitsplatz konzentriert sich das Vertragswesen. Es geht um grundsätzliche Vertragsfragen, inklusive der Vertragsvorlagenerstellung und Verwaltung, das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und das übergeordnete, zentralisierte Vertragsmanagement. Bei Letzterem ist es derzeit besonders spannend, die Digitalisierung als Projektmitverantwortlicher voranzutreiben.
Praxis Check: Kanzlei
Urs Fabian Frigger arbeitet als Rechtsanwalt in der auf das Gesundheitswesenspezialisierten Kanzlei Lyck+Pätzold
Herr Frigger, warum haben Sie sich für eine Stelle in einer Kanzlei entschieden? Ich habe schon im Referendariat für Kanzleien für Medizinrecht gearbeitet. Man kann in Kanzleien unabhängiger agieren und hat mit vielfältigeren Themen zu tun als als Syndikus.
Wie liefen die ersten Wochen ab? Da ich vorher schon im Medizinrecht gearbeitet hatte, wurde ich nach wenigen Wochen Einarbeitungszeit schon voll eingesetzt. Der Vorteil in diesem Bereich ist, dass es oft kleine Boutique-Kanzleien sind und Einsteiger schnell direkten Mandantenkontakt haben. Man arbeitet nicht nur zu, sondern übernimmt gleich eigene Fälle.
Was hat Sie am meisten überrascht? Ich wusste durch mein Referendariat in medizinrechtlichen Kanzleien schon ziemlich genau, was mich erwarten würde. Daher rate ich auch jedem, schon im Vorbereitungsdienst seine Fachrichtung zu suchen und Erfahrungen zu sammeln.
Beschreiben Sie einen typischen Tag in den ersten 100 Tagen: Der war ähnlich wie heute: morgens Mails checken, Post prüfen, aktuelle Zeitschriften lesen. Dann stehen meist Telefontermine an. Im Medizinrecht hat man wenig Laufkundschaft, unsere Mandanten sitzen weit verteilt. Klassische Tätigkeiten sind Rechtsgutachten und Schriftsätze zu erstellen und zu bearbeiten. Die Arbeitszeiten sind recht human, weil wir weniger projektgetrieben, sondern mit einem stetigen Arbeitspensum arbeiten.
Für was sind Sie jetzt zuständig und was ist das Spannendste daran? Im Medizinproduktebereich beraten wir sowohl Industrie- als auch Handelsunternehmen – vor allem im Bereich Compliance. Seit dem Inkrafttreten des Antikorruptionsgesetzes habe ich viel mit der Frage zu tun, inwiefern Ärzte und Unternehmen zusammenarbeiten dürfen. Zudem beraten wir Heilberufler, medizinische Versorgungszentren oder Arztpraxen. Hier geht es beispielsweise um Berufsausübungsgemeinschaftsverträge oder Praxisnachfolge. Es ist die große Bandbreite, die meinen Job so spannend macht.