»Mein Anwalt hat mir geraten, die Aussage zu verweigern!« Ein kluger Rat des Juristen, wenn er seinen Mandanten davon abhalten will, sich selbst zu belasten. Anders sieht es aus, wenn der Rechtsvertreter in einem Beratungsunternehmen arbeitet. Denn in diesem Fall könnte mit einer Auskunftsverweigerung ein großer finanzieller Schaden für das ratsuchende Unternehmen einhergehen. Schließlich basiert die Arbeit von Consultants auf ungeschönten Fakten und absoluter Wahrheitspflicht. An diese Wahrheit zu kommen, ist aber weniger ein existenzielles als ein logistisches Problem. Das bestätigt auch Lena Raesch, die bei der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte als Rechtsanwältin arbeitet: »Die enge Zusammenarbeit mit unseren Mandanten kann sehr herausfordernd sein, vor allem, wenn es darum geht, Detailinformationen innerhalb großer Konzerne zu erhalten.«
Das bedeutet oft Stress, vor allem, wenn der Zeitplan eng gesteckt ist und weitere Projekte, Fristen und Deadlines parallel warten. Consultants müssen zunächst die Bedürfnisse des Kunden ermitteln und sich in die Strukturen des Unternehmens eindenken, um die Situation zu analysieren und schließlich Lösungsvorschläge unterbreiten zu können. Dafür sind sie häufig vor Ort beim Kunden – Geschäftsreisen vorausgesetzt. Der Trend zur Virtualisierung macht jedoch auch vor der Beraterbranche nicht halt: Viele Unternehmen setzen mehr und mehr auf digitale Kommunikationsformen, um Kunden und Mitarbeiter miteinander zu vernetzen. Die persönliche Beratung vor Ort ist aber nach wie vor die häufigste Form der Beratungsdienstleistung.
69 Prozent der Consultants sind zufrieden oder sehr zufrieden mit ihrem Arbeitsplatz; 79 Prozent sagen, dass in ihrem Unternehmen ein gutes Arbeitsklima herrscht.
Trotz der manchmal schwierigen Koordinierung der verschiedenen Aufgaben hat sich Raesch gegen den Staatsdienst und für eine Tätigkeit in der Unternehmensberatung entschieden. »Eine leistungsabhängige Karrierelaufbahn sowie die entsprechende Vergütung sprechen meines Erachtens eindeutig für die freie Wirtschaft«, erklärt die 31-Jährige, die neben dem juristischen Staatsexamen einen Magisterabschluss in deutschem und englischem Recht hat. Nach ihrem Einstieg bei Deloitte absolvierte sie zusätzlich noch ein berufsbegleitendes betriebswirtschaftliches Masterstudium.
Einsatzbereiche
Der Arbeitsalltag ist ebenso abwechslungsreich wie fordernd, wie Conrad Marburg, Consultant bei Deloitte, erklärt: »Jedes Projekt und jeder Mandant sind höchst unterschiedlich, sodass ich mich immer neu in einen Sachverhalt und ein Geschäftsmodell eindenken muss. Dafür ist neben juristischen Fähigkeiten auch ein hohes Maß an wirtschaftlichem Verständnis des Unternehmens sowie der Branche nötig.« Herausforderungen, die es zu meistern gilt, hängen oft mit den Bereichen der Globalisierung, der Digitalisierung und der Nachhaltigkeit zusammen. Den höchsten Marktanteil der verschiedenen Beratungsarten hat einer Studie des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater zufolge die Organisations- und Prozessberatung gefolgt von der Strategieberatung – hier sind auch die Gehälter für Consultants im Vergleich am höchsten.
Kunden kommen vor allem aus dem verarbeitenden Gewerbe, wie beispielsweise dem Fahrzeug- und Maschinenbau, sowie aus der Finanzdienstleistung mit Banken und Versicherungen. So arbeiten der Gehaltsstudie 2017 von consulting.de zufolge 36 Prozent der Consultants mit Klienten aus der Automobilbranche, 29 Prozent im Bereich Finanzen und Versicherungen. Sich je nach gewünschtem Einsatzgebiet schon während des Studiums mit den Branchen vertraut zu machen, kann hilfreich sein. Auch Praktika in Beratungsunternehmen sind eine gute Methode, um herauszufinden, ob du dir einen Einstieg ins Consulting vorstellen kannst.
20 Prozent der Consultants beraten im Bereich IT, Software und Informationsmanagement.
Bist du bei deinem Berufswunsch sicher, eröffnen sich dir viele Möglichkeiten: Beratung, Wirtschaftsprüfung, große oder kleinere Consultingfirmen, Inhouseberatung, Selbstständigkeit und und und. Ein Studium der Wirtschaftswissenschaften ist dafür längst nicht mehr Pflicht: »Die Fachrichtung eines Bewerbers ist zunächst Nebensache. Unterschiedliche Perspektiven sind für uns der Schlüssel zu neuen Ideen – wichtig ist der richtige Mix«, so Dr. Michael Lierow, Recruiting Partner bei Oliver Wyman. Auch bei KPMG kommt es inzwischen mehr auf das Gesamtpaket an, betont Berit Vider, Head of Employer Branding & Recruitment: »Zwischen den Bewerberprofilen von früher und heute gibt es einen großen Unterschied. Heute brauchen wir breitere Profile und suchen gezielt Persönlichkeiten mit verschiedensten Skills aus unterschiedlichsten Fachrichtungen auch über die standardmäßigen Kenntnisse der Wirtschaftswissenschaften hinaus.«
Benötigte Wirtschaftskenntnisse
Auch wenn für Juristen, wie für andere Quereinsteiger bei Consultern auch, das ›training on the job‹ ein sehr probates Mittel ist, um Tiefenkenntnisse zu erhalten, so ist wirtschaftswissenschaftliches Grundwissen von Vorteil. Der Jurist Christian Knake, der als Assistant Manager im Bereich Advisory, Risk and Compliance bei KPMG arbeitet, konnte schon während seines Referendariats Erfahrungen im wirtschaftsnahen Bereich sammeln. Darüber hinaus musste er sich zusätzlich Kenntnisse über den Ablauf von Unternehmensprozessen aneignen.
Nur 20 Prozent der Unternehmensberater sind weiblich. 37 Prozent von ihnen sind unter 30 Jahre alt.
Viele Consultingfirmen bieten Traineeprogramme oder hausinterne Fortbildungen an, um eventuelle Wissenslücken auszugleichen und dich zu einem kompetenten Berater auszubilden. Bei The Boston Consulting Group (BCG) absolvieren fachfremde Mitarbeiter ein sogenanntes Exotentraining. Der Jurist Philipp Loosen, der im Moment promoviert, arbeitet als Consultant bei BCG. Er hat an einem BWL-Grundlagenkurs teilgenommen und konnte viel Fachwissen erwerben, das er für die tägliche Beratungsarbeit braucht – von der Kostenrechnung über Marktsegmentierung bis hin zu Interview- und Präsentationstechniken. Hauptsächlich kommt es jedoch auf deine Persönlichkeit an: »Viel wichtiger als Fachwissen ist am Anfang Begeisterungsfähigkeit für neue Themen und die Bereitschaft, sich schnell in unbekannte und komplexe Bereiche einzuarbeiten«, weiß Dr. Lierow von Oliver Wyman. Mobilität, Einsatzbereitschaft, Ausdauer und Belastbarkeit sind im Consultantberuf ohnehin unerlässlich.
Kein typischer Arbeitsalltag
Loosen betont: »Am meisten gelernt habe ich nach meinem Berufseinstieg ›on the job‹.« Der 32-Jährige lernt jeden Tag dazu. Das ist das Besondere an seinem Beruf – die ständige Weiterentwicklung, die große Bandbreite an Branchen wie Mobilfunkdienstleister, Großbanken oder Rohstofflieferanten und die unterschiedlichen Themen, mit denen er tagtäglich konfrontiert ist. Loosen hat unter anderem die Strategieentwicklung für ein neu gegründetes Joint Venture und die Neustrukturierung einer Investmentbanking-Abteilung betreut. Loosen schätzt die Abwechslung, die sein Job bietet ebenso wie die enge Zusammenarbeit mit Kunden – auch wenn die Tage manchmal lang sind.
Er ist viel unterwegs, nimmt Termine mit Kunden, BCG-Partnern und Projektleitern wahr und setzt sich abends nochmal an den Laptop, um konzeptionell zu arbeiten. Mit Dienstreisen und nicht selten 50- bis 70-Stunden-Wochen ist die Work-Life-Balance im Consulting eher mittelmäßig. Dennoch schätzen nur zwei Prozent der in einer Statista-Umfrage befragten Berater ihr Burn-Out-Risiko als hoch ein – zum Vergleich: Im Gesundheitswesen sagen das immerhin elf Prozent der Befragten von sich. Häufig ist in Beratungsunternehmen mittlerweile zudem die Möglichkeit längerer Auszeiten und Ruhephasen zwischen einzelnen Projekten gegeben und die Arbeitszeit flexibel gestaltet. Auch das Gehalt bietet einen guten Ausgleich: Als Einsteiger verdienst du im Mittel etwa 50.000 Euro brutto jährlich, mit Boni sind es in großen Beratungsfirmen teilweise sogar bis zu 70.000 Euro. Gehaltsschritte und Karrieresprünge sind als Consultant alle zwei bis fünf Jahre möglich – und erwartet. Häufig gilt zur Exzellenzsicherung der Mitarbeiter die Up-or-Out-Regel: Wer nicht schnell genug aufsteigt, muss gehen.
87 Prozent der Consultants leisten im Mittel 14 Überstunden pro Woche. 68 Prozent von ihnen erhalten dafür keinen Ausgleich.
Auch der Rechtsanwalt Alexander Lattmann, der bei PwC Legal arbeitet, hat keine 40-Stunden- Woche. Sein tägliches Pensum umfasst zum Teil elf bis zwölf Stunden – in Projektphasen reichen selbst diese nicht aus. Wenn er einen normalen Arbeitstag beschreiben soll, kann er darauf keine Antwort geben, denn ›den normalen Tag gibt es nicht‹. Sein Fokus liegt zwar auf Gesellschaftsrecht und Restrukturierungsberatung, aber seine Arbeit bezieht sich nicht ausschließlich auf reines Aktenstudium oder Memoschreiben. »Ich bin bei Vertragsgestaltungen und Projektleitungen dabei. Dabei habe ich viel Kontakt zu meinen Kollegen aus unserem Netzwerk im Ausland, was das Ganze sehr spannend macht«, sagt Lattmann. Es war die Angst vor Monotonie, weshalb sich der Rechtsanwalt gegen den Staatsdienst entschieden hat – ausschlaggebend waren Gründe wie freiere Zukunftsgestaltung und das ›No risk, no fun‹-Prinzip.
Breit gefächerte Anforderungen
Auch Lattmann hat neben seinem Jurastudium noch einen Abschluss in BWL. Das zusätzliche Wissen hilft ihm bei seiner täglichen Arbeit im Mergers&Acquisitions-Team (M&ATeam), das sich mit Fusionen und Übernahmen von Unternehmen beschäftigt. »Aber ich mache nicht nur Projektarbeit, sondern auch ganz normale Corporate-Beratungen. Dazu kommt, dass ich mit unterschiedlichen Unternehmen zusammenarbeite – vom Mittelständler bis zum DAX-Konzern«, erklärt der 28-Jährige. Seit Mitte März ist er bei PwC Legal beschäftigt und seine interessanteste Aufgabe war bisher ein M&A-Projekt, in dem über 19 Länder und einzelne Landesgesetze betroffen waren. Vor allem große Beratungshäuser bieten ihre Leistungen grenzübergreifend an. Gute Englischkenntnisse, eine schnelle Auffassungsgabe, Ausdauer und der Mut für kreative Denkanstöße sind unumgänglich – ebenso wie Eloquenz und eine gute Kommunikationsfähigkeit.
Der Umgang mit Mandanten erfordert weiche Stärken, zum Erfolg führen harte Fakten. Die gelungene Kombination beider Komponenten ist ausschlaggebend – schließlich besteht die Arbeit eines Consultants zum Großteil aus Kundenkontakt. Lena Raesch von Deloitte verbringt rund ein Drittel ihrer Arbeitszeit bei Klienten, ansonsten arbeitet die Mitarbeiterin in der Steuerabteilung im Büro an Gutachten oder Anfragen ausländischer Kollegen. Die Vorbereitung interner Schulungs- und Vortragsunterlagen gehört ebenso dazu wie die Begutachtung von Anträgen. Diese Aufgaben können, wenn die nötige Routine noch fehlt, eine große Herausforderung darstellen. Aber Alexander Lattmann, der seit Mitte März 2010 bei PwC Legal arbeitet, ist sich darüber im Klaren, dass er als Berufsanfänger noch nicht zu jeder Frage eine Antwort haben kann. Er durchläuft jeden Tag einen Lernprozess und weiß, dass er nur profitieren kann. »Am Ende des Tages bin ich in der Regel sehr zufrieden, weil ich weiß, dass ich nicht nur für die Firma, sondern auch für mich und meinen Werdegang gelernt habe«, sagt der 28-Jährige.
Neue Wege gehen
Die Devise lautet nicht nur ›Ausdauer‹ – auch Sensibilität ist wichtig in diesem Beruf. »Wir stehen als Berater stets in engem Kontakt zur Geschäftsführung. Das stellt eine enorme Herausforderung dar, da wir uns auch immer auf unser Gegenüber einstellen müssen. Allerdings ist diese Zusammenarbeit sehr inspirierend «, sagt Christian Knake von KPMG. Sein Job ist von hoher Reisetätigkeit gekennzeichnet – der 34-jährige Assistent Mananger schätzt die Vielfalt seines Berufs und die Möglichkeit, während der Arbeit mit anderen Kulturen in Kontakt zu treten. Dazu passt sein Schlussplädoyer für einen Einstieg nach dem Jurastudium in ein Consultingunternehmen: »Es warten viele spannende Themen und interessante Begegnungen auf die man während der Ausbildung zum Juristen nicht trifft.«
Als Jurist bist du im Consulting kein Exot: 47 Prozent der Unternehmensberater kommen aus anderen Fachrichtungen als den Wirtschaftswissenschaften. Quereinsteiger auch aus den Geistes- oder Sozialwissenschaften werden immer häufiger und interdisziplinäre Teams sind mittlerweile eine Selbstverständlichkeit, um den Kunden umfassende Lösungen zu bieten. Wichtig ist, dass du dich nicht nur in der Branche mit deren Arbeitsweise und Work-Life-Balance wohlfühlst, sondern auch zwischenmenschliches Talent mitbringst. Denn ob mit Kollegen oder Kunden – die Kommunikation steht in jeder Projektphase im Mittelpunkt. Wünschst du dir nach deinem Studium also eine abwechslungsreiche und fordernde Tätigkeit jenseits von Akten und dicken Rechtswälzern, könnte die Consultingbranche genau die richtige für dich sein.
Praxischeck
»Die meiste Zeit des Jahres verbringe ich im Büro. Ein normaler Arbeitstag beginnt morgens zwischen acht und neun Uhr. In der ersten halben Stunde plane ich meinen Tag und informiere mich über aktuelle Entwicklungen. Meist führe ich im Anschluss daran Besprechungen oder Telefonkonferenzen durch. Sofern keine Termine entgegenstehen, gehe ich mittags mit den Kollegen etwas Essen oder zum Sport. Da die Arbeitszeit meist flexibel gestaltbar ist, bin ich abwechselnd länger oder kürzer im Büro. Inhaltlich stellt das sehr dynamische Umfeld zwar eine Herausforderung dar, verleiht meiner Arbeit aber zugleich auch ihren spannenden Charakter: Ich kann mich nicht auf bestehendem Wissen ausruhen. Gerade absolviere ich zum Beispiel berufsbegleitend den Mannheim Master of Accounting and Taxation und bereite mich auf die anschließende Steuerberaterprüfung vor.«
Conrad Marburg, Consultant bei Deloitte