Und was machst du nach dem Studium? So unbeliebt diese Frage auch ist, irgendwann muss sie sich jeder Student stellen. Bei Mathematikern gibt es hierauf meist zwei Antworten. Entweder sie werden Lehrer oder sie gehen beispielsweise zu einer Versicherung oder Bank und arbeiten dort im Risk Management. Wenn ein Mathematiker jedoch antwortet, er gehe nach dem Studium in die Spieleindustrie oder gar in einen Verlag ist die Überraschung perfekt. Schließlich gelten diese Bereiche nicht unbedingt zu den Branchen, in denen sich die Zahlenkünstler tummeln.
Als Mathematikerin in der Spielebranche
Kate Ergle hat sich nach ihrem Mathematikstudium ganz bewusst für eine Tätigkeit bei Goodgame Studios, einem Spielesoftwareunternehmen, entschieden, denn die Spielebranche sei jung und locker und nicht gleichzusetzen mit der bei Mathematikern beliebten Finanzbranche. Als Junior Data Analyst ist die 27-Jährige für verschiedene Analysen zuständig, etwa wie lange sich die Spieler mit einem der Spiele aufhalten. Die verschiedenen Abteilungen kommen mit Aufträgen zu ihr, sie entscheidet dann, welche Analysemethode angewandt wird – die Analysen reichen von einfachen tabellarischen oder graphischen Darstellungen bis zu statistischen Modellen. Die Ergebnisse der Arbeit müssen anschließend dokumentiert und präsentiert werden.
Ergle kann sich hierbei mit eigenen Ideen einbringen und verschiedene Methoden testen.
»Mir stehen die neuesten Technologien für den Umgang mit Big Data zur Verfügung, mit denen ich die immer wieder neuen Fragestellungen der Abteilungen beantworten kann«, schwärmt die Mathematikerin.
Besonders spannend sei hierbei die Arbeit mit »echten Daten«, schließlich treten dabei auch fehlerhafte Datenpunkte auf, die vor der Analyse identifiziert und entfernt werden müssen, um das Ergebnis nicht zu verfälschen. Das ist anders als im Statistikbuch an der Uni. Ihr Mathestudium hat der 27-Jährigen dennoch einiges mit auf den Weg gegeben, das ihr im Arbeitsalltag hilft:
»Das Studium hat mein analytisches Denken gefördert und ich habe gelernt, kritisch zu hinterfragen. Besonders nützlich waren auch alle IT- und Programmierthemen.«
Immer das Ziel im Blick
Nicht nur fachlich bot das Studium einiges an Vorbereitung auf den Beruf, schließlich muss man in beiden Fällen Zeit- und Selbstmanagement beherrschen, um Deadlines einzuhalten. Besonders wichtig bei der Einhaltung der Fristen sei es, die Balance zu finden zwischen komplexen, anspruchsvollen Analysen und zeitnahen, anwendbaren Ergebnissen. Dabei ist es wichtig, von der Fragestellung bis hin zur fertigen Analyse zielorientiert zu denken. Außerdem gehören gute Kenntnisse in Statistik sowie Interesse am Programmieren zum Handwerkszeug eines Junior Data Analyst. Ergle rät außerdem Kenntnisse über verschiedene Datenbanken sowie Methoden, um diese abzufragen, mitzubringen.
Nach dem Mathestudium in den Verlag
Dass ein Abschluss in Mathematik auch in einen Verlag führen kann, zeigt Christa Stoll, die als Redakteurin für Mathematik beim Ernst Klett Verlag das Autoren- und Projektmanagement übernimmt. Dabei geht es unter anderem darum, die didaktischen und mathematischen Inhalte des Schulbuchs mitzuentwickeln und die Produktion vom Schreiben der ersten Seite bis zum fertig gedruckten Buch zu begleiten. Dazu gehört es beispielsweise auch, Grafik-Manuskripte zu erstellen, Fotos auszuwählen und den Marketingbereich zu unterstützen. Gute Kenntnisse der Mathematik sind für diese Tätigkeit selbstverständlich von Vorteil. Besonders hilfreich ist es aber, einen Blick für die Aufgaben und die Schwierigkeiten, die Schüler damit haben, zu entwickeln. Stoll hat dieses Gespür vor allem während ihrer Zeit als Nachhilfelehrerin in Mathe geschult:
»Da habe ich viel über die Denkprozesse der Schüler erfahren.«
Selbstverständlich bereitete auch das Mathestudium bestens auf eine Tätigkeit als Lehrbuchredakteurin vor, denn man lerne strukturiert und konzeptionell zu denken und zu analysieren. »Außerdem muss man im Mathestudium auf jeden Fall auch Geduld und Frustresistenz erlernen, das hilft mir heute beim Korrekturlesen, wenn ich die gleiche Seite zum x-ten Mal lese«, fügt die Redakteurin hinzu.
Die Schönheit der Mathematik im Kleinen
Stoll hat sich aus ganz einfachen Gründen für eine Verlagstätigkeit entschieden, zum einen reize sie die Herausforderung, für zehntausende Schüler ein verständliches und gutes Schulbuch zu erarbeiten. Zum anderen könne sie so eine Vielzahl ihrer Talente einsetzen wie etwa Kommunizieren und Argumentieren, Organisieren und Planen sowie Konzepte entwickeln. Die größte Herausforderung besteht bei Letzterem darin, Konzepte zu entwickeln, um komplexe mathematische Zusammenhänge einfach und verständlich darzustellen.
»Besonders spannend daran ist die Frage, wie man es schafft, korrekt und gleichzeitig verständlich zu sein für einen Hauptschüler ebenso wie für jemanden, der später Abitur macht und eventuell Mathematik studiert«, ergänzt Stoll.
Wenn dann das Lehrbuch fertig ist, kann es viele Menschen erreichen und ihnen helfen. Die Redakteurin schätzt es sehr, dass sie ihre analytischen und strukturellen Fähigkeiten für praktische Produkte einsetzen kann. Daher kann sie jedem Mathestudenten nur raten: »Wer gerne für und mit Menschen arbeitet, die Schönheit der Mathematik gerade auch im Kleinen zu schätzen weiß, der ist in einem Verlag in der Mathematik-Redaktion genau richtig.«
Auch nach rechts und links schauen
Es kann sich durchaus lohnen, sich auch abseits von bekannten Pfaden umzusehen. Denn es muss nicht immer das Naheliegende sein, das berufliche Erfüllung bringt. Für Mathematiker gibt es weitaus mehr als die Versicherungs- und Finanzbranche. Denn sie sind vielseitig einsetzbar: Wie wäre es beispielsweise mit Softwareentwicklung, Consulting, wissenschaftlicher Forschung oder System Test Engineering. Du musst dich nur trauen, dann kannst du mit der Antwort auf die unbeliebte Frage nach dem ›Danach‹ alle überraschen.