gemalter Teddybär an Wand

Arzneimittelzulassung: Regulatory Affairs

Die Türsteher der Pharma-Branche: Regulatory Affairs entscheiden, ob ein Medikament dem Markt zugemutet wird

Nicht überall heiligt der Zweck die Mittel: Wenn es um Arzneimittel geht, ist ein ›besser als gar nichts‹ noch lange nicht ausreichend. Stattdessen muss genau geprüft werden, ob das Medikament am Ende nicht mehr Schaden anrichtet als Nutzen bringt. Ein Job irgendwo zwischen der Verantwortung zur Hilfe und Patientenschutz.

Kriterien für eine erfolgreiche Zulassung

»Wichtig sind bei den Zulassungsverfahren vor allem drei Dinge: Wirksamkeit ist das wichtigste Kriterium, aber es muss natürlich auch sicher sein – niemand sollte also nach Einnahme sterben, außerdem ist die Qualität wichtig: von der Verpackung bis zum Inhalt muss sichergestellt werden, dass nichts bröselt oder etwaige Unannehmlichkeiten verursacht«, so Dr. Ulrich Granzer von der Deutschen Gesellschaft für Regulatory Affairs (DGRA).

Die DGRA wurde 1998 in Bonn gegründet und versteht sich als unabhängiger Mittler zwischen Hochschulen, Industrie und Behörden. Gemeinsam mit der Uni Bonn bietet sie auch den weiterbildenden Studiengang ›Drug Regulatory Affairs‹ mit Masterabschluss an. Gründungsmitglied Dr. Granzer konnte diesen noch nicht auf sein ursprüngliches Studium der Pharmazie draufsetzen. Ein Wort zum Thema Lobbying, das in der Öffentlichkeit immer mal wieder in Zusammenhang mit Arzneimitteln und Arzneimittelentwicklung hochkommt:

»Mein Unternehmen sitzt zum Beispiel in München, wo es gar keine Zulassungsbehörde gibt – das zeigt schon, dass es in unserem Beruf nicht darum geht, aufdringliche Lobbyarbeit zu betreiben«.

Stattdessen geht es darum, ein Medikament vernünftig auf der Basis von sauberer wissenschaftlicher Arbeit auf den Markt zu bringen. »Es wäre natürlich schön, wenn sich die pfiffigen Studenten, die sich für die Naturwissenschaften interessieren, einen Blick in die Arzneimittelzulassung werfen – schließlich kann sich die deutsche Branche im internationalen Vergleich mehr als nur sehen lassen!«

Entscheidend für die Zulassung ist das sogenannte ›Nutzen-Risiko-Verhältnis‹, das einordnet, ob die in klinischen Prüfungen gemessene Wirksamkeit potenzieller Nebenwirkungen überwiegt:

Sind zu schwere Nebenwirkungen zu erwarten, die die positive Wirkung des Medikaments quasi hinfällig machen?

Diese Aufgabe der Bewertung wird von Behörden wie dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte oder dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) übernommen.

Pharma ist global

Arzneimittel werden global entwickelt und hergestellt. Dementsprechend macht es auch bei den Zulassungsverfahren »keinen Unterschied, in welchem Land man den Antrag stellt, es gelten dieselben Kriterien«, erklärt Dr. Granzer.

»Arzneimittelprüfung ist eine hochwissenschaftliche Aufgabe, die nicht zuletzt aufgrund der Vielfalt der Fragestellung und der direkten Begleitung vieler neuer und vielversprechender Arzneimittelentwicklungen anspruchsvoll und herausfordernd ist. Sie erfordert hohes Engagement und internationale Netzwerkbildung«, so Prof. Dr. Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts,

»Wer möchte nicht an der Ausrottung von Infektionskrankheiten zusammen mit der WHO mitwirken oder einen Durchbruch bei der Behandlung einer schweren Krankheit entscheidend mitbegleiten?«

Das Paul-Ehrlich-Institut ist in Deutschland unter anderem für die Zulassung biomedizinischer Arzneimittel verantwortlich – etwa 80 nationale Neuzulassungen und eine große Anzahl europäischer Arzneimittelbewertungen gibt es pro Jahr. Außerdem unterliegen Allergene, aus Blutplasma hergestellte Produkte, Immunglobuline und Impfstoffe der staatlichen Chargenprüfung, das heißt, jede hergestellte Charge dieser Arzneimittel muss vor dem Inverkehrbringen in Deutschland vom PEI überprüft und freigegeben werden.

Eckdaten zu Regulatory Affairs

Doch wie schnell geht so eine wichtige Entscheidung eigentlich über die Bühne? »Gesetzlich festgelegt sind 210 Tage für das zentralisierte europäische Zulassungsverfahren beziehungsweise national sieben Monate bis zur Entscheidung über die Zulassung«, so Prof. Dr. Cichutek, »inklusive der Zeitvorgaben für die Antragsverbesserung während des Bewertungsprozesses durch die Antragsteller dauert ein Zulassungsverfahren für ein neues Arzneimittel durchschnittlich ein bis 1,5 Jahre lang.« Allerdings gibt es auch beschleunigte Verfahren für Arzneimittel, die im Interesse der öffentlichen Gesundheit dringend zur Verfügung gestellt werden müssen.

150 Tage sind zum Beispiel im Falle einer Pandemie vorgesehen. Absichtlich Zeit lässt sich niemand, aber für eine schnelle Abwicklung braucht es eben auch entsprechende Ressourcen. In den letzten 16 Jahren gab es über 550 Absolventen mit dem akademischen Grad Master of Drug Regulatory Affairs an der Uni Bonn. Diese Zahl ist allerdings noch unzureichend. Weiterhin steht die Branche also Absolventen andere naturwissenschaftlicher Fächer offen, die sich auch für juristische Fragestellungen interessieren.


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