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Der digitale Patient

Medizin der Zukunft: Der Direktor des Fraunhofer MEVIS-Institut Dr. Horst Hahn erklärt, wie die Digitalisierung die Arbeit von Ärzten verändert.

 

Herr Dr. Hahn, welche Chancen bringt die Digitalisierung für die Arbeit von Ärzten hervor?

Aus meiner Sicht sehen sich Ärzte mit einer riesigen Herausforderung konfrontiert. Sie müssen quasi täglich ihr Wissen aufgrund aktueller Studien, Forschungsergebnisse und Leitlinien sowie weiter entwickelter Therapieansätze und diagnostischer Verfahren erweitern. Gleichzeitig steht pro Patient eher weniger als mehr Zeit zur Verfügung, der Kostendruck steigt und auch die Bürokratie macht nicht vor ihnen Halt. In der Summe sehe ich eine signifikante Zunahme der Komplexität und des Leistungsdrucks. Die Digitalisierung, sobald sie wirklich funktioniert, kann helfen, die Abläufe reibungslos so zu gestalten, dass Informationen dort, wo sie gebraucht werden, stets vollständig verfügbar sind. So werden letztlich auch Doppeluntersuchungen vermieden. Die eigentlich bedeutende Veränderung wird jedoch erst danach erfolgen. Aufbauend auf der digitalen Integration können medizinische Abläufe völlig neu gestaltet und optimiert werden – wir bezeichnen dies als die ›digitale Transformation‹. Dort spielt auch das maschinelle Lernen eine wachsende Rolle, das uns dabei helfen kann, Therapieentscheidungen mit einer höheren Sicherheit zu treffen und letztlich die ständig wachsende Komplexität effektiv zu meistern.

Welchen Rat können Sie Berufseinsteigern für den Umgang mit dem digitalen Wandel geben?

Der Hype, den wir in den letzten Jahren zum Thema Künstliche Intelligenz erlebt haben, ist noch nicht in der klinischen Routine angekommen. Die Erwartungen wurden zu schnell aufgetürmt und wir sollten realisieren, dass es am Ende nicht die Computer sind, die unsere Patienten heilen werden. Vielmehr müssen wir lernen, diese potenten Hilfsmittel richtig einzusetzen – ja sogar, sie zu verstehen. Berufseinsteiger sind vermutlich am besten damit beraten, diese Entwicklungen nicht als Bedrohung zu empfinden, sondern sich dafür zu interessieren und mit Neugier aber auch Vorsicht die daraus entstehenden Möglichkeiten zu ergründen. Ein wenig technische Affinität, gepaart mit einem klaren Blick auf die Grundlagen ethischen Handelns, können dabei nicht schaden.

Wie verändert sich möglicherweise auch das Berufsbild des Arztes?

Ich erwarte, dass sich die medizinischen Fachdisziplinen im Zuge der digitalen Transformation schrittweise verändern werden. Beispielsweise gehe ich davon aus, dass diagnostische Teams entstehen, bei denen die Grenzen zwischen den bisherigen Fächern mehr und mehr verschwimmen. Dies wird tiefgreifende Veränderungen im Gesundheitswesen nach sich ziehen, nicht zuletzt auch berufspolitischer Art. Wenn wir unseren Kompass stets auf das Ziel der bestmöglichen Patientenversorgung richten, sollte dieser Wandel aber gelingen.


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