gelbe Stühle mit Tischen aufgereiht
Foto: misterQM/Quelle: Photocase

Perspektiven nach dem Medizinstudium

In der Pharmaindustrie, in den Medien oder in einer Unternehmensberatung: Wer ein Medizinstudium absolviert, ist nicht auf die Tätigkeit in einer Klinik festgelegt.

Es hat sich einiges getan auf dem Arbeitsmarkt für Ärzte

»In den letzten sieben Jahren hat sich durch unsere Tarifverträge für Krankenhausärzte vieles zum Positiven entwickelt. So gab es nicht nur Gehaltssteigerungen, auch die Arbeitsbedingungen haben sich gegenüber früheren Zeiten verbessert«, erklärt Hans-Jörg Freese vom Marburger Bund. Allerdings weiß Freese auch, dass Klinikärzte nach beruflichen Alternativen suchen, weil sich die immer noch hohe Arbeitsbelastung von über 50 Stunden in der Woche oft schlecht mit einem Familienleben vereinbaren lässt.

»Anders als vor zehn oder 15 Jahren muss aber kein Mediziner mehr nach Alternativen suchen, weil er in der kurativen Medizin keinen Job findet.«

Schließlich gebe es inzwischen eine starke Nachfrage nach Ärzten und vielerorts auch einen Ärztemangel.

Besonders vielfältige Alternativen bietet der öffentliche Gesundheitsdienst. »Ärzte werden in Bundeseinrichtungen wie dem Robert-Koch-Institut, auf Landesebene und in den Gesundheitsämtern vor Ort gebraucht«, berichtet Dr. Ute Teichert-Barthel, Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD). Auch die Aufgabenfelder der Mediziner, die im öffentlichen Dienst arbeiten, sind vielfältig: »In den Gesundheitsämtern arbeiten Ärzte zum Beispiel im Sozialpsychiatrischen Dienst oder untersuchen Kinder und Jugendliche, führen Einschulungsuntersuchungen und Begutachtungen bei Erwachsenen durch.« Sie sind aber auch für Infektionsschutz und Hygiene zuständig, überwachen das Trinkwasser und begehen Gesundheitseinrichtungen wie Kliniken und Arztpraxen.
Auf Landesebene setzen die Mediziner die Bundesgesetzgebung um, unterstützen die Gesundheitsämter vor Ort und führen Informationen aus Städten und Kommunen zusammen. »Wer als Arzt seinen Horizont erweitern will, ist im Öffentlichen Gesundheitsdienst genau richtig. Denn er arbeitet interdisziplinär und ist in der Regel mit den aktuellen Entwicklungen wie etwa neuartigen Krankheitserregern befasst«, weiß Teichert-Barthel.

Auch in der privaten Wirtschaft ist das Fachwissen von Ärzten gefragt. So gibt es zum Beispiel ein wachsendes Interesse der Bevölkerung an medizinischen Themen und damit auch eine große Präsenz in den Medien. »Deshalb steigt der Bedarf an Journalisten mit fundiertem medizinischen Hintergrundwissen«, betont Freese. Doch ob nun der Mediziner bei einer Zeitschrift, in einer Fernsehredaktion oder bei einem Online-Dienst arbeitet: Ohne journalistisches Know-how bleibt einem Arzt dieser Weg verschlossen. Eine Zusatzqualifikation, zum Beispiel durch Praktika, den Besuch einer Journalistenschule oder das Absolvieren eines Volontariats ist also unbedingt notwendig.

Eine andere Alternative zur ärztlichen Tätigkeit mit direktem Patientenkontakt bieten Unternehmensberatungen:

»Wer als Arzt bei einer Beratung arbeiten will, sollte ein gewisses Gespür für Zahlen und Interesse für wirtschaftliche Themen mitbringen«, berichtet Prof. Dr. Karsten Hemmrich, Associate Principal bei McKinsey & Company und Professor für Experimentelle Plastische Chirurgie an der RWTH Aachen.

Ein wirtschaftswissenschaftliches Zusatzstudium ist dagegen keine Einstellungsvoraussetzung.

»Ich habe in meiner Anfangszeit bei McKinsey zum Beispiel den sogenannten Mini-MBA absolviert, ein dreiwöchiges Training speziell für Einsteiger ohne BWL-Hintergrund. Aber auch andere Trainings wie etwa in Zeitmanagement oder im Computerprogramm Excel habe ich als sehr hilfreich empfunden.« Hemmrich sieht den Reiz einer Tätigkeit als Unternehmensberater vor allem darin, über den eigenen medizinischen Tellerrand zu blicken: »Ich lerne ständig dazu, sowohl durch die immer neuen Themen der Projekte, als auch durch die Diskussion mit meinen Klienten.«

Auch in einem weiteren Bereich der privaten Wirtschaft sind Mediziner willkommen: in der Pharmaindustrie.

Dort arbeiten sie vor allem in der klinischen Forschung und im Produktmanagement. »Humanmediziner sind bei uns hauptsächlich in den Arbeitsgebieten Pharmaceuticals und Consumer Care beschäftigt«, erklärt Bernd Schmitz, Leiter des Hochschulmarketings bei Bayer. Während sich der Geschäftsbereich Pharmaceuticals mit verschreibungspflichtigen Medikamenten beschäftigt, geht es im Bereich Consumer Care um nicht verschreibungspflichtige Produkte. In beiden Geschäftsfeldern sind Ärzte sowohl für die Forschung und Entwicklung als auch für die Zulassung und Vermarktung zuständig. In der Regel steigen Mediziner bei Bayer per Direkteinstieg ›on-the-job‹ ein. Voraussetzung dafür ist ein überdurchschnittlich erfolgreiches und zügiges Studium sowie eine mehrjährige Assistentenzeit. Im Idealfall bringen die Ärzte auch schon eine abgeschlossene Promotion mit. Bei Bayer entwickeln sich die Mediziner dann weiter: »Sie können sich zum Facharzt für klinische Pharmakologie fortbilden oder promovieren, wenn sie noch keine Doktorarbeit abgeschlossen haben«, so Schmitz.

Zu den weiteren Entwicklungsschritten gehören dann Projektleitungsfunktionen, aber auch Auslandseinsätze oder Managementaufgaben mit wachsender Verantwortung. Schmitz: »Bayer besetzt häufig Leitungsfunktionen in der Forschung und Entwicklung mit Human- und Veterinärmedizinern. Darüber hinaus bieten sich Medizinern aber auch andere Geschäftsbereiche wie Marketing, Human Ressources oder Kommunikation als Karriereoptionen an.«

Doch nicht nur für Mitarbeiter der Pharmaindustrie stellt die Forschung eine Alternative zur kurativen Medizin dar. Freese: »Während im Rahmen der Hochschulmedizin die Arbeit in der Uniklinik und in der Forschung meist eine Einheit bildet, können Mediziner auch an außeruniversitären Einrichtungen wie den Max-Planck-Instituten für medizinische Forschung tätig werden, in denen kein direkter Patientenkontakt besteht.« Auch die ärztliche Selbstverwaltung bietet Medizinern eine weitere berufliche Perspektive. »Wer zum Beispiel in der Bundesärztekammer, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder den Verbänden der Krankenversicherung arbeitet, kann Einfluss auf die ärztlichen Arbeitsbedingungen, aber auch auf die Patientenversorgung nehmen«, berichtet Dr. Bernhard Rochell, Hauptgeschäftsführer der Bundesärztekammer. »Dabei besteht unsere Aufgabe manchmal auch darin, durch Sachverstand praxisferne Ideen aus der Politik zu korrigieren und eigene Vorschläge einzubringen.« Die Selbstverwaltung der Ärzte ist zum Beispiel für die Berufsordnung, Qualitätssicherung, Fort- und Weiterbildung und die Bedarfsplanung zuständig. Weitere Arbeitsfelder sind die Begutachtung von Behandlungsfehlern, aber auch die Zulassung von Arzneimitteln, Medizinprodukten und Behandlungsmethoden.

»Insgesamt ist diese Tätigkeit sehr erfüllend. Denn wir beschäftigen uns mit dem neuesten Stand der Medizin und arbeiten interdisziplinär an der Schnittstelle zwischen Medizin und Politik mit dem Ziel, die Gesundheitsversorgung und die ärztlichen Arbeitsbedingungen zu verbessern.«

Natürlich sind damit die beruflichen Alternativen noch lange nicht erschöpft. Denn schließlich ist ja auch der Kabarettist Eckart von Hirschhausen ein studierter Mediziner.


Autorin: Anja Schreiber


Anzeige

Anzeige