Alles andere als Stillstand: soviel ist sicher in den naturwissenschaftlichen Berufen. Für Studenten entsprechender Fächer tun sich derzeit spannende neue Tätigkeitsfelder auf. Doch welcher Nawi kann in welche Branche einsteigen und wie stehen die Chancen, mit deinem fachlichen Hintergrund einen entspannten Berufseinstieg hinzulegen? Fünf Experten geben einen Einblick in Aufgaben, Herausforderungen und Möglichkeiten.
Mathematik
Bereits im Studium eine bestimmte Spezialisierung zu entwickeln, die dir eine berufliche Richtung vorgibt, ist immer ratsam – auch im Bereich Mathematik. Alleine die Wahl des Studiengangs legt von vornherein einen Bereich fest. Doch auch praktische Arbeitserfahrung zu sammeln, wird sich positiv auf den Berufseinstieg auswirken. So rät Thomas Vogt von der Deutschen Mathematiker-Vereinigung (DMV): »Wer in Wirtschaft und Industrie arbeiten möchte, für den ist es sehr hilfreich, die Bachelor- oder Masterarbeit schon in einem Unternehmen zu machen, auch um einen Einblick in die jeweilige Branche zu erhalten.« Zusätzlich seien neben einer soliden Grundausbildung in Mathematik auch Programmier- und Sprachkenntnisse sowie Auslandserfahrungen von Vorteil. Dich interessiert der Bereich Forschung? Das passt, denn hier werden Mathe-Asse gebraucht – Stichwort Simulation: »Jeder neue Fahrzeug-, jeder neue Flugzeugtyp entsteht heute und in Zukunft zunächst am PC und wird im virtuellen Raum getestet. Dabei kommen hochkomplexe Programme und Virtual Reality zum Einsatz, immer wieder gibt es Überschneidungen mit KI – auch das ist ein wachsendes Gebiet, in dem mathematische Methoden zur Anwendung kommen«, weiß Thomas Vogt von der DMV.
Physik
Auch für Physiker gibt es gute Nachrichten: Sie sind in vielen Branchen aktuell sehr gefragt. Die Zahl der offenen Stellen ist in klassischen Berufen wie zum Beispiel in Forschung und Entwicklung von Tech-Unternehmen in den letzten drei Jahren um 30 Prozent gestiegen. Doch auch außerhalb der klassischen Physikerberufe tun sich interessante Tätigkeitsfelder auf, weiß Alexander Heinrich, Vorstandsmitglied ›Junge Mitglieder und Berufsfragen‹ der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG), zu berichten: »Mehr als drei Viertel aller Physikabsolventen arbeiten außerhalb der klassischen Physikberufe, beispielsweise in IT- oder Finanzberufen, im Vertrieb, im Management, in der Beratung oder in der (Hochschul-)Lehre. Oftmals bekleiden sie dabei verantwortungsvolle Positionen: Rund ein Drittel ist als Aufsichtsrat oder Führungskraft tätig.« Zukünftig werden Physiker sowohl in der Forschung als auch in der Wirtschaft mit den expandierenden Bereichen KI, Medizintechnik sowie Klima- und Umwelttechnik in Kontakt kommen. Für die erfolgreiche Auseinandersetzung mit diesen Themen sind sie allerdings auch gut gerüstet, erklärt Alexander Heinrich von der DPG: »Physiker lernen während ihres Studiums, komplexe Probleme zu analysieren, sie zutreffend zu beschreiben und Lösungen zu finden, daher sind sie in vielen Branchen sehr willkommen.« Tagungen, Seminare und Besichtigungen von Instituten als weiterbildende Maßnahmen wahrzunehmen, sei trotz allem für die Berufsfindung empfehlenswert.
Biologie
Nicht ganz so rosig sieht es auf dem Arbeitsmarkt für Biologen aus. Relativ unverändert bleib das Verhältnis von Angebot und Nachfrage unausgeglichen, das heißt, Biologen sind meist länger als beispielweise Chemiker und Physiker auf der Suche nach einem Berufseinstieg. »Jedes Jahr drängen etwa 7.000 Biologie-Absolventen neu auf den Arbeitsmarkt, der ganz sicher kein ›Bewerbermarkt‹ ist«, weiß Dr. Kerstin Elbing vom Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin (VBIO). Ein kleiner Hoffnungsschimmer: Zuletzt hat sich die Anzahl der stellensuchenden Biologen etwas verringert und die bei der Arbeitsagentur gemeldeten offenen Stellen erhöht. Allerdings ergänzt Kerstin Elbing vom VBIO: »Generell ist es mit der Statistik so eine Sache – Biologen arbeiten in vielen Tätigkeiten, für deren Ausübung biologischer Sachverstand nötig ist, die aber nicht unbedingt der Biologie zugeordnet werden.« So sind sie etwa vermehrt in Unternehmen tätig, die eher der Chemischen Industrie zugeordnet werden. Wer sich frühzeitig ein Netzwerk aufbaut und auch für Einstiegshilfen wie Praktika, Traineeprogrammen und Volontariate offen ist, sollte auch als Biologe fündig werden.
Chemie
Gute Berufsaussichten hast du auch im Bereich der Chemie, wobei der Wettbewerb aktuell wegen steigender Absolventenzahlen größer wird. Dabei sind unter anderem die neuen Felder innerhalb der Chemie gefragt: »Schlüsselthemen sind hierbei die Digitalisierung und die Herausforderungen der zirkulären Wirtschaft sowie deren Zusammenspiel«, sagt Dr. Gerd Romanowski, Geschäftsführer Wissenschaft, Technik und Umwelt im Verband der Chemischen Industrie (VCI). Laut ihm solltest du für den Chemiker-Arbeitsmarkt Eigenverantwortung und Selbstmanagement, die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen und sehr gute Fremdsprachenkenntnisse mitbringen. Außerdem wirst du höchstwahrscheinlich interdisziplinär mit Experten aus der IT, Biologie, Physik und Materialwissenschaft zusammenarbeiten. Wichtiger wird zudem, der Digitalisierung und zirkulären Wirtschaft kompetent zu begegnen: »Die Umsetzung dieser Megatrends erfordert eine grundlegende Weiterentwicklung der Chemieunternehmen vom reinen Werkstofflieferanten zum Anbieter umfassender und nachhaltiger Lösungen für Kunden und Umwelt.« Im Zuge dessen werden Chemiker einen besonderen Fokus auf den Umgang mit Rohstoffen und Nachhaltigkeit legen müssen.
Geowissenschaften
Dr. Peter Müller, Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Geowissenschaftler, sieht die aktuelle Arbeitsmarktlage positiv: »Sowohl die gute Konjunktur als auch der anhaltende Bauboom sorgen für volle Auftragsbücher und eine hohe Beschäftigungsrate von Geowissenschaftlern in Ingenieur- und Geo-Büros.« Ein breit angelegtes, zügiges Studium mit hohem Praxisanteil bildet laut Müller eine solide Basis für die vielfältigen Betätigungsfelder in den Geowissenschaften. »Insbesondere angewandte Vertiefungsrichtungen können den Berufseinstieg erleichtern, da auch in Zukunft ein Großteil der Absolventen in Bereichen wie der Ingenieur- und Hydrogeologie unterkommt.« Die Gestaltung der Energiewende und die Bewältigung des Klimawandels werden klassische Felder wie Bauvorhaben, Grundwasserschutz und Altlastensanierung weiterhin ergänzen.