Foto: privat

Erfahrungsbericht: Praktikum in England, Worcester

Michael absolvierte ein Praktikum in England. Auf der Insel ist irgendwie alles ein Wettkampf – und voller Traditionen

Als Teil meines Studiums habe ich mich um einen Platz für ein sechsmonatiges Auslandspraktikum bemüht. Das klingt aufregend und ich habe mich auch sehr darauf gefreut. Zuvor musste ich jedoch mit über 50 erfolglosen Bewerbungen in allen möglichen Ländern und Unternehmen gute Nerven beweisen. Viele Firmen haben abgesagt, andere gar nicht erst geantwortet. Doch zum Schluss hat sich das Durchhalten gelohnt! Knapp einen Monat vor Antritt meines Praxissemesters bekam ich eine Zusage von Bosch Thermotechnology in Worcester – eine Kleinstadt im Herzen Englands, die für mich eine perfekte Ausgangslage für Reisen und Erkunden Großbritanniens darstellen würde. Mit Stereotypen von freundlichen Teetrinkern und grauem Regenwetter trat ich meinen ersten großen Auslandsaufenthalt allerdings mit eindeutig zweideutigen Gefühlen an.

Meine Ankunft in England

Beim Anflug auf Birmingham fällt bereits die typische Architektur bestehend aus Einfamilienhäusern aus Ziegelstein und englischen Gärten auf. Aus der Luft sahen die Gebäude für mich wie Dominosteine aus, die man anstupsen möchte. Für die Vollständigkeit meiner britischen Erfahrung bin ich im Zimmer von Mr. und Mrs. Smith untergekommen, die mich netterweise vom Bahnhof abgeholt haben. Ohne sie würde ich mich bestimmt in den ersten Minuten sofort verlaufen. Das Haus sieht nämlich genau so aus wie die 1.000 Häuser, an denen wir vorbeigefahren sind, und der Kreisverkehr, an dem wir abgebogen sind, ist einfach identisch mit allen anderen. Man gewöhnt sich daran, doch vieles schaut wirklich gleich aus. Auf den Verkehr musste ich mich auch erst gewöhnen. Oft habe ich sicherheitshalber in zwei Richtungen geschaut. Auch bei dem Augenkontakt mit dem Fahrer muss man als Fußgänger aufpassen, sonst blickt man schnell auf einen Vierjährigen auf dem Beifahrersitz und wartet vergebens auf eine Reaktion von ihm.
Die Menschen hier sind aber sehr höflich, offen und wirklich nett. Als Außenstehender wird man in jede Gruppe sehr schnell integriert, sei es im Sport, im Büro oder einfach im Pub. Aber auch Kleinigkeiten schaffen eine unvergleichlich freundliche Gesellschaft, wie zum Beispiel die Tür aufhalten, Menschen beim Vornamen ansprechen, Fragen wie es einem geht und einfach in einer geordneten Schlange anstehen. Das Letztere wird tatsächlich akribisch von jedermann befolgt.

Das Beste an Großbritannien ist aus meiner Sicht, dass die Modernität Hand in Hand mit der langjährigen Tradition einhergeht. Man darf nicht vergessen, dass das Vereinigte Königreich lange Zeit eine Supermacht war und die Britische Königsfamilie nach vielen Jahrzehnten heute nach wie vor verehrt wird. Das British Empire stellte einst das größte Kolonialreich der Geschichte dar. Heute messen sich diese Nationen immer noch auf einem sportlichen Niveau bei den Commonwealth Games. Ich konnte die Spiele in Glasgow live mitverfolgen: Es herrscht olympische Stimmung und es ist eindeutig ein riesiges Event, das auch auf vielen Fernsehkanälen übertragen wird. Für mich als Sportler ist es fantastisch so eine Vielfalt an Sportarten zu erleben. Badminton, Cricket, Basketball, Rugby, Fußball, Tennis erzeugen alle das gleiche Level an Volksbegeisterung bei den Briten. Ich habe mir einige Spiele live angeschaut und es war großartig. Es fällt allerdings auf, dass die Briten sehr oft wetteifern. So stark das Vereinigte Königreich an seiner Geschichte fest hält, so gut geht es auch mit dem weltweiten Fortschritt. Die Wirtschaft des Landes ist stark und neue Technologien werden in das Leben der Allgemeinheit schnell integriert (zum Beispiel Selbstbedienungskasse im Supermarkt, digitales Ausleihen der Bücher auf dem Tablet). Die Häuser mögen altmodisch von Außen aussehen, verfügen jedoch über zeitgemäße Innenausstattung. Einige Häuser verfügen über Kamine, die es noch gemütlicher an regnerischen Tagen
machen.

Stimmt das mit dem Regen?

Apropos Regen: Nach meinem Gefühl regnet es nicht wirklich mehr als in Deutschland. Man muss aber mit starken Wetterschwankungen rechnen und darf sich auf keinen Fall auf die Wettervorhersage verlassen. Mir ist noch aufgefallen, dass der Himmel vorwiegend grau und bewölkt ist. Das verdirbt hier aber nicht die Stimmung, denn die Leute sind so freundlich und es gibt vielerlei zu entdecken.

Was die Deutschen als ein Land sehen, unterscheidet der Brite strikt zwischen den jeweiligen Ländern des Vereinigten Königreichs, also Wales, Schottland, England und Nordirland. Genau das macht aber das Reisen auf der Insel so aufregend. In Schottland habe ich die Stadt Edinburgh mit dem Schloss, Stränden und dem Zoo mit Pandas besucht. Zugegeben, auch nach mehreren Monaten habe ich die Schotten kaum verstanden. Hier ist aber die Natur sehr schön und offen zugänglich. Ich habe zum Beispiel einfach wilde Pferde in einem der Nationalparks gestrichen. In England ist Bristol eine sehr trendige Stadt mit dem überwältigenden Ingenieurmeisterwerk der Clifton Suspension Bridge. Natürlich gehört London auch zu meinen Favoriten. Es gibt hier immer etwas zu tun und zu sehen. Und obwohl es eine Millionenstadt ist, hat sie es geschafft die nette britische Atmosphäre und Behaglichkeit zu behalten. Zuletzt sind die abwechslungsreichen Traumküsten von Cornwall im Süden Englands zu besuchen, die viele Engländer von Jahr zu Jahr für Urlaub anlocken.

Auf den Spuren von Berühmtheiten

Zum Schluss möchte ich erwähnen, dass Großbritannien einen reichen Einfluss auf die Film- und Musikindustrie hat. Nur um ein paar Beispiele zu nennen: James Bond, Dr. Who, Sherlock Holmes, U2, Rolling Stones. Nachdem ich viele britische Städte besucht und ein halbes Jahr in England gelebt habe, ist es wirklich toll sagen zu können, dass diese Kultur ein Teil von mir wurde. Ich habe zum Beispiel die Kathedrale aus Harry Potter in Gloucester besucht, bin durch die Straßen von Liverpool spaziert, wo die Beatles ihren Aufstieg hatten und habe mich auf vielen Fotos auf den Londoner Plätzen verewigt, die in so vielen Filmen gezeigt werden. Mit geht aber auch jedes mal das Herz auf, wenn ich den britischen Akzent im Film wiedererkenne und sogar noch verstehe.

Zusammengefasst verfügt Großbritannien auf jeden Fall über eine Vielfalt von Kulturen und unbeschreiblichen Sehenswürdigkeiten. Es ist ein Stück Land, das man unbedingt für sich entdeckt haben muss und die Freundlichkeit im Menschen, die den Aufenthalt in England so unabdingbar machen.


Anzeige

Anzeige