Hm. Eigentlich hätte ich mir das alles etwas anders vorgestellt… Oder hab ich mir überhaupt etwas vorgestellt? Was hab ich mir denn vorgestellt?! Naja, jedenfalls tritt man ein Praktikum in einer Hilfs- und Entwicklungsorganisation motiviert und voller Tatendrang an. Die Umsetzung ist allerdings manchmal etwas schwieriger, als man sich vorstellt. Phnom Penh. Kann man das essen? Nein. Phnom Penh liegt in Asien, ist die Hauptstadt des Königreichs Kambodscha mit seinen gut 14 Millionen Einwohnern. Kambodscha wiederum teilt sich Grenzen mit Thailand, Laos und Vietnam. Hier zu studieren ist möglich. An der Royal University of Phnom Penh sind Gaststudenten auf jeden Fall erwünscht.
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Im Moment nehmen allerdings vorwiegend Studenten aus anderen asiatischen Ländern, Amerikaner oder Franzosen dieses Angebot wahr. Das mit den Amerikanern liegt daran, dass ihr Land viel Geld in Entwicklungshilfe einbringt – sichtbar nicht aus rein altruistischen Gründen – bei den Franzosen geht es in eine ähnliche Richtung, da sie natürlich bereits zu ihrer Kolonialzeit viel in dieses Land investiert haben. Und was die asiatischen Nachbarn betrifft, so bietet sich Kambodscha in seiner hilflosen Position geradezu zum Ausbeuten an. Zugegeben: Das sind mit Sicherheit nicht die Beweggründe der Studenten – wohl aber mancher mächtiger Leute. Wem seine Kenntnisse in der Landessprache ‘Khmer’ etwas eingerostet erscheinen, der hat die Möglichkeit in einer der unzähligen NGOs (Non-Governmental-Organization) ein Praktikum abzuleisten. Und hier kommt man dann auch mit Englisch oder Französisch durch, irgendwie zumindest. Überhaupt versuchen sich die Bewohner so langsam auf Ausländer einzustellen. Im Central Market versprechen einem die Händler »good quality« oder einen »very very cheap price, my friend«. Überhaupt gibt es in der großen gelben Markthalle, dem Herzen Phnom Penhs, alles zu kaufen, was einem nur einfallen kann. Neben frischem Fisch oder Fleisch kann man sich auch sein neuestes Handymodell aussuchen und dabei noch Spülmittel kaufen.
Wer in der heutigen Feinstaubdiskussion etwas mitmischen will, der sollte sich einen Tag in Phnom Penh aufhalten
Dort kann nämlich Mund-und-Nasenschutz-Tragen ein Segen sein. Die Stadt ist voller Kontraste. Der prachtvolle Königspalast, ausgeschmückte Pagoden, Flanieren an der Riverside, wo man viele Weiße trifft, oder das Zusammenkommen an der Lakeside, das durch die ganzen Backpacker und Touristen z.T. schon europäische Züge hat, sind eine Seite. Allerdings gibt es auch die unzähligen Kinder, die zum Betteln auf die Straße geschickt werden oder dort leben müssen, die Minenopfer, zu denen täglich mindestens fünf hinzukommen, tausende Familien, die auf Müllhalden leben, 1,5 Millionen zusammengepfercht in einer viel zu kleinen Stadt, oder das Genocide Museum Tuol Sleng. Tatsachen, denen man ins Auge sehen muss und die die Realität der meisten Kambodschaner widerspiegeln.
Um von meiner Wohnung einmal von Nord nach Süd über den Monivong Boulevard zu meiner NGO zu gelangen, nimmt man ein ‘Motobike’. Vor Fahrrad, Rikscha oder Auto die beliebteste Art, um sich von A nach B zu bewegen. Überhaupt sind die Einheimischen etwas gemütlicher. Zu Fuß gehen gibt es nicht. Und deshalb darf man sich auch nicht wundern, wenn einen auf dem Weg zum Supermarkt viele ungläubige Blicke streifen und einem ca. alle fünf Meter ein Motobikefahrer seine Dienste anbietet.
‘Star Kampuchea’ mit ihrem Volunteer Action for Cambodia (VAC)-Programm ist eine Vermittlungsorganisation, die für Interessierte aus aller Welt eine passende Praktikumsstelle vor Ort sucht. Und dann z.B. die NGO Cambodian Health Education Development (CHED) findet. Über die Organisation trifft man auch andere Praktikanten aus aller Welt, was einen sehr hohen Unterhaltungs- und Erfahrungswert hat. Ob Stellen für Pädagogik, Sprachunterricht oder Physiotherapie – es ist für jeden etwas dabei, da das Land im Aufbau und gerade Hilfe aus dem Ausland sehr willkommen ist. In meinem Team spricht fast niemand Englisch, der Arbeitsrhythmus ist etwas langsamer, vor allem wegen schlechter Organisation – das große Problem vieler NGOs. Siesta muss bei über 40 Grad im August natürlich auch sein. Regenzeit. Wie sinnflutartig ergießt es sich im einen Moment aus dem Himmel und im nächsten scheint die Sonne wieder. Zwei meiner Kolleginnen erzählen mir, dass sie in dem ohnehin schon kleinen Büro wohnen, da sie sich keine andere Bleibe leisten können. Vom Chef wird’s geduldet. Die beiden Rechner brauchen ca. eine Minute, zum Öffnen eines Word-Dokuments.
Neben vielen Projekten im ganzen Land ist es die Aufgabe von CHED in Phnom Penh, vor allem viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Konkret werden für Arbeiter/-innen in Textilfabriken z.B. so genannt Life-Skill- Trainings durchgeführt. Man darf nicht vergessen, dass das Schreckensregime der Roten Khmer die komplette Bildungsschicht umgebracht hat und somit Aufklärung bei den absoluten Grundlagen beginnen muss. Von Ernährungsberatung, AIDSPrävention bis zu vermeintlich einfachen hygienischen Hinweisen ist dort noch viel Arbeit zu leisten. Ein großes Problem im ganzen Land ist auch die Korruption. Es ist schwierig zu akzeptieren, dass es anscheinend nahezu unmöglich ist, ohne Bestechung produktive Arbeit zu leisten.
Die Khmer sind schon ein erstaunliches Volk
Sie haben bei Leibe keine leichte Vergangenheit, aber für alles und jeden ein Lächeln übrig. Es ist für sie kein Problem, zu fünft auf einem Moped zu fahren oder damit gar einen Umzug zu machen. Sie transportieren alles – irgendwie. Und egal, ob man mit dem Bus durch das Land für 100 km einmal drei bis vier Stunden oder mehr braucht – das Land entschädigt für alles.
Von der flachen Mekongebene, die in der Regenzeit dem größten Binnensee Asiens weicht, Urwald mit vergessenen Städten wie in Bokor, exotischen Tiere (von Tigern über Elefanten bis zu Delfinen), kulinarischen Köstlichkeiten mit Meeresfrüchten oder weltberühmtem Pfeffer aus Kep, über Traumstrände wie ShianoukVille oder unberührte Natur und Abenteuer in Ratanakiri bis hin zu den kulturellen Reichtümern des Landes. Unzählige Pagoden und Paläste säumen das Land. Zumindest was von den Roten Khmer übrig gelassen wurde. Allen voran: das atemberaubende Angkor. Über 200km2 eine Reise in die Vergangenheit des Reichs der größten Hochkultur der Menschheit. Es führt kein Weg daran vorbei, sich bereits früh um halb fünf auf den Weg zu machen, um dann beim Sonnenaufgang den größten Tempel und das Wahrzeichen des Landes, Angkor Wat, im Lichte erstrahlen zu sehen. Oder am Abend von einer der Tempelanlagen dieses Weltwunders herabblickend die Sonne in die endlosen, mit Palmen bestückten Reisfelder tauchen zu sehen. Ja. Es ist wie Gabi Vogel, Verantwortliche für das VAC-Programm, sagte: »Wenn man einmal das Glück hat, einen dieser Tempel ganz alleine ohne weitere Touristen zu erkunden, dann lässt einen dieser magische Moment nie mehr los.«
Tja, ich träume noch und bin verzaubert und möchte keine einzige Sekunde dieser unglaublichen Erfahrung missen. In diesem Sinne: Traut Euch!